Die Linke färbt sich trikolor ein

Der Partito Democratico passt sich den Fratelli an

Von Wolfgang Mayr

Nicht nur die Volksparteien schielen nach rechts. Auch die politischen Erben des italienischen Antifaschismus rücken dorthin, hin zu den Nachfahren des italienischen Faschismus. Der Partito Democratico nähert sich den Fratelli d´ Italia von Regierungschefin Giorgia Meloni an.

Der PD versammelte sich Mitte Juli in Neapel zum Thema Einheit und Unteilbarkeit. Die Demokraten bekannten sich ausdrücklich zum Verfassungsartikel 5, laut dem die italienische Republik unteilbar ist. Anlass für dieses zentralstaatliche Bekenntnis sind die Pläne der Regierungspartei Lega, Italien zu regionalisieren, die Regionen mit autonomen Befugnissen auszustatten.

Der PD lehnt, wie Teile der rechtsrechten Regierung auch, eine Föderalisierung Italiens ab. Die Demokraten werfen Meloni vor, sich von der Lega erpressen zu lassen. Ein Tauschgeschäft, die nationalliberale Forza Italia und die neofaschistischen Fratelli d´ Italia wollen die parlamentarische Republik in eine Präsidialdemokratie umwandeln. Im Gegenzug gibt es die Autonomie, um die Einheit der Nation bewahren zu können. Ein abenteuerliches Konzept.

Undemokratische Verfassung?

Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher kritisierte vor einigen Jahren an der Universität in Innsbruck die Unteilbarkeit eines Staates als nicht demokratisch. Auf alle Fälle als nicht unproblematisch.

Dieser Schwenk des PD unter ihrer Vorsitzenden Elly Schlein verwundert. Sie wuchs in der föderalistischen Schweiz auf, kennt die Vorzüge eines föderalen Staatsaufbaus, weiß auch, dass die Schweiz mit ihren traditionellen vier Sprachgemeinschaften ganz und gar nicht auseinanderfällt.

Genau das war aber ihr Thema auf dieser doch recht nationalistischen PD-Tagung in Neapel. Sie warnte in ihrer Rede vor der Autonomie, die das Ende Italiens bedeutet. Autonome Regionen führen zu einem Zerfall der zentralstaatlichen Republik, kleine Vaterländer entstünden. Schlein würdigte den Nationalstaat, wie es kürzlich die rechtsradikale AfD auf ihrem „Europakongress“ in Magdeburg hielt. Schlein, ihr PD, die rechtsrechte italienische Regierung und deren Verbündeten in Deutschland, die AfD, huldigen den banalen Nationalismus.

Der Partito Democratico, Enkel der einst mächtigen Kommunistischen Partei Italiens PCI, verankert sich zusehends rechts. In Südtirol kritisierten Vertreter des PD wesentliche Maßnahmen des Minderheitenschutzes, wie den Proporz (Verteilung öffentlicher Jobs gemäß Stärke der Sprachgruppen) und die Zweisprachigkeitspflicht. Sie verhinderten, der Einwurf des PD, dass in der öffentlichen Verwaltung die Besten zum Zuge kommen. Die Besten wären italienische Kandidatinnen und Kandidaten. Die deutschsprachigen Mitbewerbenden hätten nur die Zugehörigkeit zur „richtigen“ Sprachgruppen vorzuweisen und den Zweisprachigkeitsnachweis, nicht aber die fachliche Kompetenz.  Nationalistische Arroganz.

Der Nationalismus verbindet links und rechts

„Wenn es um Nationalismus geht, kann man in Italien im Grunde nur zwischen einer rechten und einer weniger rechten Rechten wählen, deren Grenzen verschwimmen,“ kommentierte Simon Constantini den Rechtsruck im PD. Eine der Folgen der nach rechts verschobenen Politlandschaft. Der Partito Democratico scheut sich deshalb gar nicht, rechte Forderungen zu übernehmen und in Südtirol auf das koloniale, faschistische Erbe zu pochen, wie den restlosen Erhalt der erfundenen italienischen Ortsnamen.

Die Ursprünge waren andere. Vertreter der Christdemokraten und der KPI schrieben 1948 eine Verfassung, die zu den fortschrittlichsten zählte. Sieht sie doch den Minderheitschutz und die Regionalisierung vor. Diese erfolgte erst 1970, halbherzig und schmalspurig. Der laut Artikel 6 vorgesehene Schutz der Minderheiten wurde gar erst 1999 gesetzlich. Spät, spärlich und ineffektiv.

Rühmliche Ausnahme: Die KPI und der linke Flügel der langzeitregierenden Christdemokraten unterstützten in den späten 1960er Jahren die Südtiroler Forderungen nach Autonomie.  

Es war das Zusammenspiel der unterschiedlichen linke Kräfte, das Italien rechtsstaatlich ausgestaltete, zugunsten der Minderheiten und regionalisierte. Mit der Verfassungsreform von 2001 sollte die Regionalisierung noch stärker vorangetrieben werden. Die Reform verfing sich im Paragraphengestrüpp und wurde von den Verfassungsrichtern meist restriktiv ausgelegt, gegen die Regionalisierung.

Wo bleibt die linke Regionalisierung?

In der seit Herbst 2022 regierenden rechten Regierungskoalition drängt die Lega auf eine Autonomie-Reform. „Autonomia differenziata“ nennt sich das Lega-Konzept, das kaum weiterkommt. Fratelli d´ Italia und Forza Italia blocken, jetzt im Verbund mit dem Partito Democratico. Der Lega-Präsident der Region Veneto, Luca Zaia, warnte. Sollte die Autonomiereform verhindert werden, wird die Meloni-Regierung fallen.

Statt mit einem bundesstaatlichen Projekt aufzuwarten, verschanzt sich die PD hinter nationalistischer Symbolik und Rhetorik, schreibt Simon Constantini den PD und ihre Vorsitzende Elly Schlein nieder. Aufgrund ihrer Biografie, ein Großvater war antifaschistischer Widerstandskämpfer, der andere jüdischer Abstammung, hofften viele im PD auf mehr Differenzierung in der Politik.

Offensichtlich geht die nationale Einheit vor der Differenzierung. Die Re-Nationalisierung vergiftet seit Jahren schon die italienische Politik. Nicht von ungefähr gewann deshalb die rechtsrechte Allianz im letzten Herbst die Parlamentswahlen. Giorgia Meloni von den Fratelli kommt nicht aus dem Nichts, heißt es auf dem Blog Brennerbasisdemokratie. Sie wurde verharmlost, als rechtspopulistisch, als rechte Mitte. Die orientierungslose Linke ebnete mit ihrer abgehobenen Politik Meloni den Weg zur Macht

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