06-03-2025
Sarajewo-Odessa: Literarisch gegen die Zerstümmelung der Ukraine
Literaten als Sprachrohr der Opfer von Aggression und Besatzung in Bosnien und in der Ukraine

Buch: "Odessa: Leben und Tod in einer Stadt der Träume", von Charles King
Von Wolfgang Mayr
Im polnischen Krakau forderte der deutsche Schriftsteller Marko Martin eine intellektuelle Zeitenwende. Auf dem Literaturfestival Odessa wetterte Martin gegen den Hochmut der denkenden Klasse im Westen. Eine pazifistisch eingestellte Kaste, die wie der ganze Rest lange von der US geprägten NATO beschützt wurde.
Zwanzig Schriftsteller aus dreizehn Ländern meldeten sich beim Literaturfestival in Krakau Wort. Am dritten Jahrestag des Beginns der russischen Invasion wurden einige der getöteten 200 ukrainischen Dichter gewürdigt.
Zentrales Thema, die Zusammenarbeit zwischen US-Präsident Trump und Russen-Präsident Putin auf Kosten der Ukraine. Problematisiert wurde auch die Kooperation rechter Denkfabriken, wie der US-“Heritage Foundation” mit russischen reaktionären Oligarchen. Ein Netzwerk, das wirkt. Beispiel Trump: Er übernimmt die Kreml-Erzählung über den Ukrainekrieg und wendet sich offensiv und beleidigend gegen den ukrainischen Präsidenten. Für die Literaten in Krakau war klar, Putin befindet sich ideologisch auf der Überholspur.
Das Literaturfestival wird von der Fondation Jan Michalski, der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit (SdpZ) sowie von den Nationalen Kulturinstituten der Europäischen Union gefördert.
Von Serhij Zhadan zu Faruk Šehić
Zu den ukrainischen Literat:innen zählen nicht wenige Soldat:innen, die für ihr überfallendes Land kämpfen. Wie Serhij Zhadan, Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2022. Pazifist:innen rümpften deshalb ihre Nasen, weil Zhadan sich in seiner Dankesrede kompromisslos hinter die sich wehrende Ukraine stellte. Für den Rockmusiker Zhadan kein Fall zum Hinterfragen. Zhadan ist kein ukrainischer Einzelfall, ähnelt Faruk Šehić, dem bosnischen Schriftsteller.
In seinem bereits 2011 auf Bosnisch erschienen Roman “Von der Una”, inzwischen liegt die deutsche Version vor, erzählt Šehić vom serbischen Eroberungskrieg in Bosnien. Der damals 22-jährige Šehić meldete sich freiwillig bei der bosnischen Armee, um sich gegen die kroatischen und serbischen Aggressoren zur Wehr setzen zu können. Die ganze Absurdität des Krieges fasst Šehić so zusammen: “Morgen schon würden wir Häuser abfackeln und Menschen töten, die genauso hießen wie wir.”
Šehić leidet mit der Ukraine mit. “Wir in Bosnien wissen, wie es ist, wenn andere über unser Leben und das Schicksal unseres Landes bestimmen,” sagte er im Gespräch “Wie der Fluss riecht” mit der österreichischen Wochenzeitung “Der Falter”. Der serbische Aggressor setzte sich durch, erhielt über den Friedensvertrag von Dayton, erzwungen von den USA, die Hälfte des Staatsgebiets. Damit wurden letztendlich die ethnischen Säuberungen festgeschrieben.
Das war vor 30 Jahren. An der südlichen europäischen Haustür schaffte es die EU nicht, im auseinanderfallenden Jugoslawien für Frieden zu sorgen. Teile der EU standen Serbien nahe, im Geiste der Allianz gegen Nazi-Deutschland. Deutschland hingegen unterstützte Slowenien, Kroatien und Bosnien auf ihrem Weg in die Eigenstaatlichkeit.
Erst die NATO-Bomben der USA stoppten die serbische Aggression durch das ehemalige Jugoslawien. Darauf kann die Ukraine heute nicht zählen.
Gegen diese dreijährigen russischen Eroberungskrieg schrieben 25 Autor:innen an. Schriftstelle Sergej Lebedew sammelte diese “Stimmen gegen den Krieg”. Es sind Stimmen, Worte, gegen die Gewalt. Die Gewalt, sagen die Stimmen, haben die russische Gesellschaft in Geiselhaft genommen.
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