Tsalagi: Die Erinnerung verblasst nicht

Von Wolfgang Mayr

Vor fast 200 Jahren ließ der demokratische US-Präsident Andrew Jackson die Ureinwohner östlich des Mississippi westwärts vertreiben.

Wohl nicht von ungefähr hing das Porträt von Andrew Jackson im Oval-Office des abgewählten US-Präsidenten Trump. Viele seiner Entscheidungen richteten sich gegen die autonomen Reservats-Verwaltungen. Ganz in der Tradition von Andrew Jackson. Der demokratische Präsident von damals war ein radikaler ethnischer Säuberer.

Jackson setzte fort, was US-Gründervater Washington als Parole ausgab. „Unmittelbare Ziele sind die völlige Zerstörung und Verwüstung ihrer Siedlungen“, empfahl George Washington den westwärts drängenden Siedlern und seiner Armee.

Ähnliches formulierte sein sechster Amtsnachfolger, Andrew Jackson: „Macht Feuer unter ihren Füßen! Wenn es heiß genug ist, werden sie schon gehen.“ Eine Umschreibung der Strategie der verbrannten Erde. Jackson zählt zu den Mitbegründern der Demokratischen Partei, war bekennender Indianer-Hasser und die sogenannte Umsiedlung der überlebenden Ureinwohner nach dem illegalen Ansturm aus Europa wurde im Präsidentschaftswahlkampf 1828 zu seiner zentralen politischen Botschaft: „Da sie nun mitten unter den Angehörigen einer überlegenen Rasse weilen, müssen sie zwangsläufig der Macht der Umstände weichen und bald verschwinden.“

Indian Removal Act

Die angedachte Vertreibung verpackte Präsident Jackson in ein Gesetz. Recht und Ordnung. Im Mai 1830 unterzeichnete er den sogenannten Indian Removal Act, das „Indianer-Umsiedlungsgesetz“. Sie, die „Indianer“, dürfen damit gegen ihren Willen in den Westen deportiert werden: die Cherokee aus Georgia, die Creek aus Alabama, die Chickasaw aus Tennessee und Kentucky, die Chocktaw aus Mississippi und die Seminole aus Florida.

Indigene Nationen, die sich an die Neue Zeit angepasst haben, sich organisierten, sie galten als die „Fünf zivilisierten Stämme“. Sie wohnten in Stein- und Fachwerkhäusern, sie lebten vom Ackerbau und viele besaßen große Plantagen. Bundesstaaten wie Tennessee und Georgia hetzten ihre Bürger offiziell auf, die Weiler, Siedlungen und Dörfer dieser „zivilisierten Stämme“ zu plündern.

Die Cherokee wehrten sich 1832 juristisch gegen die Vertreibung und zogen vor das oberste US-Gericht und bekamen überraschenderweise auch noch Recht. Die Richter stellten fest, der Indian Removal Act ist verfassungswidrig. „Die Nation der Cherokee ist eine eigene Gemeinschaft mit eigenem Territorium, dass die Bürger von Georgia nur mit Zustimmung der Cherokee selbst oder in Übereinstimmung mit Verträgen und Gesetzen des Kongresses betreten dürfen“, erklärte der oberste US-Richter, John Marschall. Knapp und zynisch kommentierte Präsident Jackson: „Richter John Marschall hat entschieden – nun lasst ihn das durchsetzen.“ Der juristische Sieg der Cherokee wurde nicht respektiert.Kein Wunder, dass Jackson ein Vorbild für Trump ist.

Trail of Tears

Manche der indigenen Nationen wehrten sich militärisch, unterlagen aber der US-Armee und den Bürgermilizen. Diese trieben die indigene Bevölkerung in den Appalachen zusammen, in Camps, wo sie wochenlange auf ihre Deportation warten mussten. Viele starben in diesen Camps.

