ANALYSE – Koalitionsvertrag – Teil 5: Strategielos in Afrika. Derweil töten Explosionen und Anschläge in Mali und Niger über 100 Menschen

Auf 177 Seiten haben die Verhandlungsteams von SPD, Grünen und FDP die Leitlinien der kommenden Regierungsarbeit in Deutschland festgehalten.

Wir werden in den nächsten Tagen den Koalitionsvertrag abklopfen: Was wird über die Menschenrechte und den Minderheitenschutz ausgeführt?

 

Siehe auch:

ANALYSE – Koalitionsvertrag – Teil 4: „Der Druck auf die Türkei muss wachsen – auch die Kurdinnen und Kurden müssen einbezogen werden“ – Annalena Baerbock, 2019

ANALYSE – Koalitionsvertrag – Teil 3: Endet die Zeit der Russland-Versteher?

ANALYSE – Koalitionsvertrag – Teil 2: China mit wertebasierter Außenpolitik begegnen?

ANALYSE – Koalitionsvertrag – Teil 1: Menschenrechte und Minderheitenschutz im Koalitionsvertrag – ein Paradigmenwechsel?

 

ANALYSE – Koalitionsvertrag – Teil 5: Strategielos in Afrika. Derweil töten Explosionen und Anschläge in Mali und Niger über 100 Menschen

Von Jan Diedrichsen

Im Koalitionsvertrag finden sich zur Afrika-Politik nur einige wage gehaltene Sätze. Ein tagesaktueller Blick auf die extrem angespannte Lage in der Sahel-Zone, in der die Bundeswehr mit zwei Missionen präsent ist, zeigt wie dringend sich die neue Regierung mit der Situation in Afrika auseinandersetzen muss.

Im Vertrag nichts Neues: Mehr Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union, Unterstützung der Afrikanischen Freihandelszone, mehr Hilfen für die krisengeschüttelte Sahelzone – das hat man bereits vor vier Jahren gelesen. Die G20-Initiative „Compact with Africa“, ein unter Kanzlerin Angela Merkel gestartetes Vorhaben, will man fortsetzen. Verweise auf Minderheiten- und Menschrechte: Fehlanzeige.

In Mali und Nigeria erschütterten derweil mehrere Explosionen die Region – unter anderem in einem UN-Lager sowie einer Militärbasis, die von der gemeinsamen G5-Gruppe der Sahelländer Mauretanien, Niger, Tschad, Mali und Burkina Faso genutzt wird. Die G5 wurde 2017 gegründet, um in den gemeinsamen Grenzregionen der Länder für Ordnung zu sorgen und Extremisten und Terroristen zu bekämpfen.

Ein Armeesprecher erkläre gestern, eine große Gruppe, bestehend aus Hunderten von Kämpfern, habe sich dem Stützpunkt Fianto in der Region Tillaberi auf Motorrädern genähert, um einen Angriff auszuführen. In beiden westafrikanischen Ländern hat die Regierung außerhalb der Städte in den riesigen Wüstengebieten, kaum Kontrolle.

Die fragile Region wird von dschihadistischen Gruppen sowie von kriminellen Netzwerken wie Menschenhändlern unter massiven Druck gesetzt. Die Gewalt hat zu Tausenden von Toten und Vertriebenen geführt, sowohl beim Militär als auch in der Zivilbevölkerung gibt es zahlreiche Opfer.

Auch die Wirtschaftsverbände kritisieren den Ansatz der Koalitionäre, als einen „Vertrag (der) in vielen wichtigen Punkten einfach zu oberflächlich (ist). Es wird die Chance verpasst, einen großen Schritt nach vorn in der Außenwirtschafts- und Afrikapolitik zu machen.“

Ein Schwerpunktland deutschen Engagements in Afrika ist Mali. Dort beteiligt sich die Bundeswehr an zwei Einsätzen: Die Soldaten haben ein sog. „robustes Mandat“, das auch den Einsatz von Waffen erlaubt. Ein zweiter Einsatz ist die EU-geführte European Training Mission Mali. Die Bundeswehr engagiert sich zudem in mehreren Missionen kleineren Umfangs zum Beispiel mit Militärbeobachtern.

