Schamanen unter Druck

Putins Regime geht hart gegen andersdenkende Schamanen vor.

Von Tjan Zaotschnaja 

Sergej Ketschimov ist gestorben. Er war der letzte Verteidiger des heiligen Sees der Chanten. Ketschimov versuchte mehrere Jahre lang, sein Land im Autonomen Gebiet Chanten-Mansi vor den Ölkonzernen zu schützen.

Der Schamane und Aktivist kämpfte gegen die Ölförderung durch Surgutneftegaz in der Nähe des Imlor-Sees. Immer wieder vertrieben die Arbeiter den Schamanen, um nach Öl zu bohren.

Sergej Ketschimov wurde deshalb dreimal verurteilt, 2017 zu Zwangsarbeit wegen angeblicher Bedrohung von Surgutneftegaz und 2022 zu sechs Monaten eingeschränkter Freiheit. Im Dezember 2022 wurde Ketschimov nach einer Auseinandersetzung mit einem Polizeibeamten wegen Gewalttätigkeit angeklagt und verurteilt.

Nach Angaben seiner Frau Swetlana Koltschurina konnte dem Rentierzüchter, als es ihm gesundheitlich schlecht ging, lange nicht geholfen werden. Die Ärzte verweigerten nämlich die ambulante Aufnahme und die Einweisung ins Krankenhaus.

„Sergej Ketschimov starb unter Qualen. Es starb ein Mann, auf dessen Land schätzungsweise eine Million Tonnen Öl lagern. Der Erdölkonzern freut sich, endlich den Störer losgeworden zu sein“, kommentierte die Journalistin Sayana Mongush den Tod von Ketschimov.

Ihrer Meinung nach verschlechterte sich Ketschimovs Gesundheitszustand, nachdem er das Wasser des Imlor-Sees getrunken hatte. Der See ist verseucht.

Wladimir Tschuprov vom Projekt „Erde betrifft jeden“ würdigte in seinem Nachruf der hartnäckigen Schamanen. Er erinnerte an die Empfehlung des Rates für die Entwicklung der Zivilgesellschaft und Menschenrechte von 2020, dass heilige Stätten der indigenen Völker nicht geschützt werden. Ein Beispiel dafür sei die Situation um den Imlor-See, wo das Unternehmen Surgutneftegas Bohranlagen für die Erdölförderung errichtet. Der See sei dem indigenen Volk der Chanten heilig und um die heilige Stätte „Stein-Bär“ an der Quelle des Tromagan-Flusses wurden Erschließungsarbeiten durchführt.

Die Erdölförderung am Fluss und am See wirkt sich laut indigenen Aktivist:innen negativ auf das Ökosystem aus, genauso der Bau von Straßen und Rohrleitungen, die Bäche stauen, somit das  hydrologische System des Gebiets verändern, die Fischbestände dezimieren, Wälder vernichten, Wasser und Boden verseuchen. Es gebe inzwischen auch illegalen Bauten von Wilderern usw.

Mit dem Tod von Sergej Ketschimov hat der Imlor-See einen hartnäckigen Schützer verloren. 

Die Behörden verfolgen auch weiterhin Aleksandr Gabyschew. Laut seinem Anwalt Alexej Prjanischnikov bleibt Gabyschew weiterhin in psychiatrischer Haft: „Die Richterin des Bezirksgerichts Ussurijsk Tatjana Fomina hat sich geweigert, den jakutischen Schamanen Gabyschew in ein allgemeines psychiatrisches Krankenhaus zu verlegen, obwohl die Psychiater auf der Verlegung bestanden haben.“ Er muss büßen, weil er mit einem Fußmarsch von Sibirien nach Moskau gegen das Putin-Regime demonstrierte.

Anwalt Prjanischnikov kündigt Berufung gegen die Entscheidung des Gerichts an. Putins Russland hält an der sowjetischen „Tradition“ fest, Dissident:innen, Bürgerrechtler:innen und protestierende Schamanen werden in die Psychiatrie verbannt. 

Feinde des Schamanen haben in Jakutsk den Hund von Gabyschew – Belyj – vergiftet. Belyj begleitete Gabyschew und seinen Begleiter*nnen nach Moskau. 

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