Dann wurden sie auf den „Trail of Tears“ („Pfad der Tränen“) geschickt. Mehr als 100.000 Ureinwohner wurden aus ihrer Heimat vertrieben und zwangsumgesiedelt, nach Oklahoma. In ein Land, das keineswegs menschenleer war. Weit mehr als 23.000 (manche Historiker gehen von noch mehr Toten aus) starben auf dem Weg dorthin.

Mehr als 1.000 Angehörige der Cherokee-Nation flohen in die Wildnis der Berge der Appalachen. Diese Cherokee, die der Zwangsumsiedlung entkamen, bezeichnen sich heute als Eastern Band of Cherokee Indians; die beiden Gruppen, die in Oklahoma sesshaft wurden, nennen sich Cherokee Nation und United Keetoowah Band of Cherokee Indians.Beide Cherokee-Bevölkerungsgruppen, in Oklahoma und in North- Carolina, begehen gemeinsam die Erinnerungstage an den „Trail of Tears“.

General Allotment Act

Das nord-östliche Oklahoma gehört den Cherokee, so lange der Fluss fließt und das Gras wächst, lautete das Versprechen der USA. Das galt auch für die übrigen vertriebenen Ureinwohner aus den ehemaligen Neu England-Staaten. 1887, 57 Jahre nach dem „Indian Removal Act“ folgte der „General Allotment Act“, der die restlose Enteignung der indigenen Nationen vorsah. Die Reservate wurden parzelliert, beschreibt Claus Biegert in „Seit 200 Jahren ohne Verfassung“ die Auswirkungen dieses Aktes, den indigenen Familien zugeteilt. Das übrig gebliebene Land, der Großteil, wurde an weiße Siedler verscherbelt. Oklahoma, das Indian Territory, wurde restlos aufgelöst.

In Oklohama wurden damit die indigenen Bevölkerungsgruppen zu Minderheiten im eigenen – einst zwangszugewiesenen – Land. 123 Jahre später entschied abermals der oberste US-Gerichtshof, der Supreme Court, dass der Großteil des östlichen Oklahoma ein Ureinwohner-Reservat ist, das der Kongress den Muscogee – einem der fünf zivilisierten Stämmen in den 1830er Jahren vertraglich zugesichert hatte.

Ein Sieg für viele Ureinwohner in den USA, die um ihre Souveränität kämpfen. Die Entscheidung sei monumental und von immenser Bedeutung für die indigenen Völker Nordamerikas, sagte Joy Harjo. Sie ist eine Angehörige der Muscogee Nation (auch Creek genannt) und  trägt den Titel „Ehrendichterin der Vereinigten Staaten“.

Für die Muscogee Nation und vier anderen „zivilisierten Stämme“ ist das Urteil eine späte historische Gerechtigkeit. Sie waren zwischen 1830 und 1850 gezwungen worden, sich im heutigen Oklahoma anzusiedeln. Das Land, um das es heute geht, war ihnen als Reservat versprochen worden.

Eine Karte der Muscogee Nation zeigt 11 Gerichtsbarkeiten. :Bild: Picture-Alliance

In Oklahoma gründeten die Überlebenden der Vertreibung mehrere  Siedlungen, wie Tulsa, heute die zweitgrößte Stadt des Bundesstaates. Auch sie fällt in das Gebiet, das der Supreme Court als Land der Muscogee bestätigte. Auf den Reservaten gilt ein eigenes Justizsystem, das der Bundesstaat Oklahoma fortgesetzt missachtete. Laut den Richtern übte Oklahoma über Jahrzehnte hinweg unrechtmäßige strafrechtliche Autorität über die indigenen BürgerInnen aus.

