Die gekaperte FUEN

In der Dachorganisation der europäischen Minderheiten dominieren Orban nahe ungarische Organisationen.

Von Wolfgang Mayr

Die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) hat auf ihrem Kongress in Berlin den bisherigen Präsidenten wiedergewählt. Loránt Vincze, Angehöriger der ungarischen Volksgruppe in Rumänien und EU-Parlamentarier des Ungarnverbandes in Rumänien, Romániai Magyar Demokrata Szövetség (RMDSz).

Vincze kann für sich verbuchen, dass er den altehrwürdigen Dachverband der europäischen Minderheiten modernisierte, aus der politischen Schmollecke der Minderheiten herausholte und den ehemaligen Altherrenclub ethnischer Nostalgiker umbaute und aufrüstete.

Unter seiner Präsidentschaft zog die Fuen erfolgreich ihre Bürgerinitiative MSPI durch. Ein Minderheitenpaket, das in Südtirol angestoßen, von der Fuen ausgearbeitet, später von der Europäischen Akademie in Bozen wissenschaftlich begleitet und von mehr als einer Million EU-BürgerInnen unterzeichnet wurde. Der Werdegang ist bekannt, die EU-Kommission versenkte kurzerhand die Initiative.

Schon frühzeitig – während der Minority-Safepack-Kampagne – rümpfte der SVP-Europaparlamentarier Herbert Dorfmann seine Nase, weil der illiberale ungarische Orban-Staat die MSPI missbrauche. Als ein Instrument gegen die anti-ungarische rumänische Regierung, aber auch gegen die EU.

Sein Unbehagen damals war nicht unbegründet. Für den abgelaufenen Kongress lag der Fuen der Entwurf einer Hauptresolution vor. Die hatte es in sich. In dem Text erinnert die FUEN zwar an die russische Invasion in der Ukraine, es waren aber nur einige wenige dürre Zeilen über einen Eroberungs-Krieg. Eine Ungeheuerlichkeit, die FUEN drückt sich um eine klare Aussage herum.

Stattdessen rechneten die Autoren des Resolutionsentwurfs mit der verkorksten Minderheitenpolitik in der Ukraine ab. Die Ukraine ist zweifellos kein Musterbeispiel gelungener Minderheitenpolitik. Dies gilt aber genauso für Ungarn, für den rumänischen Nachbarstaat, für Polen, für Tschechien, für die Slowakei, für Deutschland und Österreich, für Frankreich, für Italien, für Griechenland, nicht zu reden vom EU-Anwärter Serbien.

Textpassagenlang rechnet die Fuen mit der Ukraine ab, der russische Krieg jedoch ist im Entwurf nicht mehr als eine Fußnote. Damit relativiert die Fuen ihre eh schon dürftige Kritik und verharmlost den Eroberungskrieg. Der Entwurf ist russlandlastig, russlandfreundlich, ukrainefeindlich, die Reaktion einer engagierten Minderheitenpolitikerin.  Der Resolutionsentwurf ziele auf eine Verurteilung der Ukraine ab, habe eine klare Schlagseite: geschickt verpackt und trotzdem eindeutig. Die Fuen müsse aufpassen, so die Warnung, in welche Hände sie sich begibt.

Welche Hände wird sie wohl gemeint haben? Wahrscheinlich dachte sie an den selbsternannten Schutzpatron der ungarischen Minderheiten, den ungarischen Ministerpräsidenten Orban, Freund und EU-Statthalter des russischen Kriegspräsidenten Putin, Freund auch des serbischen Nationalisten Dodik in Bosnien, geistiger Bruder von Giorgia Meloni, möglicherweise auch des türkischen Islamisten Erdogan und des brasilianischen Rechtsradikalen Bolsonaro.

Dieser Entwurf wurde von den Delegierten grundlegend abgeändert, auch weil es Interventionen gab. Ein dramatischer Eklat konnte somit verhindert werden. Mit diesem Entwurf hätte sich die Fuen zu einer Vorfeldorganisation des ungarischen Außenministeriums degradiert. Doch weit davon ist sie trotzdem nicht mehr entfernt.

