Ein anderes Spanien

Katalanische Politiker werden amnestiert, sie unterstützen im Gegenzug eine linke Regierung.

Von Wolfgang Mayr

Auf Großkundgebungen protestierte die spanische Rechte aus PP und Vox gegen eine mögliche Amnestie katalanischer Unabhängigkeitspolitiker. 

Ein Richter des Strafgerichtshofs beschuldigte den ehemaligen Präsidenten Kataloniens, Carles Puigdemont, ein Terrorist zu sein. Der offensichtliche Versuch eines stockkonservativen Richters, die Regierungsverhandlungen zu boykottieren. Das oberste Aufsichtsgremium der Gerichtsbarkeit, der Consejo General del Poder Judicial, sprach sich gegen das mögliche Amnestiegesetz aus. 

Die Rechte und die politisierte Justiz, konservativ bis reaktionär eingestellt, wollen gemeinsam eine Links-Regierung verhindern.

Trotz der Querschüsse einigten sich der amtierender Ministerpräsident Pedro Sánchez und die katalanischen Parteien Junts per Catalunya (Junts) und Esquerra Republicana (ERC) auf ein Amnestiegesetz. 

Trotzdem Einigung

Dieses Gesetz sieht vor, dass die Betreiber des als verfassungswidrig erklärten Referendums für die Unabhängigkeit Kataloniens vom 1. Oktober straffrei ausgehen sollen. Junts und Esquerra verpflichten sich im Gegenzug, Sánchez mit ihren 14 Abgeordneten bei der Wahl zum Ministerpräsidenten im Parlament zu unterstützen. Der Sozialist Sánchez und seine linke Allianz sicherte sich mit der Amnestie-Vereinbarung die absolute von 176 Stimmen im spanischen Unterhaus. 

Schon frühzeitig signalisierte die katalanische Linke von der ERC den spanischen Sozialisten ihre Unterstützung, Junts formulierte mehrere Forderungen. Dazu zählte die Amnestie.

Der im belgischen Exil lebende katalanische Europaparlamentarier Carles Puigdemont wurde zum „Königsmacher“. Er und die sieben Junts-Parlamentarier gingen mit klaren Vorstellungen in die Verhandlungen. Sie forderten Straferlass für 600 Mitstreiter, gegen die nach dem Referendum vom Oktober 2017 die Justiz vorging. Außerdem sollten die Akteure anderer Protestaktionen, wie etwa Straßenblockaden, ebenfalls amnestiert werden.

Sozialist Sánchez hofft, dass mit der Amnestie die politische Lage in Katalonien entschärft, entemotionalisiert wird. 

Rechte und Justiz gegen eine Amnestie

Die linke Allianz und die katalanischen Parteien müssen noch auf Widerstand rechnen. Mitglieder des bereits erwähnten Consejo General del Poder Judicial kündigten rechtliche Schritte gegen das Amnestiegesetz an. Der Nationale Gerichtshof – der Hüter des Zentralstaates – will den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an, sollte das Amnestiegesetz auch Untersuchungen gegen die katalanische Unabhängigkeitsorganisation Tsunami Democratic untersagen. Die Organisation hatte im Herbst 2019 den Flughafen Barcelona blockiert, um gegen die Haftstrafen für die katalanischen Unabhängigkeitspolitiker zu protestieren.

Alberto Núñez Feijóo von der nationalkonservativen Volkspartei PP kritisierte das Amnestiegesetz als einen Angriff auf den Rechtsstaat. Die PP warnt vor einer angeblichen „Ungleichbehandlung“ von Katalanen und den restlichen Spaniern, die geplanten Zugeständnisse zugunsten Kataloniens spalteten weiterhin das Land.

Die neue linke Regierung will Katalonien Schulden in Höhe von 15 Milliarden Euro zu erlassen. Außerdem soll die Region zusätzliche Befugnisse bei der Verwaltung des regionalen Eisenbahnverkehrs erhalten.

Die spanische Volkspartei, nahe stehend dem CSU-Politiker Manfred Weber, plant an diesem Sonntag in den fünfzig Provinzhauptstädten Kundgebungen gegen das Amnestiegesetz.

Die rechtsradikale Vox und ihre Jugendorganisation Revuelta demonstrieren täglich vor der Parteizentrale der Sozialisten in Madrid. Diese neuen Faschisten, hervorgegangen aus der Volkspartei PP, beschimpfen Sánchez als einen Verräter, der ins Gefängnis müsse. 

Die Linke mobilisiert ihre Anhänger für das Amnestiegesetz. Eine große Mehrheit der sozialistischen Parteimitglieder unterstützt das Vorhaben.

Aber auch Juristen sprechen sich für das Amnestiegesetz aus. Mehr als 200 Juristen, unter ihnen der ehemalige Richter am Nationalen Gerichtshof, Baltasar Garzón, haben ein Manifest für die Amnestie unterschrieben. Die Verfassung verbiete das Amnestiegesetz nicht, argumentieren die Juristen. Mit der Amnestie werde die Versöhnung vorangetrieben.

Am 27. November stellt sich der geschäftsführende Ministerpräsident und seine Regierungskoalition der Abstimmung im Parlament. Die erzielte Einigung mit den katalanischen Parteien sichert Sánchez die Mehrheit. Für den Sozialisten wollen auch die baskischen Parteien und die galicische Linkspartei Bloque Nacionalista Galego stimmen.

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