Sprachenlernen und Kinder: Welche Politik und welche Strategie sind dafür notwendig?

Von Wolfgang Mayr

Wie geht Sprachenerziehung im Kindesalter? Eine wichtige Frage für die Angehörigen Sprach- und nationalen Minderheiten. Deshalb informierten sich Bildungsexperten der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (Fuen) bei ihrem Besuch in der Südtiroler Landeshauptstadt über die verschiedenen Südtiroler Bildungsmodelle.

Die Fuen-Arbeitsgemeinschaft Bildung wollten von den Südtiroler Fachleuten wissen, wie die mehrsprachige Erziehung von Kindern gelingen kann. Welche Einrichtungen sind dafür notwendig? Diese Fragen stellten die AG-Mitglieder beispielsweise an das EURAC-Institut für Angewandte Sprachforschung in Bozen.

Tagungsgastgeber Daniel Alfreider, Fuen-Vize, Landesrat für die ladinische Schule und Kultur in der Südtiroler Landesregierung, betonte die überlebensnotwendige Wichtigkeit der Bildung in der eigenen Muttersprache. Nur dann ist es laut Alfreider möglich, Sprache und Kultur der jeweiligen Sprach- und nationalen Minderheiten zu sichern.

Landesrat Alfreider bezeichnete das Südtiroler Bildungssystem als ein ganz Besonderes: Es gilt als ältestes Beispiel dreisprachiger Erziehung in Europa – Italienisch, Deutsch und Ladinisch sind Unterrichtssprachen. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Bildung besuchten eine deutsche Schule in Bozen (deutsche Unterrichtssprache, italienisch als zweite Landessprache) und einen ladinischen Kindergarten in der Touristenhochburg Urtijei/St. Ulrich im ladinischen Gröden. Die Kinder in Ladinien (Gröden und Gadertal) lernen frühzeitig drei Sprachen (deutsch, italienisch, ladinisch).

Das Südtiroler Bildungswesen arbeitet eng mit der Wissenschaft zusammen, betonte die Sprachwissenschaftlerin Ulrike Jessner-Schmid von der Universität Innsbruck. Sie verwies dabei auf ihre zweijährige Studie zu mehrsprachiger Bildung in ladinischen Kindergärten und erklärte: „Frühe Mehrsprachigkeit wirkt sich positiv auf sprachlicher und kognitiver Ebene aus.“

„Die Südtiroler sind in der Früherziehung wegweisend,“ lobte FUEN-Generalsekretärin Éva Adél Pénzes. „Jedes Kind wird auf Augenhöhe behandelt und mit den individuellen sprachlichen Voraussetzungen optimal gefördert. Es war beeindruckend zu sehen, wie sich die Pädagoginnen und Pädagogen mit viel Herzblut engagieren.“ Gleichzeitig ist deutlichgeworden, dass dies nur möglich ist, wenn die Politik dafür die Weichen stellt.

Die italienische Sprachgruppe verfügt – wie die deutsche und ladinische – über ein eigenes Schulsystem. Unterrichtssprache ist italienisch. In den letzten Jahren wurde eine Reihe von mehrsprachigen

Lern-Projekten gestartet, um die zweisprachige schulische Erziehung zu stärken.

Das Autonomiestatut (ein Verfassungsgesetz) garantiert den Angehörigen der drei Sprachgruppe in Südtirol Kindergärten und Schulen in ihren Muttersprachen.

In den größeren Städten drängen Eltern auf ein zusätzliches schulisches Angebot, auf eine mehrsprachige Schule. Auch die interethnischen Grünen, die italienischen Mitte-Links-Parteien und Teile der italienischen Rechten unterstützen immer wieder diese Anliegen. Dem widerspricht Simon Constantini auf dem Blog Brennerbasisdemokratie mit diesen Argumenten:

  1. Trotz Autonomie leben wir in einem Staat, der sich als Nationalstaat definiert und eine lingua franca immer wieder durchzusetzen versucht (siehe momentane Situation im Gesundheitswesenoder im Konsumentenschutz).
  2. Solange die drei Sprachen in Südtirol nicht auch de facto gleichgestellt sind und Ladinisch und Deutsch rechtlich benachteiligt werden, ist für mich eine sprachliche Begegnung auf Augenhöhe nicht gegeben. Diese wäre aber meines Erachtens Voraussetzung für ein solches Modell.
  3. Die Tendenz in Südtirol immer alles paritätisch zu machen, stärkt automatisch die Staatssprache. Wenn, dann müsste man asymmetrische Modelle andenken bzw. Immersion wie in jenem Land betreiben, in dem dieses Modell erfunden wurde (Kanada). Denn Erkenntnisse aus nicht-mehrsprachigen Gebieten, können nicht eins-zu-eins auf Südtirol übertragen werden.
  4. Solange wir keine professionelle, auf normierten Tests basierende, laufende Erhebung der Sprachkenntnisse und vor allem der Sprachentwicklung in Südtirol haben (das Sprachbarometer basiert auf Selbseinschätzung), halte ich solche Vorstöße für hemdsärmelig und dilettantisch. Wir brauchen parallel dazu belastbare Daten und eine sprachwissenschaftliche Begleitung und Erhebung.
  5. Und zuguterletzt: die immer wieder betonte “Alternative” zur derzeitigen deutsch- und italienischsprachigen Schule würde mit ziemlicher Sicherheit keine solche bleiben. Da der individuelle Vorteil einigermaßen sicher gegeben ist, würde die “einsprachige Schule” relativ bald zum Sammelbecken der “Ewiggestrigen” (abgestempelt) werden und der Zug (oder gesellschaftliche Druck) in Richtung neues Modell unwiderstehlich sein.

Zweisprachige Schule. – BBD (brennerbasisdemokratie.eu)

Zweisprachige Schule (II). – BBD (brennerbasisdemokratie.eu)

Zweisprachige Schule (II). – BBD (brennerbasisdemokratie.eu)

Was bringt der Mehrsprachigkeitshype? – BBD (brennerbasisdemokratie.eu)

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