Das Taliban-Dilemma Chinas: Uigurische Kämpfer in Afghanistan

Uiguren protestieren weltweit friedlich gegen die Verbrechen Chinas. Von Malcolm Brown from Washington, DC, USA - Uighur Protest, CC BY-SA 2.0,

Von Jan Diedrichsen

Es mag nicht verwundern, dass China sich derzeit nicht nur in den Staatsmedien darüber lustig macht, wie die USA und der sog. Westen fluchtartig Afghanistan verlassen und die Taliban sich als die unangefochtenen Herrscher des Landes aufschwingen. Doch die aktuelle Lage bereitet den Machthabern in Peking auch einige Kopfzerbrechen:

China hat eine 76 Kilometer lange Grenze mit Afghanistan. China befürchtet, dass Afghanistan unter der Herrschaft der Taliban zu einem Stützpunkt für uigurische islamische Separatistengruppen werden könnte.

China hatte zuvor angedeutet, dass es das Taliban-Regime in Afghanistan anerkennen und unterstützen würde. Bereits im vergangenen Monat traf der chinesische Außenminister Wang Yi in Tianjin offiziell mit einer Taliban-Delegation zusammen, der auch der oberste Führer Mullah Abdul Ghani Baradar angehörte.

Die Taliban hat wiederholt ihre Hoffnung auf gute Beziehungen zu China geäußert und erklärt, dass sie sich auf die Beteiligung Chinas am Wiederaufbau und an der Entwicklung Afghanistans freuen.

Newsweek hat die Situation analysiert.

Es gibt eine Gruppierung, die laut Wang in Afghanistan nicht willkommen sein darf, sondern bekämpft werden müsse: die Turkestan Islamic Party (TIP), auch East Turkestan Islamic Movement (ETIM) genannt. Die Gruppe besteht überwiegend aus Uiguren. Peking bekämpft mit aller Macht jegliche Aktivitäten der ETIM in der nordwestlichen Provinz Xinjiang, die an Afghanistan grenzt.

„Der Kampf gegen die ETIM ist eine gemeinsame Verantwortung der internationalen Gemeinschaft“, sagte Wang. „Wir hoffen, dass die afghanischen Taliban einen klaren Bruch mit allen terroristischen Organisationen, einschließlich der ETIM, vollziehen und sie entschlossen und wirksam bekämpfen werden, um Hindernisse zu beseitigen, eine positive Rolle zu spielen und günstige Bedingungen für Sicherheit, Stabilität, Entwicklung und Zusammenarbeit in der Region zu schaffen.“

In den Augen Chinas verkörpert die ETIM die unmittelbarste Bedrohung.

Die Gruppe hat ihre Wurzeln in Afghanistan, die mindestens bis zur sowjetischen Intervention in den 1980er Jahren zurückreichen, aus der schließlich Al-Qaida und die Taliban aus einem breiten Widerstand von Mudschaheddin-Kämpfern hervorgingen, von denen einige von den Vereinigten Staaten, Pakistan und Saudi-Arabien unterstützt wurden.

In den 1990er Jahren schlug die ETIM aus Protest gegen die Politik der regierenden Kommunistischen Partei Chinas in Xinjiang mehrmals auch mit Gewalt zu. Während China andere Unruhen in Xinjiang auf Aktivitäten der ETIM zurückführte, trieb ein hartes Durchgreifen gegen Ende des Jahrzehnts einen Großteil der Gruppe in das damals von den Taliban kontrollierte Afghanistan. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 war die ETIM eine von vielen islamistischen Gruppierungen, die unter der Führung der USA bekämpft wurden. Washington und Peking waren sich anfangs einig über die Bedrohung durch die ETIM in Afghanistan, und die USA führten dort erst 2018 Luftangriffe gegen sie durch. Die USA hat die ETIM 2020 von der sog. Terrorliste gestrichen.

Die Uiguren – Genozid an einem Volk

Mindestens 1,5 Millionen Angehörige der Uiguren, Kasachen und Kirgisen werden in der im Nordwesten Chinas gelegenen Provinz Xinjiang willkürlich in Umerziehungslagern festgehalten. Gemeinsam mit anderen Organisationen kämpft die GfbV seit Jahren  gegen die Versuche der chinesischen Regierung, dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit als harmlose „Umschulungszentren“ umzudeuten.

Interne Dokument der chinesischen Regierung belegen den Eifer, mit der chinesische Behörden jedes Symbol der Religiosität uigurischer, kasachischer und kirgisischer Muslim*innen erfassen. Bärte, Kopftücher, Moschee-Besuche oder das Fasten während des Ramadan, werden systematisch dokumentiert. Je gläubiger die Menschen nach diesen Kriterien eingeschätzt würden, desto länger müssten sie gegen ihren Willen in den Lagern verbleiben.

Immer häufiger werden in der Nähe der Lager Fabriken errichtet, in denen Lagerinsassen gegen niedrige Löhne Zwangsarbeit verrichten müssen. Deutsche und europäische Unternehmen dürfen nicht zu Komplizen dieses ausgeklügelten Unterdrückungssystems werden. Unternehmen wie Siemens, Volkswagen und Textilhersteller werden in dem Projekt aufgefordert, ihre Aktivitäten in Xinjiang, das von den muslimischen Nationalitäten Ostturkestan genannt wird, zu überprüfen und sich gegen Chinas Verletzung internationaler Menschenrechtsnormen zu stellen.

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