Der chilenische Verfassungskonvent beschließt erste Artikel

Der chilenische Verfassungskonvent hat nach sechsmonatiger Arbeit die ersten Artikel für die neue Verfassung beschlossen. Kaum vorgelegt, sorgen die Entwürfe für Aufregung, ist doch von Justizsystemen die Rede. Die Mapuche beispielsweise drängen auf ihre autonome Gerichtsbarkeit. Der Konvent scheint das selbstgesetzte Ziel anzustreben, die Plurinationalität und damit die Anerkennung der Ureinwohner.

Von Wolfgang Mayr

Es ist das erste Mal in der chilenischen Geschichte, dass eine Verfassung mit Bürger-Beteiligung erarbeitet wird. Der Konvent behandelt bereits einen Text, der die Grundlage für die Verfassung sein könnte. 154 gewählte Vertreter werden über Arbeits- und soziale Rechte, staatliche Souveränität trotz Freihandelsverträgen und über das Recht auf staatliche Bildung und deren Verankerung in der Verfassung abstimmen.

Der Konvent ist mutig, derzeit feilen die Teilnehmenden am Entwurf zum „plurinationalen und interkulturellen Staat“. Das würde bedeuten, dass die indigenen Völker Chiles, wie die Mapuche oder die Aimara, ein Recht auf Selbstbestimmung und Selbstverwaltung erhielten. Zudem müsste der Staat sicherstellen, dass in seinen Verwaltungsorganen und Institutionen die anerkannten indigenen Völker politisch repräsentiert werden, schreibt die Soli-Plattform amerika21.

Für einen Teil der chilenischen Bevölkerung, für die Erben der Eroberer, eine unerträgliche Zumutung. Die chilenische Rechte lehnt die Anerkennung indigener Völker und ihrer Rechte ab. Vertreter des doch radikalen rechten Lagers verunglimpfen den Konvent und seine Arbeit. Über soziale Netzwerke polemisiert die Rechte heftig gegen eine neue Verfassung.

Auch das zweite große Themenfeld, der Freihandel, behandelt der Verfassungskonvent unter der Leitung der Mapuche-Intellektuellen Elisa Loncon Antileo. „Sicherung der Souveränität der Völker in Freihandelsabkommen“ heißt eine Eingabe mit dem Ziel, Schutzmechanismen gegen die negativen Folgen solcher Vereinbarungen zu schaffen.

Der Verfassungskonvent ist das Ergebnis der Protestbewegung von 2019. Sie erzwang ein Referendum, bei dem im Oktober 2020 eine große Mehrheit der Wählenden die Abschaffung der Verfassung des Diktators Pinochet und eine neue Verfassung forderten. Der breit aufgestellte Verfassungskonvent ist ein Spiegelbild der chilenischen Gesellschaft und der viel-ethnischen Bevölkerung. Amerika21 kommentiert: „Durch die Zweidrittelmehrheit der parlamentarischen Opposition und der unabhängigen Vertreter bietet der Verfassungskonvent zum ersten Mal seit langem die Möglichkeit für große Veränderungen der Gesellschaft, da die Rechtskonservativen und die Pinochet-Anhänger über keine Sperrminorität verfügen“.

Die Reformregierung des linken Präsidenten Gabriel Boric will das Land umbauen, der Verfassungskonvent wird mit einer neuen Verfassung den Rahmen vorgeben.

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