11-08-2023
Genozid in den Bergen
Aserbeidschan hungert Arazach aus

Von Wolfgang Mayr
Bergkarabach, Arzach, ist von der Welt vergessen. Thema einer vierteiligen Podcast-Serie auf Voices. Alice Bota und Maria Mitrov berichteten auf zeit online über das vergessene Arzach.
Seit Dezember 2022 ist diese armenische Bergregion in Aserbeidschan abgeriegelt, seit einem Monat „wird die Enklave Bergkarabach von Aserbaidschan regelrecht ausgehungert. Es fehlt an allem – an Essen, Benzin, Medikamenten,“ schreiben Bota und Mitrov über eine nahende Katastrophe.
Drastischer formuliert es Moreno Ocampo in seinem Gutachten für den Präsidenten von Arzach, Arajik Harutjunjan. Ocampo war von 2003 bis 2012 Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs. Der Präsident von Arzach, Arajik Harutjunjan, hatte seine Expertenmeinung angefragt. Innerhalb einer Woche legte Ocampo sein Gutachten vor.
Laut Ocampo findet in Arzach ein Genozid statt, an den 120.000 Armeniern. Die im Dezember 2022 verhängte Blockade, die die Einfuhr von Lebensmitteln, Medikamenten und Treibstoff unterbindet, zielt darauf ab, schreibt Ocampo in seinem Gutachten, der armenischen Bevölkerung in Arzach als „Gruppe absichtlich Lebensbedingungen aufzuerlegen, die darauf abzielen, ihre physische Zerstörung herbeizuführen.“
Das ist Genozid und so formuliert es auch Artikel 2 der Geonzid-Konvention.
In seinem Gutachten wendet sich Ocampo an US-Präsidenten Joe Biden. Als erster Präsident der USA erkannte Biden das jungtürkische Morden an den Armeniern 1915 als Genozid an. In seiner Rede forderte er dazu auf, Verbrechen wie Völkermord künftig zu unterbinden.
Ocampo erinnert Biden und die westlichen Politiker daran, dass in Arzach ein schleichender Genozid stattfindet. Handeln ist notwendig, appelliert Ocampo an US-Präsidenten Biden. Alle sind verpflichtet, den Genozid zu verhindern, den schleichenden Völkermord stoppen. Russland, die EU- und UNO-Mitgliedsstaaten, alle Staaten, die die Genozid-Konvention ratifiziert haben.
Das Aushungern der Bevölkerung von Arzach entspricht laut Ocampo den gezielten Vorbereitungen eines Völkermordes. Die Gruppe der Armenier soll damit geplant und gezielt vernichtet werden, warnt der ehemalige Chefankläger am Internationalen Strafgerichtshof.
„Es war mir eine Ehre, meinen Beitrag zu leisten,“ schreibt Ocampo abschließend in seinem Gutachten. Einen Beitrag gegen einen Genozid. Er ist bereit, „jede Partei zu unterstützen, die sich dafür einsetzt, die Zerstörung der armenischen Gruppe in Bergkarabach zu verhindern“.
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