Nach seiner Wiederwahl bedankte sich Loránt Vincze engagiert bei Ungarn, für die politische und finanzielle Unterstützung, eine peinliche Lobhudelei auf Viktor Orban, wie aus einem Mitschnitt hervorgeht. Der Fuen-Präsident schlug sich in seiner Rede auf die Seite von Orban-Ungarn. Für Vincze ist Ungarn ein Minderheitenparadies, ein zuverlässiger Partner der Minderheiten und besonders der Fuen. Fakt ist, dass die sprachlichen und nationalen Minderheiten in Ungarn assimiliert sind. Die Reste dürfen folklorisieren.

Ohne die Fördermittel der ungarischen Regierung – 500.000 Euro – wäre die Fuen Bankrott gegangen, erinnerte Vincze an die ungarische Unterstützung. Außerdem habe die politische Lage in Ungarn nichts mit dem Minderheitenthema zu tun, kanzelte Vincze die Ungarn-Kritiker ab. Als völlig „undankbar“ und „unangemessen“ wäre es, warnte Vincze, wenn die Fuen Ungarn kritisieren würde. Ähnliches wiederholte der Fuen-Präsident in einem Interview mit dem Mitteldeutschen Rundfunk MDR.

Über den von den Vertretern der Minderheiten in Deutschland vorgelegten Beschlussantrag zur Situation in Ungarn und über die Auswirkungen auf die Minderheiten – die Diskussion darüber war engagiert – wurde nicht abgestimmt. Die Abstimmung samt entsprechender Resolution verhinderten die gut organisierten ungarischen Fuen-Mitglieder. Vincze, der Statthalter von Orban an der Spitze der Fuen. Eigentlich nicht überraschend, wohl die wenigsten Fuev-Delegierten werden wissen, wie Vincze im Europaparlament agiert.

Er lehnte mit weiteren 123 Abgeordneten aus den beiden rechten Fraktionen die Schlussfolgerung des Europaparlaments ab, wonach Ungarn keine vollwertige Demokratie mehr sei, sondern vielmehr eine „Wahl-Autokratie“. Auch die Europäische Kommission, der Europäische Rat und der Europarat befürchten das Abdriften Ungarns in die Autokratie. Zur Freude Putins.

Auch im Europaparlament verteidigte Vincze die Minderheiten-Politik Ungarns. Die Vorwürfe seien konstruiert, seien keineswegs nachprüfbare Fakten, sondern stammen aus einem „großen linken ideologischen Haufen“, polemisierte der Parlamentarier. Laut Transtelex wies Loránt Vincze die Kritik des Europäischen Parlaments zurück, wonach die Orbán-Regierung die Rechte nationaler Minderheiten, einschließlich Roma und Juden, nicht garantiere und sie nicht vor Hassreden schütze. Für Vincze haltlose Aussagen.

Ihm zufolge findet eine „Hexenjagd“ gegen Ungarn statt, gegen die Fidesz-Regierung.  Vincze sieht die Fraktion der Europäischen Volkspartei EVP im Verhältnis zu Ungarn zu einer ideologischen Konformität gezwungen, die der Linken, Liberalen, Grünen oder sogar Kommunisten entspricht.

Orban pur. Ähnlich tönen die Fraktionen Identität und Demokratie und Europäischer Konservative und Reformer, Sammelbecken der verschiedenen rechten Parteien. Wussten die Fuev-Delegierten nicht, wen sie abermals zum Präsidenten wählten? Vincze outete sich deutlich im Europaparlament und auf dem Kongress der Fuen. Wie werden die anderen Fuen-Unterstützer reagieren, deren Zuwendungen Vincze im Vergleich zum ungarischen Beitrag als nicht sonderlich relevant abtat. Zum Beispiel das Land Südtirol, die autonome Provinz Bozen in Italien? Warum protestierte Fuen-Präsidiumsmitglied Daniel Alfreider, Landesrat und SVP-Vize, nicht gegen die Vincze-Aussagen?

Schon einmal versuchten Rechte die Fuen zu kapern. In ihrer Frühphase, die Fuen hieß noch Fuev, versuchten Alt-Nazis die Organisation für ihre Zwecke zu missbrauchen. Dagegen stemmten sich viele, wie der spätere langjährige Präsident Hans Heinrich Hansen, Angehöriger der deutschen Minderheit in Dänemark oder Friedl Volgger, Anti-Nazi und Mitbegründer der Südtiroler Volkspartei, eine ganze Reihe von Kärntner Slowenen. Zu nennen sind auch noch weitere Südtiroler wie Christoph Pan oder Martha Stocker. Sie sorgten dafür, dass die Fuev nicht in fremde Hände kam, sondern in die Mitte der europäischen Gesellschaft. Immerhin ist die Fuen in verschiedenen europäischen Gremien und Institutionen aktiv.

