Und jetzt Moldau?

Die russischen Separatisten wollen heim ins russische Reich

Von Wolfgang Mayr

Die russischsprachigen Bewohner:innen in “Transnistrien” sind die Nachfahren der stalinistischen Statthalter im rumänischsprachigen Moldau. Die Rote Armee besetzte am Ende des Zweiten Weltkrieges diesen östlichsten Teil Rumäniens und siedelte am Dnjester treue Diener der Sowjetunion an: Meist Russ:innen, aber auch Ukrainer:innen, sie stellen in “Transnistrien“ die Bevölkerungsmehrheit. 

1990 erklärte sich Transnistrien unabhängig, ein russischer Vorposten hinter der Ukraine in Moldau. Ein „Siedler-Staat“, die in Moldau angesiedelten russischsprachigen Sowjetmenschen sicherten Moskau die Kontrolle über diese Region. Seit ihrer Ankunft in diesem Land schikanierten sie Moldau, zeigten immer wieder, wer die Herren im Land sind.

Diese Sowjet-Nachfahren – eine halbe Million Menschen – drängen jetzt auf Schutz aus Moskau. So als ob Moldau die russischsprechende Bevölkerung bedrohen würde. Die transnistrische „Elite“ befürchtet ukrainische Umtriebe, haltlose Unterstellungen und antiukrainische Hetze.

In Transnistrien sind seit dem Zerfall der Sowjetunion 1.500 russische Soldaten stationiert. Aufgerüstet, schlagkräftig, kampferprobt wie die Kriegsverbrecher in Butscha. Die Elite von Transnistrien, Ex-Kommunisten, Ex-KGBler und organisierte Kriminelle, verweisen auf ihren per Referendum geäußerten Wunsch, an Russland angeschlossen zu werden. Der russische Kriegspräsident Putin wird sich darüber freuen. Mit diesen Wünschen kennt sich Putin aus.

Russki Mir

Putin bombte das nach Unabhängigkeit strebende Tschetschenien zurück nach Russland, besetzte in Georgien angebliche russische Regionen, annektierte die Krym und die östliche Ukraine. Wohlmeinende westliche Intellektuelle werben um Verständnis für den russischen Imperialismus, gehe es doch um nachvollziehbare russische Sicherheitsinteressen. Diese Argumentation wird die europäische Linke in Kumpanei mit den Rechten jetzt wohl auch auf Transnistrien anwenden. 

Greift Putin die Schutzbitten auf, wird Moldau zerstückelt. Und der Westen schaut dann wieder zu. Die europäischen Solidaritätsbekundungen zugunsten der Ukraine zeigen es doch mehr als deutlich, der Westen wird – zwar protestierend – die Zerschlagung Moldaus teilnahmslos sekundieren.

Das Muster wiederholt sich, pro-russische “Separatisten” – in Russland werden mutmaßliche ethnische Separatisten in den nicht-russischen Regionen lückenlos verfolgt – baten in Georgien um Hilfe, dann in der Ukraine, jetzt in Moldau. Eine doch klar erkennbare Blaupause des russischen Imperialismus.

Für die Ukraine drohte jetzt in ihrem Rücken eine weitere Gefahr. So befürchtete das ukrainische Militär, dass Russland von Transnistrien aus die nahe gelegene südwestukrainische Hafenstadt Odessa angreifen könnte.

Transnistrien ist nur ein weiterer Baustein für Putins Plan, die “russische Welt” – Russki Mir – wieder herzustellen. Das Russland der Zaren, das noch größere Russland der Sowjet-Ära. “Russki Mir” ist dort, ließ Putin die russischen Nachbarn wissen, wo Russen leben. 20 Millionen Russen leben in den Staaten, die nach dem sowjetischen Zusammenbruch entstanden: Estland, Lettland, Litauen, Ukraine, Moldau, Kasachstan, Armenien.

Geplante “Heimholung”

Mit einem Dekret lässt Putin – Partner der europäischen Rechten und Teile der populistischen Linken – nach “russischem Eigentum” im Ausland forschen, um es rechtlich abzusichern. Egal, wo es sich befindet.

In Lettland, gelegen vor der russischen Haustür, stellen Russischsprachige fast die Hälfte der Bevölkerung. Auch sie sind die Erben der stalinistisch-russischen Kolonialisierung. Die nächste Etappe nach Transnistrien? Immerhin gilt für Lettland und seinen baltischen Nachbarn der NATO-Schutz.

Das Putin-Dekret zur Sicherstellung russischen Eigentums im Ausland bezieht sich auf “Immobilien”, die in der zaristischen und folgenden sowjetischen Ära russisch waren. Zum Beispiel Alaska. Bereits in den ersten Tagen des Krieges gegen die Ukraine forderte eine Duma-Hinterbänkler die USA auf, Alaska Russland zurückzugeben.

Schon 2014 hatte Putin in einer TV-Sendung Alaska nebenbei erwähnt, als ein Territorium im hohen Norden, wie Sibirien. Was er wohl damit sagen wollte? Geht es ihm um die “Neuordnung” der Welt? Der Abgeordnete Sergej Mironow griff auf X diese Neuordnung auf: “Wollten Sie eine neue Weltordnung? Venezuela annektierte einen 24. Bundesstaat, Guyana-Essequibo. Dies geschieht direkt vor der Nase des einst großen Hegemons der Vereinigten Staaten. Alles, was bleibt, ist, dass Mexiko Texas und den Rest zurückerhält. Es ist Zeit für die Amerikaner, über ihre Zukunft nachzudenken. Und auch über Alaska.“

Russische Militärblogger regen Putin an, den Verkauf Alaskas an die USA für illegal zu erklären, Teile Osteuropas – vielleicht Ost-Deutschland – , des Kaukasus und Zentralasiens als russischen Besitz deklarieren.

Serbien, bevorzugter EU-Kandidat vom Balkan, wird dankbar zugreifen, um die serbischen Regionen Bosniens annektieren. Wenn der große Bruder ungestraft die Ukraine überfallen darf, warum sollten dann Serbien nicht ein ähnliches Projekt verfolgen dürfen. Die EU wird eine Annektion bosnischer Gebiete nicht verhindern.  

Das Londoner “Institute for the Study of War” sieht in dieser Eigentums-Kampagne – und Russland als Schutzmacht der Russen im Ausland – als konkreten Versuch, Europa in seinen Grundfesten zu destabilisieren. 

Rechtsradikaler Applaus ist garantiert, die “antikolonialistische” Linke wird auch mitklatschen. 

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