Fortschreitende Katastrophe

Arzach leidet seit siebeneinhalb Monaten unter der aserbaidschanischen Blockade seiner einzigen Landverbindung mit Armenien und damit mit der Außenwelt. Infolge des Treibstoffmangels musste am 25. Juli der öffentliche Personennahverkehr in ganz Arzach eingestellt werden; in der Hauptstadt Stepanakert wurde er bereits am 18. Juli eingestellt.

Arzach und umgebende Staaten von 1994 bis 2020  von Arzach beherrscht, ehem. autonomes Bergkarabach  von Arzach beherrscht, außerhalb des früher autonomen Bergkarabach  von Aserbaidschan beherrscht, aber von Arzach beansprucht

Von Sivizius - Eigenes Werk, Arzach und umgebende Staaten von 1994 bis 2020  von Arzach beherrscht, ehem. autonomes Bergkarabach  von Arzach beherrscht, außerhalb des früher autonomen Bergkarabach  von Aserbaidschan beherrscht, aber von Arzach beansprucht

Von Tessa Hofmann

Arzach leidet seit siebeneinhalb Monaten unter der aserbaidschanischen Blockade seiner einzigen Landverbindung mit Armenien und damit mit der Außenwelt. Infolge des Treibstoffmangels musste am 25. Juli der öffentliche Personennahverkehr in ganz Arzach eingestellt werden; in der Hauptstadt Stepanakert wurde er bereits am 18. Juli eingestellt. Auf einer Pressekonferenz am Vortag erklärte der Präsident der Republik Arzach, Arajik Harutjunjan: „Arzach ist jetzt das einzige Gebiet der Welt, das sich in völliger Isolation und Belagerung befindet, ohne jegliche humanitäre Hilfe und internationale Präsenz. Ohne dringende internationale Unterstützung für dieses Katastrophengebiet könnte Artsakh mit einem Konzentrationslager verglichen werden, mit all seinen schrecklichen Folgen.“

Der Treibstoffmangel beeinträchtigt selbst den Betrieb von Krankenwagen. Der Gesundheitsminister von Arzach, Wardan Tadewosjan, erklärte, dass die Zahl der Rettungsfahrzeuge, die Patienten in Krankenhäuser transportieren, bereits reduziert wurde, um die Treibstoffversorgung aufrechtzuerhalten. Das medizinische Personal hat versucht, Menschen, die medizinische Hilfe benötigen, aus der Ferne zu versorgen. Die Entsendung von Krankenwagen in Städte und Dörfer von Stepanakert aus ist selbst in medizinischen Notfällen unmöglich geworden. 

„Wir hatten zwei Fälle, in denen der Krankenwagen nicht rechtzeitig eintraf. Ich glaube, dass diese Patienten hätten gerettet werden können, wenn es möglich gewesen wäre, schneller zum Krankenhaus zu gelangen. Diese Fälle könnten sich aufgrund des Treibstoffmangels häufen“, erklärte Tadevosyan gegenüber Arzachpress.

Wie immer trifft es die Schwächsten zuerst. Über zweitausend Babys im Alter unter einem Jahr erhalten keine Babynahrung mehr. Gleichzeitig ist In der Republik Armenien ein Konvoi von 19 Lastwagen  gestrandet, der im Auftrag der Regierung der Republik Armenien 360 Tonnen humanitärer Fracht (Lebensmittel, Babynahrung, Medikamente) nach Arzach bringen sollte. Aserbaidschan verweigert die Durchfahrt. Die stellvertretende armenische Sozialministerin Zhamkotschjan erklärte gegenüber ausländischen Diplomaten: „Die 12 Tonnen Milch und Brei, die für die Babys bestimmt sind, stehen bereit für den Transport nach Berg-Karabach, das nur wenige Dutzend Kilometer entfernt ist. Es ist unmöglich, diese Tatsache zu akzeptieren. (…) Die ambulanten Pflegedienste für einsame ältere Menschen sind unterbrochen worden, und die sozialen Einrichtungen können die dort lebenden Kinder und älteren Menschen nicht mehr vollständig mit Lebensmitteln versorgen“, betonte die stellvertretende Ministerin.

Sie fügte hinzu, dass die Regierung von Berg-Karabach Rollstühle und andere Hilfsmittel gekauft habe, die jedoch aufgrund der Blockade nicht an die Behinderten weitergegeben werden konnten.

Inzwischen häufen sich auch Früh- und Fehlgeburten, weil Schwangere zu Fuß und in der Hitze zum Arzt laufen müssen.

Vor allem aber leiden die Arzacher unter der Gleichgültigkeit, mit der die internationale Staatengemeinschaft ihrem Leiden zuschaut. Sowohl die politischen Entscheidungsträger in Washington, als auch in Moskau sind sich einig, dass die Arzacher Armenier die Herrschaft Aserbaidschans akzeptieren sollen. Moskau, Washington und Brüssel wetteifern lediglich darum, wer den Friedensschluss zwischen den Republiken Armenien und Aserbaidschan schlussendlich vermittelt. Dass für diesen fragwürdigen Frieden das Selbstbestimmungsrecht der 120.000 eingeschlossenen Arzacher Armenier geopfert werden soll, darin sind sich anscheinend alle erschreckend einig. 

Präsident Arajik Harutjunjan hat sich inzwischen an Luis Moreno Ocampo gewendet, der von 2003-2011 erster Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs war, und ihn um Beurteilung der Frage gebeten, ob die Blockade Arzachs einen Genozid darstellt. Moreno Ocampos Antwort lautete: „Um zu einer Schlussfolgerung bezüglich der Begehung eines Völkermordes zu gelangen, muss ich die Absichten der aserbaidschanischen Führung analysieren. Die Absichten könnten aus den Fakten abgeleitet werden, aber um meine Genauigkeit und Unparteilichkeit zu gewährleisten, werde ich dem aserbaidschanischen Präsidenten schreiben und ihm die Gelegenheit geben, seine Position direkt zu erläutern.

Angesichts der Dringlichkeit der Situation und der Gefahr, dass 120.000 Armenier verhungern, plane ich, meinen Bericht innerhalb von 7 Tagen zu veröffentlichen.“

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