Land und Frieden

In Kolumbien ist die ungeklärte Landfrage das Hindernis für eine friedliche Entwicklung.

Von Wolfgang Mayr

Die Regierung Duque zeigte bisher wenig Engagement, die offene Landfrage zu lösen. Im Gegenteil, der Präsident verteidigt mit seiner Politik die besitzende Elite. Diese Elite ist wenig zimperlich bei der Durchsetzung ihrer Interessen.

So werden indigene, afrokolumbianische und kleinbäuerliche Gemeinden von vielfältigen Gegnern ins Visier genommen. Von den „Sicherheitskräften“ des korrupten Staates, von Killerkommandos der Großgrundbesitzer, von ehemaligen linksradikalen Guerrilleros, die sich an die Drogenmafia verkauften. Kolumbien, ein Partner für die USA, EU und die Nato?

Der Kolonialismus der spanischen Eroberer wirkt noch immer nach. Der Staat funktioniert wie die Verwaltung der Conquistadoren, Ausbeutung total von Land und Leuten. Nicht von ungefähr sieht das Friedensabkommen zwischen der FARC-Guerilla und dem Staat Landreformen vor, die Entschädigung für Kleinbauern, Afrokolumbianer:innen und indigenen Gemeinden, die während des Bürgerkriegs vertrieben wurden – vom Staat genauso von der linken Guerilla.

Die Landreform laut Friedensabkommen ist ein schwieriges Unterfangen, befindet sich Kolumbien doch im Würgegriff des Großgrundbesitzes, paramilitärischer Milizen, von Militär, Polizei und der herrschenden Elite. Die Soli-Plattform nachrichtenpool lateinamerikarechnete nach, statistisch werden alle zwei bis drei Tage eine Aktivist:in getötet.

Auch der regionale indigene Rat CRIC beruft sich immer wieder auf das erwähnte Friedensabkommen zwischen Staat und FARC. Das Abkommen enthält kollektive Entschädigungen, Rückkehrprogramme für insgesamt acht Millionen Vertriebene, Landrückgabe und Landreformen. Es handelt sich um immerhin 10 Millionen Hektar Land. Der Staat und die Elite blockieren nicht nur erfolgreich die indigenen Gesetze, sondern auch jene für die afrokolumbianischen Gemeinden, die explizit kollektiven Landbesitz vorsehen. Die Elite hat sich hinter dem Status Quo verbarrikadiert und verteidigt diesen, auch mit Gewalt.

Indigene Menschenrechtsverteidiger:innen werden bedroht und ermordet, afrokolumbianische Aktivist:innen meist aus ihren Gemeinden vertrieben, berichtet der Nachrichtenpool Lateinamerika, der einen direkten Zusammenhang sieht zwischen Großgrundbesitz und der Verfolgung von Aktivist:innen. Im letzten Jahr wurden laut der unabhängigen Nichtregierungsorganisation Indepaz insgesamt 171 Aktivist:innen und Menschenrechtsverteidiger:innen ermordet, meist Ureinwohner, Afrokolumbianer,Vertreter:innen von Kleinbauernorganisationen, Gemeinden, Umweltschutz-Vereinen und von Gewerkschaften. Die Vermutung wird nicht falsch sein, die Auftraggeber werden wohl von den Herrschenden kommen, von der Politik, den Kartellen und Unternehmen.

Besonders in den Gebieten indigener Selbstverwaltung agieren seit Ausbruch der Pandemielinke und rechte Terrorgruppen, Human Rights Watch berichtete im Juli 2020, dass einige dieser Gruppen eigene Anti-Covid-Regeln erlassen haben, die gewaltsam durchgesetzt werden.

Für gewalttätige Konflikte sorgt auch der Anbau von Koka. Para-militärische Milizen und ehemalige linksradikale Milizen kämpfen um die Kontrolle des Koka-Anbaus. Laut dem Friedensabkommen sollte der Staat den Koka-Bauern Alternativen anbieten. Doch die gibt es nur vereinzelt. Die Regierung lässt die Pflanzungen mit Pestiziden besprühen, mit schwerwiegenden Folgen für die Land-Bevölkerung. Indigene Gemeinden im Cauca beispielsweise lehnen den Anbau von Koka ab, dafür wurde Liliana Peña Chocue, oberste Repräsentantin eines indigenen Selbstverwaltungsgebiets im Cauca, erschossen.

Auf landesweit organisierten Demonstrationen im Oktober 2020 forderte der regionale Indigenen-Rat CRIC direkte Gespräche mit Präsident Duque. Der CRIC drängt auf Sicherheit und auch auf garantierte Landrechte. Sicherheit deshalb, weil indigene Gemeinden ständigem staatlichen Terror ausgesetzt sind.

Die indigenen Basisbewegungen waren in den letzten Jahren trotz aller Widrigkeiten erfolgreich. So anerkennt ein erkämpftes Gesetz von 2014 indigene Land-Rechte,  ein Dekret aus dem gleichen Jahr den Schutz für indigene Territorien.

Der CRIC wirft dem rechtskonservativen Präsident Duque vor, kein Interesse an indigenen Belangen zu haben. Seit Amtsantritt des kolumbianischen Trumps verschärften sich die Konflikte zwischen dem Staat, seiner Elite und den indigenen Gemeinden. Seit einem halben Jahrhundert kämpft der CRIC um Anerkennung und Teilhabe der indigenen Bevölkerungen. Der Duque-Staat reagierte darauf mit einer maßlosen Respekt- und Schamlosigkeit, kommentierte amerika21

Der Regionale Indigene Rat des Cauca (CRIC) entstand 1971 in der Gemeinde Toribio im Norden des Cauca. Sieben resguardos (gesetzlich anerkannter indigener kollektiver Landbesitz) und cabildos (Selbstverwaltungsgremien indigener Gemeinden) vereinigten sich mit dem Ziel, auf ihren Territorien Sicherheit und Frieden zu gewährleisten. Der CRIC besteht inzwischen aus mehr als 80 Resquardos der Nasa-Paez, Guambiano-Yanaconas, Coconucos, Espiraras-Siapiraras, Totoroes, Inganos und Guanacpos.

Der CRIC beschränkt seine politischen Aktivitäten nicht nur auf die Cauca-Region, sondern ist mit seinen Protestaktionen landesweit aktiv. Gemeinsam mit kleinbäuerlichen und anderen sozialen Bewegungen wehrt sich der CRIC gegen den Duque-Kolonialismus.

In Chile tritt am 11. März der neue Präsident Boric sein Amt an, ihm zur Seite steht eine breite Mitte-Links-Koalition. Boric unterstützt den Verfassungskonvent, der eine neue Verfassung ausarbeitet, für ein pluri-nationales Chile, in dem auch die Nachfahren der Ureinwohner ihren – auch autonomen – Platz erhalten sollen. Auf eine solche Wende hoffen auch die kleinbäuerlichen, afrokolumbianischen und indigenen Gemeinden in Kolumbien, wenn am 13. März das Parlament gewählt wird.

Gegen den Block der herrschenden Eliten treten der „progessive historische Pakt“ (Pacto Histórico) und das Zentrum der Hoffnung (Pacto Histórico) gegenüber. Nach den Parlamentswahlen folgen am 29. Mai die Präsidentschaftswahlen. Für den „Pacto“ wird wahrscheinlich Gustavo Petro antreten. Er führt seit Monaten in Umfragen vor allen anderen Kandidaten.

 

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