19-04-2022
Ziel Ent-Ukrainisierung
Timofej Sergejzew und sein Kommentar auf RIA Nowosty „Was Russland mit der Ukraine tun muss“ ist ein Plädoyer für entgrenzte Kriegsverbrechen.
Von Wolfgang Mayr
Die Plattform dekoder analysierte den aufsehenerregenden Aufruf von Timofej Sergejzew. Seine These, die Ukrainer sind „passive Nazis“. Das ist auch die These des russischen Präsidenten, seines Außenministers und seines Kriegsministers. Sergejzewschlägt vor, die Ukrainer umzuerziehen und sie gleichzeitig zu unterdrücken. Der Kommentar erschien am 3. April, an diesem Tag wurden die russischen Gräueltaten in Butscha bekannt, ein praktisches Beispiel für die Umsetzung der Empfehlungen von Sergejzew.
Die russische Kriegsführung gegen die Ukraine steht also unter dem Leitmotiv „Entnazifierung“, die über Vergewaltigungen, Morde, Zerstörung von Städten und Vertreibungen erreicht werden soll. Entnazifizierung steht letztendlich für „Ent-Ukrainisierung“, für die „Endlösung der Ukrainerfrage“, warnt dekoder.
Der Blogger Richard Herzinger stimmt diesen Warnungen ergänzend zu: „Der (Genozid) ist von dem russischen Verbrecherregime bereits offiziell angekündigt und seine Durchführung in allen Einzelheiten beschrieben worden: Von der Ermordung oder Verschleppung der ukrainischen politischen und kulturellen Eliten in Konzentrationslager bis zur „Umerziehung“ der ukrainischen Bevölkerung zu ihren Herren im Kreml treu ergebenen „Klein-“ oder „Neurussen“.
Der Kommentar von Sergejzew ist letztendlich ein ideologischer Leitfaden für den russischen Krieg gegen die Ukraine und ein politisches Manifest des Putinismus. Man kann davon ausgehen, dass Sergejzew im Namen des Kremls spricht, im Namen des Systems Putin. Dekoder veröffentlicht Analysen und Kommentare über den Sergejzew-Aufruf zur Vernichtung der Ukrainer von russischen Liberalen in den sozialen Medien.
Der Grundtenor, die Taktik der Verdrehung und Umpolung ist ein traditionelles Mittel der russischen Außenpolitik. Beispiel die Annexion der Krim 2014. Auf der Sicherheitskonferenz 2015 in München verglich Außenminister Lawrow die völkerrechtswidrige „Angliederung“ der Krim mit der deutschen Wiedervereinigung. Provokant fügte er hinzu, in Deutschland gab es keine Volksbefragung, auf der Krim sehr wohl.
Auch Sergejzew hantiert mit dieser Umpolungstaktik, kommentiert der Journalist Andrej Loschak. Die russische Führung verkauft „Verbote“ als „Freiheit“, „Krieg“ als „Frieden“. Ähnlich verhält sich mit dem russischen Konzept der „Entnazifizierung“, schreibt Loschak und wirft Sergejzew Nazismus vor: „Denn im Grunde schlägt der Autor des Artikels vor, auf den „befreiten“ Gebieten Konzentrationslager zu errichten, in denen die Ukrainer jahrzehntelang gewaltsam russifiziert werden sollen. Vergleichbares machen die Chinesen bereits seit vielen Jahren mit Uiguren und Tibetern. Die gewaltsame Russifizierung heißt im Artikel euphemistisch „Enteuropäisierung“. Die Ukrainer sollen offenbar alle Anzeichen der westlichen Zivilisation ablegen und werden wie die russischen Soldaten: Sie sollen plündern, saufen, stehlen, morden, den Zaren lieben, sich aus der Politik heraushalten, jedem wahnsinnigen Befehl ohne Widerspruch gehorchen und vor allem niemals, unter keinen Umständen, selbständig denken. Und wenn die Ukrainer das in zwanzig Jahren gelernt haben, dann wird man sie feierlich Russen nennen“.
Der Historiker Andrej Subow formuliert es drastischer. Er nennt den Kommentar vonSergejzew […] einen Aufruf zum Genozid am ukrainischen Volk und zur Vernichtung der ukrainischen Kultur. Als Historiker war es meine Pflicht Mein Kampf und die Protokolle der Weisen von Zion zu lesen. Der bei RIA Nowosti am 5. April erschienene Artikel ist böser, verlogener und verbrecherischer als diese beiden“.
RIA Nowosti ist kein „alternatives“ Rand-Medium, sondern Teil der staatlichen Medienholding Rossji Sewodnja, eine tragende Säule der Staatspropaganda gilt. Laut Similarweb liegt die monatliche Reichweite bei 260 Millionen Klicks.
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