Der Obersten Gerichtshof beschäftigte sich mit diesem Fall, nachdem ein verurteilter Sexualstraftäter sich durch die Instanzen geklagt hatte. Jimcy McGirt, der ein vierjähriges Kind vergewaltigt hatte und darum für sein Leben im Gefängnis sitzt, argumentierte, dass das bundesstaatliche Gericht keine Zuständigkeit gehabt habe. Schließlich gehöre er dem Stamm der Semiole an und die Tat sei auf dem Territorium der Muscogee verübt worden. Weitere Gefängnisinsassen stellten ähnliche Anträge.

In Reservaten haben nur der Bund und die Behörden der jeweiligen Ureinwohner-Nation strafrechtliche Autorität, nicht aber der jeweilige Bundesstaat. Gegen die Umsetzung des Urteils des obersten US-Gerichts legte sich der republikanischen Gouverneur von Oklahoma (er soll von den Cherokee abstammen) quer, wie damals US-Präsident Jackson.

Rassistische Cherokee?

Nicht nur dieses Urteil des Obersten Gerichtshofs wühlte die indigenen Gemeinden in Oklahoma auf. Bei einer Volksabstimmung der Cherokee-Nation stimmten drei Viertel der Wahlberechtigten gegen das Recht auf „Stammesmitgliedschaft“ von ehemaligen schwarzen Sklaven.

Vor mehr als 140 Jahren wurden die ehemaligen Sklaven zu vollwertigen Mitgliedern des „tribal nation“. Sklaven, die die Cherokee selbst „gehalten“ hatten oder von den Plantagen der Weißen zu den Cherokee geflüchtet sind. Diese gemeinsame Geschichte wurde mit dem Volksentscheid unterbrochen. Betroffen davon sind 2800 so genannte „Freedmen“ (befreite Männer), bisher anerkannte und registrierte Stammesangehörige. Mehr als 40.000 andere, die sich bisher nicht eintragen ließen, können dies nach dem Votum nicht mehr tun.

Eine kaum nachzuvollziehende Entwicklung. Laut der Tageszeitung New York Times haben mehr als drei Viertel der Angehörigen weniger als ein Viertel Cherokee-Blut, das heißt, sie stammen von Cherokees und von Weißen ab. Die Folge der Zwangs-Assimilierung über Kirche und Schulen, Arbeitsplatz und Armee.

Der Streit um die „Freedmen“ war rassistisch geprägt. In E-Mails an Cherokee-Angehörige wurden die Nicht-Indianer als Diebe und Ausbeuter beschumpfen. Sie seien eine Belastung für das Gesundheits- und Sozialsystem der Cherokee. „Lasst euch nicht von diesen Leuten ausbeuten“, zitierte die Washington Post einen der „Freedman“-Gegner wörtlich. „Sie werden euch total aussaugen. Schützt die Cherokee-Kultur für unsere Kinder…Stoppt die Infiltration.“

Anlass für diesen rassistische Konflikt, das Geld. So wiesen Initiatoren des Volksentscheids darauf hin, dass die Gruppe der „Freedmen“ anwachse. Das bedeutet, dass Stammeseinkünfte durch Bundesgelder und florierenden Betrieb von Spielkasinos auf zunehmend mehr Menschen verteilt werden müsse.

Die „Freedmen“ und ihre Unterstützer ihrerseits sprechen von Habsucht und purem Rassismus. „Hier unterdrücken Unterdrückte“, beklagte eine „freedwoman“ in der Washington Post. Offensichtlich färbte sich der Südstaaten-Rassismus auf die Cherokee ab.

Trail of Tears – Learn more about the Cherokee and the tragic Trail-of-Tears (cherokeehistorical.org)

How did the Eastern Cherokee escape the Trail of Tears? – Quora

The Eastern Band of Cherokee Indians | Cherokee, NC (visitcherokeenc.com)

Eastern Cherokee Nation – Bing video

Cherokee Oklahoma Reservation – Freedmen – Black Indians – Bing video

Part 1 – Cherokee History As You’ve Never Heard It – Bing video

Tribes_of_OK_Education Guide_Cherokee_Nation.pdf

 

 

 

 

 

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