Genozid? Tribunal berät in London über Verbrechen an Uiguren

(c) Uyghur Tribunal

Von Jan Diedrichsen

Im Juni 2020 fragte Dolkun Isa, Präsident des Uigurischen Weltkongresses, Sir Geoffrey Nice an, ob er ein unabhängiges Tribunal einrichten und dessen Vorsitz übernehmen wolle. Das Tribunal hat zur Aufgabe, die andauernden Gräueltaten und einen möglichen Völkermord an den uigurischen, kasachischen und kirgisischen Minderheiten in Ostturkestan (Xinjiang) zu untersuchen.

Das Tribunal wurde am 3. September 2020 mit Unterstützung einer Nichtregierungsorganisation, der Coalition for Genocide Response, eingesetzt.

In der zweiten Anhörungsrunde vom 10. bis 13. September 2021 berichteten neun Zeugen und 28 Sachverständige über ihre Erfahrungen und Forschungsergebnisse im Zusammenhang mit der Unterdrückung der Uiguren.

Den Vorsitz führt Sir Geoffrey Nice, der Hauptankläger im Prozess gegen Slobodan Milošević. Laut Nice (hier ein BBC-Interview mit dem Ankläger) wurde das Tribunal einberufen, als es „keine andere Möglichkeit mehr gab, die Führung der (chinesischen) Kommunistischen Partei kollektiv oder individuell vor Gericht zu stellen.“ Chinas Regierung hat das Tribunal als „Blasphemie gegen das Gesetz“ bezeichnet, Sanktionen gegen seine Organisatoren verhängt und es als „reine Fiktion“ abgetan.

China hält seit 2017 bis zu 1,8 Millionen Uiguren und andere Minderheiten in einem Netzwerk von Internierungslagern fest. Peking hat erklärt, dass es sich bei den Lagern um Berufsausbildungszentren handelt und hat weit verbreitete und dokumentierte Vorwürfe zurückgewiesen, dass es in Xinjiang lebende Muslime misshandelt.

Die USA und die Gesetzgeber in mehreren europäischen Ländern haben die Behandlung von Uiguren und anderen Menschen als Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft.

Der Internationale Strafgerichtshof wurde mehrfach von verschiedenen Seiten aufgefordert, eine umfassende Untersuchung der Verbrechen einzuleiten. Der Strafgerichtshof kann Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord untersuchen und strafrechtlich verfolgen.
Doch der Strafgerichtshof macht keine Anstalten aktiv zu werden. Auch ein Grund für die Etablierung des Tribunals, das vergangene Woche unter anderem die Aussage der Kasachin Gulzire Alwuqanqizi hörte, die im Juli 2017 verhaftet wurde. Gulzire wurde mehr als 14 Monate lang in vier verschiedenen Einrichtungen in Xinjiang interniert.  Gulzire berichtet, dass sie in einem Lager sechs Monate lang in Ketten gehalten wurde und als Reinigungskraft arbeiten musste, um weibliche Häftlinge zu baden, die an ein Bett gefesselt und von Han-Chinesen vergewaltigt worden waren. Anschließend musste sie den Boden nach den sexuellen Übergriffen wischen.

Insgesamt hat das Tribunal mehr als 70 Zeugen angehört, und mehr als 30 Wissenschaftler haben insgesamt 10.000 Stunden damit verbracht, eine unüberschaubare Menge an Beweisen zu sichten, darunter 500 Zeugenaussagen.

Die endgültige Entscheidung des Tribunals wird natürlich keine Regierung rechtlich verpflichten können, aber die Organisatoren hoffen, dass die Anhörungen und Berichte dazu beitragen werden, China für seinen Verbrechena zur Rechenschaft zu ziehen.

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