Charkiw – die verletzte Stadt

Bewohner:innern erzählen vom Angriff 

TOPSHOT - A child runs as she holds a Ukranian flag in front of the destroyed building of a cultural centre, hit in a missile strike, during a graduation ceremony of art students, in the town of Derhachi, Kharkiv region, on June 17, 2023. (Photo by Sergey BOBOK / AFP) (Photo by SERGEY BOBOK/AFP via Getty Images)

Von Wolfgang Mayr

Charkiv als Beispiel, stellvertretend für die Ukraine. Die Stadt war bis zum Auftakt des russischen Eroberungskrieges am 24. Februar 2022 eine pulsierende Metropole russischsprachiger Menschen, aber überzeugter ukrainischer Nationalität. Wahrscheinlich stand und steht sie noch auch deshalb ganz oben auf der russischen Agenda, sie platt zu walzen. Die russische Feuerwalze, seltsamerweise halten sich die westeuropäischen Proteste dagegen in Grenzen, zerstörte in der Ost-Ukraine Land, Städte und Dörfer sowie Menschen, die angeblich befreit werden sollten. Vom neo-nazistischen Regime des jüdisch-stämmigen Präsidenten Volodymyr Zelenskyj. 

Charkiv als Beispiel – Charkiver Bürger:innen erzählen von den ersten Kriegstagen und von den Veränderungen durch die zerstörerischen Angriffe seit dem 24. Februar 2022. Die Berichte eingesammelt haben der Verein „Young Kharkiv“ und das Institut der Leibniz-Gemeinschaft. Nachzulesen sind die Aussagen auf Copernico – Geschichte und kulturelles Erbe im östlichen Europa unter dem Themenschwerpunkt „Die verletzte Stadt. Bewohner:innen erzählen vom Angriff auf ‚ihre‘ Stadt Charkiw“.

Young Kharkiv

„Young Kharkiv“ will wegen der massiven russischen Zerstörungen das Gedächtnis an die Orte der Stadt und ihrer Bewohner:innen bewahren, die Erinnerungsorte erhalten. „Im Zentrum des Dossiers stehen 11 Interviews mit Charkiwer:innen, die in den ersten Monaten nach Kriegsbeginn in der Stadt geblieben sind. Gerahmt werden die Berichte von einführenden Texten von Young Kharkiv, einem Beitrag von Iryna Skyrda, in dem sie berichtet, wie die Stadt sich verändert hat. Mikhail Ilchenko, ein am GWZO ansässiger Experte für Stadtgeschichte im östlichen Europa, gibt einen profunden Einblick in das Charkiw der 1920er und 1930er Jahre und der Verbindung dieser Zeit zum kulturellen Gedächtnis der Stadt“, 

Das Verbindende am Projekt „Die verletzte Stadt“ ist der Schmerz um die Zerstörung der vertrauten Stadt, den Schmerz teilen sich die Mitglieder von Young Kharkiv, die Interviewten, genauso das Herausgeber:innenteam vom Institut der Leibniz-Gemeinschaft. Die Interviews sind ein Versuch, Widerstand zu leisten und Überlebensstrategien zu entwickeln. Es geht darum, das gemeinsame Gedächtnis zu bewahren und die flächendeckende Zerstörung zu dokumentieren. Die russische Armee zerbombte eine Stadt, die einst die Hauptstadt der ukrainischen Sowjetrepublik war, in der die russische Sprache und Kultur dominierte. Das moderne Charkiv war aber auch das intellektuelle Zentrum der ukrainischen Wiedergeburt. Ob die russische Armee gerade auch deshalb Charkiv „befreien“ will, d.h zerstören? Ein Großteil der russisch besetzten und annektierten Ost-Ukraine ist eine zerbombte Stadtlandschaft. 

Dieses Projekt ist eine Kooperation der Historikerin Svitlana Telukha aus Charkiw, die wegen des Krieges nach Leipzig floh, Maren Röger vom GWZO, Dorothee Riese vom Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europas (GWZO) sowie Antje Johanning vom Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung. Sie griffen das Anliegen von „Young Kharkiv“ auf, das Gedächtnis ihrer Stadt digital zu archivieren und zu bewahren sowie einer internationalen (Fach-)Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Interviews besorgten die Mitglieder von Young Kharkiv, Yevhenii Telukha, Yevhen Mikhnov, Anton und Iryna Skyrda. 

Gleich zwei Autoren haben Charkiv im Westen bekannt gemacht, Serhij Zhadan, Träges des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels und Sergej Gerasimow. In „Feuerpanorama. Ein ukrainisches Kriegstagebuch“ beschreibt Gerasimow den antirussischen „inneren Patriotismus“ der russischsprachigen Charkiver:innen. Der russische Angriffskrieg stärkte die ukrainische Identität der russischsprachigen Angegriffen, dokumentiert auch Zhadan die Reaktion seiner Landsleute. Wie kann man einen Krieg erklären, der nie erklärt wurde, Thema des Buches „Internat“ von Zhadan.  

Lesestoff für die Russland-Versteher, vom AfDler Tino Chrupalla, über Ex-General Erich Vad, Politikwissenschaftler Johannes Varwick  bis zu Sahra Wagenknecht. 

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