Was wird aus der Fuen, wenn ein Orban treuer Vorsitzender die Organisation auf Linie bringt, die Minderheiten „nützliche Idioten“ des illiberalen ungarischen Staates werden?

Vincze kann für sich verbuchen, dass er den altehrwürdigen Dachverband der europäischen Minderheiten modernisierte, aus der politischen Schmollecke der Minderheiten ausbrach und den ehemaligen Altherrenclub ethnischer Nostalgiker umbaute und aufrüstete.

Unter seiner Präsidentschaft zog die FUEN erfolgreich ihre Bürgerinitiative MSPI durch. Ein Minderheitenpaket, das in Südtirol angestoßen, an der Europäischen Akademie in Bozen großteils ausgearbeitet und von mehr als einer Millionen EU-BürgerInnen unterzeichnet wurde. Der Werdegang ist bekannt, die EU-Kommission versenkte kurzerhand die Initiative.

Schon frühzeitig – während der Minority-Safepack-Kampagne – rümpfte der SVP-Europaparlamentarier Herbert Dorfmann seine Nase, weil der illiberale ungarische Orban-Staat die MSPI gekapert habe. Als ein Instrument der gegen die anti-ungarische rumänische Regierung und die EU gerichteten Außenpolitik.

Sein Unbehagen damals war nicht unbegründet. Für den abgelaufenen Kongress lag der FUEN der Entwurf einer Hauptresolution vor. Die hatte es in sich. In dem Text erinnert die FUEN zwar an die russische Invasion in der Ukraine, aber nur einige wenige dürre Zeilen über einen Eroberungs-Krieg. Eine Ungeheuerlichkeit, doch die vom Präsidium der FUEN eingereichte Resolution drückt sich um eine klare Aussage.

Stattdessen rechnen die Autoren des Resolutionsentwurfs mit der verkorksten Minderheitenpolitik in der Ukraine ab. Die Ukraine ist zweifellos kein Musterbeispiel gelungener Minderheitenpolitik. Dies gilt aber genauso für Ungarn, für den rumänischen Nachbarstaat, für Polen, für Tschechien, für die Slowakei, für Deutschland und Österreich, für Frankreich, für Italien, für Griechenland, um nicht vom EU-Anwärter Serbien zu reden.

Textpassagenlang rechnet die FUEN mit der Ukraine ab, der russische Krieg jedoch ist im Entwurf nicht mehr als eine Fußnote. Damit relativiert die FUEN ihre Kritik und verharmlost den Eroberungskrieg. Der Entwurf ist russlandlastig, russlandfreundlich, ukrainefeindlich.

Dieser Entwurf wurde von den Delegierten grundlegend abgeändert, auch weil es Interventionen gab. Ein dramatischer Eklat konnte somit verhindert werden. Mit diesem Entwurf hätte sich die FUEN zu einer Vorfeldorganisation des ungarischen Außenministeriums degradiert. Doch weit davon ist sie trotzdem nicht mehr entfernt.

Nach seiner Bestätigung bedankte sich Loránt Vincze bei Ungarn, für die Unterstützung, eine peinliche Lobhudelei auf Viktor Orban, wie mehrere Medien übereinstimmend berichten. Der FUEN-Präsident schlug sich in seiner Rede auf die Seite von Orban-Ungarn. Für Vincze ist Ungarn ein Minderheitenparadies, ein zuverlässiger Partner der Minderheiten und besonders der FUEN. Ohne die Fördermittel der ungarischen Regierung – 500.000 Euro – wäre die Organisation Bankrott gegangen. Außerdem habe die politische Lage in Ungarn nichts mit dem Minderheitenthema zu tun, kanzelte Vincze die Ungarn-Kritiker ab. Als völlig „undankbar“ und „unangemessen“ wäre es, warnte Vincze, wenn man Ungarn kritisieren würde.

Über den von den Vertretern der deutschen Minderheiten vorgelegten Beschlussantrag zur Situation in Ungarn und über die Auswirkungen auf die Minderheiten – die Diskussion darüber war engagiert – wurde nicht abgestimmt. Die Abstimmung verhinderten die gut organisierten ungarischen-Mitglieder.