VOICES berichtete:

UN-Generalsekretär schlägt Alarm: Der Sahel-Zone droht ein „Afghanistan-Szenario“

 

Es gibt zahlreiche Konflikte, die sich aus Sichtweise der Minderheiten- und Menschenrechte zum dringenden Handeln der Bundesregierung gemahnen.

Da ist vor allem die dramatische Entwicklung in Äthiopien, unter dem ehemaligen Musterschüler und Nobelpreisträger Abiy Ahmed zu nennen.

VOICES berichtete:

Krieg in Äthiopien: Droht ein Völkermord?

Abessinien / Äthiopien – Experimentierfeld der Gewalt

Äthiopien: „Wenn aus Opfern Täter werden“

Verwüstetes Land: Tigray, eingekesselt von Äthiopien und Eritrea

 

Aber auch in Kamerun, der gewaltsame Konflikt zwischen englisch- und französischsprachigen Gebieten

VOICES berichtete:

Europäisches Parlament fordert umgehende Friedensverhandlungen in Kamerun – Zivilbevölkerung leidet unter anhaltenden Kämpfen

 

In Nordafrika der Konflikt in der West-Sahara – VOICES berichtete:

„Es ist besser zu kämpfen“: Junge Sahrauis drängen auf Widerstand

GfbV fordert Selbstbestimmungsrecht für Sahrauis – Erneute EU-Schlappe vor Gericht

HINTERGRUND von Thomas Benedikter: Ein Staat bietet Autonomie – Marokko und die Westsahara (Teil 1)

HINTERGRUND von Thomas Benedikter: Ein Staat bietet Autonomie – Marokko und die Westsahara (Teil 2)

 

Die Rückkehr der alten Macht-Clique und des Militärs im Sudan, sowie der anhaltende Bürgerkrieg im Süd-Sudan. VOICES berichtete:

Sudan will Ex-Premierminister an Gerichtshof ausliefern: Verantwortlich für Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit

 

In der Koalitionsvereinbarung heißt es zu Afrika und der Sahel-Zone:

(Seite 155-56) Die afrikanischen Staaten und Europa sind historisch eng miteinander verbunden. Für die Zukunft streben wir mit Afrika eine enge Partnerschaft auf allen Ebenen an, bilateral und im Rahmen einer kohärenten EU-Afrika-Strategie. Die Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union sowie den afrikanischen Regionalorganisationen bauen wir aus. Frieden, Sicherheit, Wohlstand, nachhaltige Entwicklung, Gesundheit, der Einsatz gegen die Folgen der Klimakrise und die Stärkung von Multilateralismus sind Schwerpunkte unserer Zusammenarbeit. Wir kooperieren zur Förderung von EU-Afrika-Konnektivität, vor allem bei Digitalisierung, Energie und Infrastruktur, und bauen die Wissenschaftskooperation aus. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass die Afrikanische Freihandelszone zum Aufbau nachhaltiger Wertschöpfungsketten beiträgt. Afrikas Stärkung im regionalen und globalen Wirtschaftsaustausch unterstützen wir. Wir leisten insbesondere dort Unterstützung, wo eine Reformagenda für Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit verfolgt wird. Dazu werden wir uns weiterhin im Rahmen des G20 Compact with Africa engagieren. Wir werden uns weiterhin in der Sahelregion engagieren, um eine Ausbreitung der Instabilität zu verhindern. Unsere Unterstützungsleistungen im Bereich der zivilen Stabilisierungsmaßnahmen im Rahmen der Partnerschaft für Sicherheit und Stabilität als Teil der Koalition für den Sahel werden wir verstetigen und entsprechend neuen Bedarfen und orientiert an der politischen Verfasstheit der einzelnen Staaten anpassen. Von der malischen Übergangsregierung erwarten wir die Einhaltung des vereinbarten Übergangsfahrplans.

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