UN-Generalsekretär schlägt Alarm: Der Sahel-Zone droht ein „Afghanistan-Szenario“

Magharebia, CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

Von Jan Diedrichsen

Die aktuellen Entwicklungen in Mali und der gesamten Sahel-Zone haben es bis in den deutschen Wahlkampf geschafft. Nachdem Frankreich erklärt hat die eigene Militärpräsenz in der Region zu reduzieren, melden sich nun auch deutsche Politiker, u.a. die deutsche Verteidigungsministerin zu Wort: man müsse den Einsatz in Mali „überdenken“.

Bei einigen Beobachtern wächst derweil die Befürchtung, dass in Mali bzw. der Sahel-Zone ein „Afghanistan-Szenario“, mit dem Zusammenbruch staatlicher Strukturen und der Machtübernahme durch islamistisch-terroristischer Gruppierungen drohen könnte. Die Regierung in Bamako verhandelt aktuell allem Anschein nach direkt mit der russischen Söldner-Firma Wagner. Die vom Kreml oft als Hilfsarmee eingesetzten Söldner sind in zahlreichen Ländern im Einsatz und für Menschenrechtsverletzungen berüchtigt.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen António Guterres hat der Weltgemeinschaft und nicht zuletzt Frankreich sowie Deutschland ins Gewissen geredet und seinerseits vor einem „Afghanistan-Szenario“ in der Sahel-Zone gewarnt:

„Es besteht die Gefahr, dass einige terroristische Gruppen von den Ereignissen in Afghanistan angespornt werden und eigene Ambitionen hegen“, warnt António Guterres. Er sei besorgt über diese fanatischen Gruppen und die Gefahr, dass staatliche Armeen vor diesen Kämpfern „zerfallen“ könnten. „Wir haben das in Mosul im Irak gesehen, in Mali während des ersten Vorstoßes auf Bamako, wir haben es in Mosambik gesehen“. António Guterres erklärt weiter, es sei „wichtig, die Sicherheitsmechanismen in der Sahelzone zu verstärken. Es geht nicht nur um Mali, Burkina oder Niger. Wir haben jetzt Infiltrationen in der Elfenbeinküste und in Ghana“, fügte Guterres hinzu und zitiert Nachrichtenberichte, wonach Tschad einige Truppen aus den Grenzgebieten um Burkina Faso, Niger und Mali abziehen wolle. „Ich fürchte, dass die Reaktionsfähigkeit der internationalen Gemeinschaft und der Länder der Region angesichts der Bedrohung nicht ausreichen. Aus diesem Grund setze ich mich für eine afrikanische Anti-Terror-Einheit ein, die über ein Mandat nach Kapitel sieben des Sicherheitsrats (welches die Anwendung von Gewalt ermöglicht) und über entsprechende Mittel verfügt.“  Der UN-Chef bemüht sich seit Jahren darum, der G5-Sahel-Gruppe – Tschad, Mauretanien, Mali, Niger und Burkina Faso – ein entsprechendes UN-Mandat zu erteilen, das mit einer Finanzierung durch die Weltorganisation einhergehen würde.

Die GfbV schrieb bereits 2017:

„Statt die Militärpräsenz in Mali stetig zu erweitern, sollte sich Deutschland vor allem für eine politische Lösung des Tuareg-Konflikts einsetzen, der seit Jahrzehnten den Norden Malis destabilisiert. Ohne eine glaubwürdige politische Lösung wird es dort langfristig auch keine Sicherheit geben. Wenn Regierungssprecher Steffen Seibert den Mali-Einsatz als „zentrale Aufgabe der deutschen Afrikapolitik“ bezeichnet, dann ist dies ein Armutszeugnis deutschen Engagements in Afrika. Die Minusma-Mission ist zweifelsfrei wichtig, um islamistischen Extremismus einzudämmen, doch in keinem Falle ausreichend, um Mali zu stabilisieren.“

Bereits 2012 rebellierten Tuareg-Milizen, die islamistische Ansar Dine und andere Gruppen gegen die malische Regierung und übernahmen mehrere Städte im Norden des Landes. Frankreich und andere Staaten intervenierten militärisch und drängten die Milizen zurück. Seit 2013 ist die Bundeswehr mit bis zu 1.700 beteiligten Bundeswehr-Soldaten und dem umfangreichsten deutschen Auslandseinsatz beteiligt.

Die Tuareg

Die Tuareg sind ein ursprünglich muslimisches Berbervolk mit rund 1,5 Millionen Mitgliedern. Sie leben in einer etwa zwei Millionen Quadratkilometer großen Region – fast sieben Mal so groß wie Deutschland – in der Sahara und im Sahel, die Teile Algeriens, Malis, Libyens, Burkina Fasos und Nigers umfasst.

Die Rechte der Tuareg werden nicht zuletzt in den Staaten Mali und Niger oftmals missachtet, bis hin zur Unterdrückung. Seit der Kolonialzeit werden die Tuareg an den Rand der Gesellschaften gedrängt. Die Marginalisierungsmaßnahmen drücken sich in vielschichtigen Konflikten aus. Der Begriff „Tuareg“ basiert auf dem arabischen „Tawariq“ und wird meist als „die von Gott Verlassenen“ übersetzt. Die Tuareg selbst bezeichnen sich als Imuhar (Algerien, Libyen) beziehungsweise Imuschar (Mali, Niger). Die meisten Tuareg leben in Niger (ca. 900.000), gefolgt von Mali (ca. 190.000) und Algerien.

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