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Schleswig/Sønderjylland: Ein Minderheitenmodell in der deutsch-dänischen Grenzregion

Prof. Jørgen Kühl kennt das deutsch-dänische Grenzland und die Minderheitensituation wie kaum ein anderer. Für VOICES hat er die Besonderheiten dieses "Modells" zur Beilegung von nationalen Konflikten und die Förderung sowie den Schutz der Minderheiten und der Sprachenvielfalt der Region analysiert.

„Jesiden in der Sindschar-Region auf der Flucht: Machtpolitik auf dem Rücken der Bevölkerung“

VOICES-Kolumne im "Der Nordschleswiger": Aktuell spielt sich – weitestgehend von der Weltöffentlichkeit unbeobachtet – ein Drama ab, das schlimmste Erinnerungen an das Jahr 2014 weckt. Tausende Angehörige der religiösen Minderheit der Jesiden sind zum Spielball internationaler sowie regionaler Interessen geworden und fürchten um ihr Leben, schreibt Jan Diedrichsen in seiner Kolumne.

Krimtatare inhaftiert, weil er die Wahrheit über den Krieg berichtet

Viele Krimtataren haben bereits nach dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine im Jahr 2014 und die Besatzung der Krim ihre Heimat verlassen. Die GfbV hat in der Zeit der beginnenden russischen Aggression intensiv das Schicksal der Krimtataren begleitet. Heute sind die Krimtataren beinah gänzlich aus dem Fokus verschwunden Der Druck auf die verbliebenden politischen Akteure bleibt jedoch enorm.

Der chilenische Verfassungskonvent beschließt erste Artikel

Der chilenische Verfassungskonvent hat nach sechsmonatiger Arbeit die ersten Artikel für die neue Verfassung beschlossen. Kaum vorgelegt, sorgen die Entwürfe für Aufregung, ist doch von Justizsystemen die Rede. Die Mapuche beispielsweise drängen auf ihre autonome Gerichtsbarkeit. Der Konvent scheint das selbstgesetzte Ziel anzustreben, die Plurinationalität und damit die Anerkennung der Ureinwohner.

Erschienen als Kolumne VOICES – MINDERHEITEN WELTWEIT im „Der Nordschleswiger“ 

Von Jan Diedrichsen

Nein, in dieser Kolumne geht es nicht um die Fußballweltmeisterschaft in Katar, zumindest nur indirekt. Um Fußball und der nationalistischen Vereinnahmung der schönsten Nebensache der Welt geht es gleichwohl. Denn der zu beschreibende Vorfall zeigt, dass Fußball keine Nebensache, sondern hochpolitisch ist und von Autokraten gerne instrumentalisiert wird. Und Instrumentalisierung wiederum ist den Minderheiten in Europa kein fremdes Konzept.

Doch nun zum Skandal, der in Mittelosteuropa hohe Wellen schlägt: Viktor Orbán inszeniert sich gerne als furchtloser Kämpfer gegen politische Korrektheit. Neben dem hinlänglich bekannten EU-Bashing bedient sich Orbán immer wieder nationalistischer Provokationen. Im Rahmen der WM hat es Orbán geschafft, seine Nachbarn arg zu verärgern. Beim WM-Spiel zwischen Ungarn und Griechenland am Sonntag trug Orbán einen Fußballschal, auf dem die Karte „Groß-Ungarns“ abgebildet war: Das alte ungarische Reichsgebiet also, das vor der Niederlage Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg Bestand hatte. Nach Protesten setzte Orban noch einen drauf, indem er auf seiner Facebook-Seite ein Video veröffentlichte, das ihn bei der Begrüßung ungarischer Fußballspieler mit dem Schal zeigt, den er am Sonntag beim Spiel zwischen Ungarn und Griechenland trug.

Rumänien äußerte in einer Mitteilung an den ungarischen Botschafter in Bukarest „entschiedene Missbilligung“ über die Geste. Die Ukraine forderte eine offizielle Entschuldigung. Der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums erklärte, Kyjiw werde den ungarischen Botschafter einbestellen. „Die Förderung revisionistischer Ideen in Ungarn trägt nicht zur Entwicklung der ukrainisch-ungarischen Beziehungen bei“, erklärte er auf Facebook.

Etwa 1,2 Millionen ethnische Ungarn leben in Rumänien und 150.000 in der Westukraine. In seinem Protest vom Montag erklärte das rumänische Außenministerium: „Jede revisionistische Äußerung, egal in welcher Form, ist inakzeptabel.“ Zur Entkrampfung des Verhältnisses zwischen Bukarest und der großen ungarischen Minderheit wird die Orbán-Provokation kaum beitragen. Auf Facebook erklärte Orbán, die ungarische Nationalmannschaft sei „die Mannschaft aller Ungarn, egal wo sie leben. Fußball ist keine Politik.“

Zu den historischen Hintergründen: Für Ungarn war der Vertrag von Trianon 1920 eine nationale Wunde, die bis heute nicht verheilt ist. Als die österreichisch-ungarische Monarchie am Ende des Ersten Weltkriegs zerfiel, war das historische Ungarn gezwungen, die heutige Slowakei, die Vojvodina, Kroatien, einen Teil Sloweniens, Ruthenien, das Burgenland und Siebenbürgen an die neuen Staaten Jugoslawien und Tschechoslowakei, an ein stark vergrößertes Rumänien und sogar an Österreich, einen weiteren Kriegsverlierer, abzutreten. Nationale Gruppen, die sich lange Zeit von den Ungarn unterdrückt gefühlt hatten, beanspruchten ihre eigene Souveränität, während sich die Ungarn plötzlich auf mehrere Staaten als Minderheiten aufgeteilt sahen.

Restungarn wurde von 1918 bis 1921 von Gewalt erschüttert, die sowohl von den Besatzungstruppen als auch von Ungarn untereinander ausgeübt wurde. Auf den viermonatigen kommunistischen „Roten Terror“ im Jahr 1919 folgte der „Weiße Terror“ der Miliz der Nationalen Armee von Admiral Miklos Horthy. Horthy war bist 1944 an der Macht. Die Bestrebungen in den 1920er und 30er Jahren, Trianon zu revidieren, führten zur ungarischen Teilnahme am Zweiten Weltkrieg auf der Seite Nazideutschlands. Hitler war der einzige europäische Herrscher, der Ungarn die Rückgabe von Gebieten in Aussicht stellte.

Der Schmerz und die enge Bindung der ungarischen Minderheiten mit dem „Mutterland“ ist verständlich, und das Selbstbestimmungsrecht der Völker sollte eine Leitmaxime allen politischen Handelns sein. Aber Irredentismus oder das Spielen mit Symbolen revisionistischer Politik sowie Fantastereien über Grenzverschiebungen sind brandgefährlich. Sie schüren den Nationalismus, der bekanntlich dazu tendiert, ein Eigenleben zu führen, der Kontrolle von politischen Provokateuren sich entziehend. Aber genau darum geht es Orbán und Konsorten: Die Minderheitenfrage wird instrumentalisiert. Den führenden europäischen Minderheitenvertretern, die beschwichtigend erklären, Ungarn und ihr antiliberaler Führer Orbán seien gar nicht so schlimm und unwidersprochen behaupten, Ungarn und Orbán seien vielmehr die besten Freunde der Minderheiten in Europa, die wirklich etwas für die Minderheitensache leisten, sollte der aktuelle Vorfall zu denken geben.