Bosnien-Ukraine: Droht den Ukrainer:innen das bosnische Schicksal?

Der “Friedensvertrag” von Dayton 1995 belohnte die serbischen Aggressoren

Melina Borcak

Melina Borcak

Von Wolfgang Mayr

 

Wer will nicht, dass der russische Krieg in der Ukraine endet? Die Ukrainer:innen zu allererst. Sie wollen aber ihr Land zurück, die russisch besetzte Krym und die Ost-Ukraine, außerdem wollen sie souverän sein.

Der russische Kriegspräsident Putin will das nicht. Dort wo russische Soldaten stehen, ist Russland, ließ Putin die Welt wissen. Ähnlich sehen es auch rechte und linke Europäer, die der Ukraine empfehlen, zu kapitulieren. Im Sinne russischer Sicherheitsinteressen. Seltsame rechte, linke und pazifistische Solidarität für den russischen Aggressor.

Diese schräge Allianz verweigerte ihre Solidarität in den 1990er Jahren Bosnien, Opfer kroatischer und besonders serbischer Nationalisten. Nach unzähligen Massakern, geplanten Massen-Vergewaltigungen und “ethnischen Säuberungen” beendeten die USA mit dem Vertrag von Dayton den serbischen Eroberungskrieg in Bosnien.

Der Vertrag, davor warnten damals schon viele kritische Stimmen, sanktionierte die serbische Macht in Bosnien und belohnte letztendlich die serbische Aggression. Bosnien befindet sich in serbischer Geiselhaft. Ein großer Teil des Landes ist unter serbischer Kontrolle. Dort, wo Serben leben, ist Serbien, zitierten die Kriegsherren in Belgrad und Banja Luka aus dem berüchtigten Memorandum der “Serbischen Akademie der Wissenschaften”.

Putin schrieb sein eigenes Memorandum, ganz großrussischer Nationalist befindet er, dass es keine ukrainische Nation gibt. Wenn überhaupt, dann nur als Vorhof für sein Imperium. Putin kopiert seine “serbischen Brüder”. Bosnien, die Blaupause für die Ukraine?

 

Višegrad, Sarajevo, …

Ein Blick zurück. Die Gesellschaft für bedrohte Völker erinnert an den 33. “Jahrestag” der Massaker in der ostbosnischen Stadt Višegrad am 27. Juni 1992: „Višegrad steht sinnbildlich für die systematische Entmenschlichung und Vernichtung bosniakischen Lebens durch bosnisch-serbische Einheiten. Diese Gräueltaten sind nicht nur Teil der Vergangenheit – sie werden bis heute geleugnet, verharmlost und unzureichend geahndet.”

Vergessen und verdrängt aus dem europäischen Gedächtnis die 29 Jahren aufgehobene Belagerung Sarajevos durch serbische Truppen mit 11.541 Todesopfern. Warum wird dieses Verbrechen bis heute kaum beachtet, fragt die Journalistin Melina Borcack. Diese Vergangenheit ist nie vergangen, ist Borcack überzeugt.

Und trotzdem, die Belagerung Sarajevos und die Genozide an Bosniaken fehlen in deutschen Geschichtsbüchern, Medien und Gesprächen, klagt Borcack in der TAZ an. “Nur wenige Autostunden von Süddeutschland entfernt fand von 1992 bis 1995 der letzte Genozid gegen Bosniaken, also bosnische Muslime statt,” erinnerte Borcak in ihrem TAZ-Artikel an diesen europäischen Krieg. Auch damals schon ließ “Europa” die bosnischen Opfer der serbischen Aggression im Stich.

Der Genozid in Bosnien war und ist kein Thema, wirft Borcack der deutschen und europäischen Öffentlichkeit kaltschnäuziges Desinteresse vor: “Doch obwohl so oft über Muslime geredet wird, wird der Genozid fast nie mit erwähnt. Auch nicht, dass die größten Terroristen Europas keine muslimischen Flüchtlinge, sondern die europäischen Christen Radovan Karadžić und Ratko Mladić sind, verurteilt unter Anderem wegen Terror gegen die Bürger Sarajevos.”

 

Wir sind nicht Europäer:innen

In einem Interview mit dem “Portal für Journalismus und Nachhaltigkeit” sagte Borcack 2022, “wir sind nicht Europäer:innen”: “Es muss erkannt werden, dass der fast vergessene Genozid an Bosniak:innen ein Teil von anti-muslimischem Rassismus ist. Das gilt auch für die Verbrechen an Albaner:innen, Pomak:innen und auch an Rohingya und Uigur:innen. Selbst wenn der Genozid nicht vergessen ist, werden die Geschehnisse auf Srebrenica reduziert. Als ob das nur 8000 Tote in fünf Juli-Tagen in einer Kleinstadt waren. Und nicht mehr als 100.000 Tote über vier Jahren in einem ganzen Land.”

Nicht nur die “serbische Politik” leugnet den Genozid an den Bosniaken. Zur Phalanx der Leugner zählen der Ungar Viktor Orban, der Slowake Robert Fico, radikale Linke und radikale Rechte in Österreich und in Deutschland, dazu zählen auch die Paten der Serbien, Putin-Russland und die Volksrepublik China.

“Ich würde Leugnung von allen Genoziden weltweit strafbar machen, denn er ist ein Bestandteil von Genozid. Solche Sachen werden nicht erzählt, weil jemand eine andere Meinung hat. Das sind Menschen mit harten Ideologien, die am liebsten einen neuen Genozid verüben möchten,” warnte Borcack vor den Genozid-Leugnern. Diese stehen heute vereint um den russischen Kriegspräsidenten Putin herum.

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