Neukaledonien-Kanaky: Die FLNKS hält an der Unabhängigkeit fest

Das Abkommen zwischen Frankreich und Neukaledonien als ein weiterer Schritt hin zur Eigenstaatlichkeit?

Richtet sich das Abkommen gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen der kanakischen Befreiungsfront FLNKS? Foto: Inc.nc

Richtet sich das Abkommen gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen der kanakischen Befreiungsfront FLNKS? Foto: Inc.nc

Von Wolfgang Mayr

 

In einer Erklärung auf facebook reagierte das kanakische Unabhängigkeitsbündnis FLNKS überraschend positiv auf das Abkommen. Das Abkommen, schreibt die FLNKS, ist eine “grundsätzliche Einigung, um auf dem Weg der Souveränität voranzukommen.

Franceinfo widmete der Stellungnahme und der Botschaft breiten Raum: Für die FLNKS ist das Abkommen kein Endpunkt, sondern ein weiterer Baustein für die Eigenstaatlichkeit. Die “Front” will das Abkommen ihrer Basis vorlegen. Das Abkommen entspricht den Überlegungen des Melanesian Spearhead Group, einer zwischenstaatlichen Organisation von Fidschi, Papua-Neuguinea, den Salomonen, Vanuatu und der FLNKS – der sich deutlich für Dekolonisierung Neukaledoniens ausspricht.

 

Souveränes Kanaky?

In seiner Stellungnahme würdigt die “Front” das Abkommen als großen Fortschritt mit diesen Begründungen: Es führt zur Souveränität, weil erstmals ein international anerkannt Staat Neukaledonien – trotz französischer Oberhoheit – entsteht, weil dieser neue Staat hoheitliche Zuständigkeiten in der Außenpolitik erhält, weil die Grundlage dieses Staates die neukaledonische Nationalität (kanakisch also melanesisch) ist und weil sich dieser Staat ein eigenes Grundgesetz geben kann, um die Selbstverwaltung Neukaledoniens zu regeln.

Das ist zweifelsohne um vieles mehr, als es die derzeitige “kollektive Entität” mit Sonderstatut vorsieht. Außerdem werden laut Abkommen, betont die “Front”, zusätzliche Hoheitsbefugnisse von Frankreich auf Neukaledonien übertragen: Justiz, Währung, öffentliche Ordnung und Verteidigung. Besonderen Wert legt die FLNKS darauf, dass das Abkommen das Recht auf Selbstbestimmung garantiert.

Über all das müssen zudem die Gremien und die Basis der Parteien des Verhandlungsprozesses abstimmen.

 

Die Gegenrede der Loyalisten

Für die Gegner der Unabhängigkeit, die profranzösischen Loyalisten, hingegen respektiert das Abkommen “den Willen“ der Neukaledonier. Mehr Autonomie unter “französischer Schirmherrschaft”. Die Loyalisten betonen, dass die Neukaledonier bei den Referenden 2018, 2020 und 2021 für den staatlichen Verbleib bei Frankreich gestimmt haben.

 

Neues Gewicht für die Provinzen

Die Loyalisten erreichten eine Aufwertung der bevölkerungsstärksten Südprovinz im neukaledonischen Kongress, in dem sie die stärkste politische Kraft sind. Die drei Provinzen – Nord- und Südprovinz sowie die Loyalitätsinseln – erhalten Steuer-Kompetenzen, um eine eigenständige Wirtschaftspolitik betreiben zu können.

Während der FLNKS aus dem Abkommen eine Stärkung Neukaledoniens herausliest, kommen die Loyalisten zum gegenteiligen Schluß. Es stärkt die Rolle Frankreichs in Neukaledonien, belässt es doch für weitere Jahre Verteidigung, Sicherheit, Währung und Justiz in französischer Hand.

Die Übertragung dieser Befugnisse an Neukaledonien muss der neukaledonische Kongress mit absoluter Mehrheit beschließen. Aufgrund ihres Vetos könnten die pro-französischen Parteien in Abstimmung mit der französischen Regierung den Kompetenz-Transfer unterbinden. Auch deshalb begrüßen die Loyalisten das Abkommen.

Die Loyalisten freuen sich auch darüber, dass das Abkommen künftige kanakische Landansprüche zugunsten des französischen Privateigentums unterbindet.

 

„Zugeständnisse“ ohne Unabhängigkeit

Das Abkommen entstand im Dialog, ist ein Produkt des Konsenses, bewerten die Loyalisten die getroffene Vereinbarung. Deshalb die Zugeständnisse an die andere Seite. Mit Zugeständnissen meinen die Loyalisten folgende Punkt:

* Die bisherige neukaledonischen Gebietskörperschaft – “kollektive Entität mit Sonderstatus” – wird in einen Staat umgewandelt, der aber Teil Frankreichs bleibt,

* Es wird zwar eine neukaledonische Nationalität geschaffen, die aber “untrennbar mit der französischen Nationalität verbunden” bleibt;

* Die Selbstorganisation soll eine größere Flexibilität und institutionelle Reaktionsfähigkeit ermöglichen und

* Neukaledonien kann als an Frankreich assoziierte Staat Außenpolitik betreiben.

 

Ein Abkommen, unterschiedliche Texte?

Ein Abkommen, zwei gegensätzliche Analysen. Frankreich ist deshalb am Zug. Nach der überlangen Kolonialherrschaft über die Kanaken ist es an der Zeit, eine Wende einzuleiten. Wiedergutmachung, Schadenersatz, weitestgehende Selbständigkeit und gerechte wirtschaftliche Teilhabe, die nicht von den Nachfahren der französischen Eroberer eingeschränkt werden darf.

Fakt ist aber auch, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der kanakischen Bevölkerung loyalistisch eingestellt ist. Der Kanake Alcide Ponga vom profranzösischen Rassemblement-Les Républicains ist der amtierende neukaledonische Regierungsschef.

 

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