07-11-2024
Die Pharisäer des Humboldt-Forums
Die Hüter der kolonialistischen Raubkunst und ihr Veto gegen den „Ober-Indianer“ von Udo Lindenberg
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Von Wolfgang Mayr
Beim Chorfestival im Humboldt-Forum in Berlin Mitte November steht auch der „Sonderzug nach Pankow“ von Udo Lindenberg auf dem Programm. Aber nur, wenn die Sänger:innen darauf verzichten, den SED-Vorsitzenden Erich Honecker als „Oberindianer“ zu betiteln. Weil der Begriff Indianer kolonialistisch und rassistisch ist. Auf alle Fälle diskriminierend.
Manche sehen das anders, beispielsweise die Ojibwe-Autoren Anton Treuer und David Treuer, Thomas King (Tsalagi), der Lakota Milo Yellowhair. Claus Biegert, Beiratsmitglied der GfbV, plädiert dafür, es den „Betroffenen“ zu überlassen, sich zu definieren. „Darf man noch Indianer sagen?“, ja, meint der Arbeitskreis nordamerikanische Indianer, nicht von ungefähr gab es das American Indian Movement, heißt die US-Indianerbehörde Bureau of Indian Affairs (geleitet von Bryan Mercier von den Confederated Tribes), die online-Zeitung “Indian Country Today”.
Die vom Forum gewünschte Canceln des “Oberindianers” ist ein billiges Ablenkungsmanöver, von der eigenen nicht aufgearbeiteten kolonialistischen Vergangenheit. Dass sich ausgerechnet die Stiftung Humboldt-Forum antikolonialistisch gebärdet, ist mehr als verwunderlich. Reine Symbolpolitik. Nicht von ungefähr gibt es die harte Kritik, dass das Forum bei den Themen Kolonialismus, Raubkunst und Restitution dem Stand der öffentlichen Debatte nicht gerecht wird.
Im protzigen Berliner Schloss, sündteuer umgebaut und saniert, stapelt das Forum seine Raubkunst. Die Vorwürfe wiegen schwer. Besonders die ethnologischen Sammlungen, die von der kolonialen Raubkunst profitieren. Auf einer Veranstaltung des Forums erinnerte die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie daran, dass viele Länder Afrikas im Verlauf und als Folge kolonialer Eroberungen der Europäer einen immensen Teil ihrer Kunst, ihres historischen Erbes verloren haben.
Im Gespräch mit Forums-Kritiker Götz Aly über das Buch “Das Prachtboot” sagte Moderator Stephan Karkowsky, “rauben, plündern, schänden und morden, das waren die Methoden in Kolonialzeiten fremde Kulturgüter zusammenzuraffen, um damit die Völkerkundemuseen zu füllen, wie sie damals noch hießen”.
Warum verabschiedet sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz nicht von ihrem Raubkunst-Kolonialismus? Warum wendet sich die Stiftung nicht preußischem Kulturerbe zu, beispielsweise in der polnischen Woiwodschaft Masuren, in Gdansk, im ehemaligen Danzig, in der Woiwodschaft Pommern und seiner westslawisch sprechenden kaschubischen Bevölkerung.
Engagierte Polen und Deutsche, einheimische Masuren, bemühen sich seit Jahren, Schloss Steinort wieder aufzubauen. Steinort war einst Stammsitz der Lehndorffs, dort trafen sich 1944 die antinazistischen Widerständler, ist heute Heimat für die wenigen Deutschstämmigen und für die aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten Hingezogenen. Eine europäische Migrationsgeschichte, formuliert es Copernico vom Herder-Institut.
Voices berichtete bereits über die dürftige finanzielle Ausstattung, Steinort zu einem europäischen Erinnerungsort auszubauen. Steinort strotzt vor Preußentum und auch in übrigen Woiwodschaft Ermland-Masuren sind die preußischen Spuren nicht zu übersehen. Interessierte Einheimische forschen hinterher, kämpfen für den Erhalt ihres Landes.
Mit viel Engagement und mit wenig Geld bemühen sich die Freunde von Steinort/Sztynort, das Schloss vor dem Verfall zu retten. Deutschland zeigte sich bisher knausrig, dieses Erbe zu erhalten. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz soll sich endlich von der blutigen Raubkunst trennen, Erich Honecker den Ober-Indianer sein lassen und sich um die preußische Vergangenheit kümmern. Im Sinne der Völkerverständigung, so wie es das Forum für Europäischen Dialog versteht, für den Erhalt preußischer Kultur, das Anliegen der Deutsch-Polnischen Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz .
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