“Verhallender Donner”: Nee-gon-we-way-we-dun ist gestorben

Von Wolfgang Mayr

Clyde Bellecourt, Nee-gon-we-way-we-dun, Donner vor dem Sturm, ist im Alter von 85 Jahren gestorben. Er war Mitglied der Three Fire Society, der Gathering of the Sacred Pipes, er war ein Sun Dancer und Mitbegründer des American Indian Movement.

Mark Trahant widmet Bellecourt auf Indian Country Today einen umfangreichen Nachruf. Die Geschichte des Anishinaabe aus White Earth in Minnesota ähnelt 150.000 weiteren Schicksalen. Zwangs-Internat, Zwangs-Assimilierung, Verbot der Muttersprache, Entwurzelung. Darunter litten schon seine Eltern, erzählte Bellecourt Mark Trahant.

Vater Bellecourt wurde wie viele andere Jugendliche aus den Reservaten in den Ersten Weltkrieg nach Europa geschickt, wurden dort verwundet. „Die Belohnung? 1924 wurde Charles Bellecourt US-amerikanischer Staatsbürger nach dem Citizenship Act,“ beschreibt Clyde Bellecourt den US-Lohn für den fernen Kriegseinsatz.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verfügte die Bundesregierung über die Betroffenen hinweg die „Umsiedelung“ von Reservats-Bewohnern in die Städte. Bellecourt landete in den Twin Cities. Trotz der Versprechen der zuständigen Behörden gab es kaum Jobs, aber jede Menge antiindianischen Rassismus. Der junge Bellecourt verbrachte die meiste Zeit wegen kleinkrimineller Aktivitäten in verschiedenen Gefängnissen. Überfüllt meist mit indigenen Jugendlichen und Erwachsenen, die wegen fehlender Ausbildung in den Städten gescheitert sind.

Im Stillwater-Gefängnis lernte Bellecourt Eddie Benton-Banai kennen, auch er ein Anishinaabe. Benton-Banai warb dafür, die Häftlinge über ihre verdrängte und vergessene Kultur zu informieren, sie damit aufzurichten. Benton-Banai und Bellecourt organisierten im Stillwater State Prison wahrscheinlich die ersten Indian Studies.

Sie hatten damit Erfolg, freute sich nachträglich Bellecourt, „wir haben die durchschnittliche Haft-Zeit der indigenen Insassen von über sechs Jahren auf drei und zwei Jahre gesenkt.“ Benton-Banai rettete ihm das Leben, gab ihm eine Perspektive, bedankte sich Bellecourt im Interview mit Indian Country Today.

Nach seiner Entlassung nahm Bellecourt das Ingenieur- Studium wieder auf und arbeitete bei der Northern Power States Company. In seiner Freizeit gründete er mit Benton-Banai die Organisation Concerned Indian American Coalition. Aus der CIAC wurde das American Indian Movement, das sich in Minneapolis lautstark in die Stadtpolitik einmischte, sich gegen die diskriminierende Schulbehörde und gegen die Polizeibrutalität wandte. Aus dem Ehrenamt wurde ein fulltime Job, Bellecourt bat deshalb Northern States Power um eine Auszeit, damit er das American Indian Movement leiten konnte. Die Firma gab ihm die Zeit und zahlte sein Gehalt für ein Jahr.

Ironie der Geschichte. Als AIM-Direktor verhindert Bellecourt, dass sein Arbeitgeber 35.000 Hektar Land in Wisconsin unter Wasser setzten konnte. Das AIM punktete und wurde für junge Menschen in den Städten ein Vorbild, ein Rettungsanker, eine Alternative zur kriminellen Sackgasse und Gefängnis.

„Wir betrachteten die weiße europäische Bildung, das Bureau of Indian Affairs und die importierte Religion als die drei schlimmsten Feinde unserer Völker,“ beschrieb Bellecourt im Gespräch mit Mark Trahant die politische Agenda des AIM. Als einen besonders weitreichenden Angriff auf die Selbständigkeit der Reservate bezeichnete Bellecourt die Umsiedlungsprogamme nach dem Zweiten Weltkrieg. Zwei Drittel der Angehörigen der tribal nations leben deshalb heute außerhalb ihrer Reservate. Das Bureau of Indian Affairs behandelte die Schutzempfohlenen als unmündige Untertanen, im BIA arbeitete damals nur wenige Stammes-Mitglieder, das BIA war für Bellecourt eine kolonialistische Einrichtung.

Das ständig wachsende AIM erklärte dem BIA den „Krieg“, protestierte gegen die BIA-Politik, die offensichtlich das Ziel verfolgte, die Nachfahren der Ureinwohner restlos zu enteignen. „Die Gründung von AIM hat diese Struktur erschüttert,“ freute sich Bellecourt. Das FBI setzte deshalb das AIM auf seine Top-Hitliste, wie Martin Luther King, Malcolm X, Black Panthers, Weather Underground und sogar die National Organization of Women, erinnert sich Bellecourt an die Frühphase des AIM.

Die frühe Geschichte des American Indian Movement wurde von mehreren Persönlichkeiten geprägt, von Clyde Bellecourt, seinem Bruder Vernon; Russell, Bill und Ted Means; Lehman Brightman; Eddie Benton-Banai; Dennis Banks; Pat Bellanger; Madonna Thunder Hawk und vielen anderen. Für das philosophische Rüstzeug sorgten Hank Adams und Vine Deloria Jr.

AIM sorgte für einen Aufbruch, für eine Renaissance im Indian Country. So beschreibt es Mark Trahant: „Diese Bemühungen führten zur Gründung des Legal Rights Center, der Heart of the Earth Survival School, des Trail of Broken Treaties und natürlich von Wounded Knee. Und auf dem Weg dorthin gibt es viele Kapitel des Erfolgs, des Chaos, der Tragödie und der Bürgerrechte“.

Und AIM ließ den Sonnentanz wieder aufleben, der 1890 verboten wurde. Dieses Verbot mündete in das Massaker von Wounded Knee. Clyde Bellecourt war ein Anhänger des Sonnentanzes. Er lernt den Schamanen Leonard Crow Dog kennen, den Lakota-Aktivisten Lehman Brightman von der University of California in Berkeley, Dennis Banks und Russell Means. Laut Bellecourt gibt es heute Hunderte von Sonnentänzen in ganz Amerika.

Der wiederbelebte Sonnentanz, ein Ritual der Plains-Stämme im mittleren Westen, wurde zum Ausdruck der indigenen Selbstbestimmung. „Die Indianer tanzen heute wieder zu Ehren der Sonne, ihre Familien kommen wieder zusammen. Hunderttausende haben Alkohol und Drogen aufgegeben“, der Erfolg des lange städtisch geprägten AIM, freute sich Clyde Bellecourt. Wohl auch sein Vermächtnis, findet Mark Trahant.

 

Mark Trahant und sein Nachruf für Clyde Bellecourt:

The ‘incorrigible’ Thunder Before the Storm – Indian Country Today

 

Weitere Artikel von Indian Country Today über das AIM:

American Indian Movement leader dies at 85 – Indian Country Today

‚Into the fire’: New AIM leaders face pivotal time – Indian Country Today

AIM co-founder Eddie Benton-Banai dies – Indian Country Today

‘Are You Going to Honor the Treaties?’ Clyde Bellecourt Asks Bernie Sanders – Indian Country Today

Native History: AIM Occupation of Wounded Knee Begins – Indian Country Today

American Indian Movement Co-Founder Dennis Banks Dies at 80 Years of Age – Indian Country Today

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