Vincze, der Statthalter von Orban an der Spitze der Fuen.

Der neu gewählt FUEN-Präsident lehnte bereits im Vorfeld zum Kongress gemeinsam mit weiteren 123 Abgeordneten aus den beiden rechten Fraktionen die Schlussfolgerung des Europaparlaments ab, wonach Ungarn eine vollwertige Demokratie mehr sein, sondern vielmehr eine „Wahl-Autokratie“. Auch die Europäische Kommission, der Europäische Rat und der Europarat befürchten das Abdriften Ungarns in die Autokratie.

Laut Vincze stehen die Minderheiten in Ungarn gut da. Die Vorwürfe seien konstruiert, seien keineswegs nachprüfbare Fakten, sondern stammen aus einem „großen linken ideologischen Haufen“, polemisierte der Parlamentarier. Laut Transtelex wies Loránt Vincze die Kritik des Europäischen Parlaments zurück, wonach die Orbán-Regierung die Rechte nationaler Minderheiten, einschließlich Roma und Juden, nicht garantiere und sie nicht vor Hassreden schütze. Für Vincze haltlose Aussagen.

Ihm zufolge wird findet eine „Hexenjagd“ gegen Ungarn statt, gegen die Fidesz-Regierung.  Vincze sieht die Fraktion der Europäischen Volkspartei EVP im Verhältnis zu Ungarn zu einer ideologischen Konformität gezwungen, die der Linken, Liberalen, Grünen oder sogar Kommunisten entspricht.

Orban pur. Ähnlich tönen die Fraktionen Identität und Demokratie und Europäischer Konservative und Reformer, Sammelbecken der verschiedenen rechten Parteien. Wussten die Fuev-Delegierten nicht, wenn sie abermals zum Präsidenten wählten? Vincze outete sich deutlich im Europaparlament und auf dem Kongress der Fuen. Wie werden die anderen Fuen-Unterstützer reagieren, deren Zuwendungen Vincze im Vergleich zum ungarischen Beitrag als nicht sonderlich relevant abtat. Zum Beispiel das Land Südtirol, die autonome Provinz Bozen in Italien? Warum protestierte Fuen-Präsidiumsmitglied Daniel Alfreider, Landesrat und SVP-Vize, nicht gegen die Vincze-Aussagen?

Schon einmal versuchten Rechte die Fuen zu kapern. In ihrer Frühphase, die Fuen hieß noch Fuev, versuchten Alt-Nazis die Organisation für ihre Zwecke zu missbrauchen. Dagegen stemmten sich viele, wie der spätere langjährige Präsident Hans Heinrich Hansen, Angehöriger der deutschen Minderheit in Dänemark oder Friedl Volgger, Anti-Nazi und Mitbegründer der Südtiroler Volkspartei, eine ganze Reihe von Kärntner Slowenen. Zu nennen sind auch noch weitere Südtiroler wie Christoph Pan oder Martha Stocker. Sie sorgten dafür, dass die Fuev nicht in fremde Hände kam, sondern in die Mitte der europäischen Gesellschaft. Immerhin ist die Fuen ist den verschiedenen europäischen Gremien und Institutionen aktiv.

Was wird aus der FUEN, wenn ein Orban treuer Vorsitzender die Organisation auf Linie bringt? Dann werden sich wohl Minderheitenfreunde von der Fuen abwenden.

Die FUEN


Die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten ist die Dachorganisationen der
autochthonen, nationalen Minderheiten und Nationalitäten Europas mit über 100 Mitgliedsorganisationen.
 
In den 45 zu Europa gehörenden Staaten existieren über 300 Minderheiten mit rund 100 Millionen Angehörigen, dies bedeutet, dass sich ca. jeder 7. Europäer zu einer autochthonen, nationalen Minderheit bekennt. Rund 90 Sprachen werden in Europa gesprochen, davon sind 37 anerkannte Nationalsprachen und 53 Sprachen gehören zu den sog. staatenlosen Sprachen, den Regional- oder Minderheitensprachen.
 
Zu den autochthonen, nationalen Minderheiten und Nationalitäten zählen die durch die Auswirkungen der europäischen Geschichte, durch Grenzziehungen und andere historische Ereignisse entstandenen nationalen Minderheiten, Nationalitäten sowie die Völker Europas, die nie einen eigenen Staat gegründet haben und auf dem Territorium eines Staates als Minderheit leben.

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