Broken bridges

Die GfbV versuchte vor fünf Jahren Brücken zwischen den Minderheiten in Deutschland und der Ukraine zu „bauen“. Seit dem russischen Eroberungskrieg sind Minderheiten in der Ukraine auf der Flucht.

Von Wolfgang Mayr

Anzhelika Bielova war vor fünf Jahren Teil der ukrainischen Minderheiten-Delegation in Deutschland. Gemeinsam mit VertreterInnen der Krimtataren, Griechen, Aseris und Litauer nahm sie als Roma-Aktivistin am Austauschprojekt der GfbV und der krimtatarischen Organisation Devam teil. Building bridges between minorities. Eine vom deutschen Außenministerium finanzierte Initiative.

Die Delegation aus der Ukraine traf sich im September 2017 in Berlin mit der „deutschen“ Delegation, bestehend aus Sorben, Friesen, Kurden, Aleviten, Aramäern und „Deutsch-Türken“ (Eigendefinition eines Teilnehmers).

Bei ihren Besuchen in Berlin, in Kiel und in Göttingen erhielt die Minderheiten-Delegation aus der Ukraine praktische Tipps zum bürgerrechtlichen Engagement. „Unser Ziel ist es, dass die jungen Erwachsenen zu Botschaftern ihrer Minderheiten werden, bei ihren Begegnungen Erfahrungen austauschen, sich miteinander vernetzen und sich gegenseitig den Rücken stärken“, beschrieb 2017 GfbV-Mitarbeiter Hanno Schedler das Brückenbauen zwischen Minderheiten in Deutschland und Ukraine.

Brückenbauerin Bielova leitet die ukrainische NGO „Association of Roma women”,  engagierte sich in den vergangenen Jahren gegen den Antiziganismus , organisierte Proteste gegen die radikale Rechte und leitet die Organisation Lacho Drome, ein Zentrum für Roma-Rechte, in der süd-ukrainischen Stadt Zaporizhia.

Den demokratischen Aufbruch in der Ukraine versuchten nicht nur alte Seilschaften zu verhindern, Oligarchen und ihre Anhänger im russischsprachigen Donbass, sondern auch mafiosi und Rechtsradikale.

2019 wurde Bielova von einem Unbekannten niedergestochen. Die damals 24-jährige Romniwurde offensichtlich gezielt ausgesucht. Bielovas Ehemann ist Anti-Korruptions-Aktivist.

Nach Angaben der Organisation Silence Kills, einem Zusammenschluss ukrainischer Aktivisten, gab es immer wieder Angriffe auf Journalisten, Korruptionsbekämpfer und Aktivisten, die nicht aufgeklärt wurden.

Es gab auch immer wieder Angriffe auf Roma. Im April 2018 vertrieben Mitglieder der rechtsextremen Gruppierung „C14“ 15 Roma-Familien aus ihren behelfsmäßigen Unterkünften in Lysa Hora, einem Naturschutzgebiet in der Nähe von Kyjiw. Die bewaffneten Neonazis jagten die Familien. Die Neonazis bewarfen die Flüchtenden mit Steinen und brannten die Zelte nieder.

Nicht-Roma forderten mancherorts dazu auf, ihren Roma-Nachbarn die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs und den Aufenthalt in lokalen Geschäften zu verbieten. Der Verwaltung des Holosiyiv-Distrikts wurde 2018 vorgeworfen, Roma Sozialleistungen vorzuenthalten und dabei rechtsextreme Einschüchterungstaktiken anzuwenden.

„Wir erwarten, dass die ukrainische Justiz zügig und entschlossen reagiert. Die Regierung von Präsident Wolodymyr Selenskyj muss den Schutz von Minderheiten, insbesondere der Roma gewährleisten. Zivilgesellschaftliche Akteure müssen frei und sicher arbeiten können“, forderte damals Jasna Causevic für die GfbV.

Mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine wurden die Brücken zwischen den Minderheiten in Deutschland und in der Ukraine eingerissen. Hunderttausende sind auf der Flucht vor den russischen Soldaten, Panzern, Bomben und Raketen. Darunter auch viele Angehörige ethnischer und nationaler Minderheiten. Auch sie beklagen Todesopfer, bestätigt die Dachorganisation der europäischen Minderheiten, die Fuen.  Die Fuen bittet um Solidaritätmit den Minderheiten in der Ukraine.

Auf Befehl des „lupenreinen Demokraten“ im Kreml, Freund des Sozialdemokraten Schröder, rechtspopulistischer und rechtsradikaler „Europäer“ sowie von Doppelreiher tragenden Konzernchefs, wird ein Lands zerstört, gemordet und ethnisch gesäubert.

Während die EU und das potente Deutschland den Flüchtlingsstrom mehr schlecht als recht „managen“, helfen sich die Betroffenen selbst. Bielova setzte sich drei Tage nach dem russischen Kriegsbeginn mit Оleksandra Koriak nach Budapest ab und versucht dort Hilfe zu organisieren. „Wir wollen für die Bürger der Ukraine Hilfe organisieren und für unsere Verteidiger nützlich sein,“ schrieb Bielova auf facebook.

Von Budapest aus wollen Bielova und Koriak helfen, von dort aus soll die Hilfe in die Ukraine transportiert werden. Kontaktpersonen – Константин Белов Рудольф АкопянМихаил Прасол Ярослав Гришин – an der ukrainischen Grenze, so die Überlegung, übernehmen die Hilfstransporte und bringen sie auf sicheren Wegen in elf ukrainische Städte. Das war der Plan. Der Kontakt zu Bielova ist inzwischen leider abgebrochen.

Auch einer der krimtatarischen Aktivisten und Mitglied der bridges-Delegation, Serdar Seytaptiv von Devam, will die Ukraine verlassen.  Seytaptiv lebte seit der Besetzung der Krim 2014 durch russische Soldataten von seiner Familie getrennt in Kyjiw, engagierte sich in der ukrainischen Hauptstadt für die Krimtataren und für eine demokratische und unabhängige Ukraine. Zum zweiten Mal muss Seytaptiv nun vor russischen Verfolgern flüchten.

Serdar Seytaptiv war im Herbst 2018 mit einer Gruppe krimtatarischer Aktivisten in Südtirol, um die Landesautonomie kennenzulernen. Das waren eine Fortsetzung der Initiative building bridges. Autonomie, dieses Ziel strebten die engagierten Krimtataren an, für ihre Krim. Dieser Traum wird derzeit zerschossen.

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