Ausgeschlossen

Indigene Aktivist:innen aus Russland wurden zur EMRIP-Sitzung in Genf nicht zugelassen.

Von Wolfgang Mayr

Leyla Latypova von der vom Staat verbotenen MoscowTimes stellte die richtige Frage: Steckt der Kreml hinter der Ausladung? Davon kann ausgegangen werden. Für einige Aktivist:innen aus Sibirien blieb die Tür zum Sitzungssaal der 17. Sitzung des Expertenmechanismus für die Rechte indigener Völker (EMRIP) in Genf in dieser Woche verschlossen.

Trotz der Machtkartelle und der Vernetzung der verschiedenen Schurkenstaaten, bleibt die UNO für die indigenen Völker die Plattform für ihre Forderungen. Die UNO bietet trotz aller ihrer Schwächen den indigenen Organisationen Sichtbarkeit. Das ist dem Putin-Regime wohl bewußt, kommentiert Latypova die Ausladung der eingeladenen Bürgerrechtler.

Latypova zitiert das Beispiel von Vika Maladaeva, einer burjatischen Aktivistin und Mitbegründerin der Indigenous of Russia Foundation. Sie war nicht die einzige indigene Antikriegsaktivistin, die von der Sitzung ausgeschlossen wurde. 

Der Sacha-Aktivistin Viliuia Choinova und der burjatischen Aktivistin Marina Khankhalaeva wurden ebenfalls Plätze am Tisch verweigert. “Ich habe definitiv nicht damit gerechnet“, sagte Choinova MoscowTimes. „Ich war bereits dabei, meine Rede zu entwerfen.“

Was bedeutet Dekolonisierung für Russlands indigene Völker? 

Diese Frage könnten sich die Putin-Sympathisanten in Europa auch stellen, von Le Pen, über Kickl, Orban, Weidel und Wagenknecht.

Die von der Sitzung ausgeschlossenen Aktivist:innen fragen bei der UNO nach, wollte die Gründe für die Ausladung erfahren. Sie warten noch immer auf eine Antwort. „Ich habe den Verdacht, dass Russland hinter dieser Entscheidung steckt“, sagte Pavel Sulyandziga im Gespräch mit Leyla Latypova von der MoscowTimes: „EMRIP ist eine der wenigen UN-Organisationen, bei denen Russland noch Einfluss hat.“

Wie andere Aktivisten auch, geht Sulyandziga davon aus, dass der Kreml darauf bestehe, dass nur loyale indigenen Aktivisten zu den Sitzungen des EMRIP zugelassen werden. Loyal sind die Russische Vereinigung der indigenen Völker des Nordens (RAIPON) und KMNSoyuz, die vom Bergbauriesen Nornickl gesponsert wird. RAIPON, eine historische Indigenen-Organisation, inzwischen vom Staat und den Konzernen gekapert, wirbt für die grenzenlose Erschließung Sibiriens und für den grenzenlosen russischen Krieg in der Ukraine.

Die Intervention des Putin-Regimes war nur teilweise erfolgreich. Immerhin konnten die Shor-Aktivisten Yana Tannagasheva und Vladislav Tannagashev – auch Exponenten der indigenen Antikriegsbewegung – an der Sitzung teilnehmen.

Im vergangenen Jahr wurde Tannagasheva während der Plenarsitzung von EMRIP vom russischen Vertreter Sergej Tschumarew verbal belästigt, nachdem sie eine Rede über die Ausbeutung des Gebiets der Shor-Ureinwohner durch den russischen Staat und Kohlebergbauentwickler gehalten hatte.

Indigene Feigenblätter

Der russische Staat will indigenen Protest aus dem eigenen Land in einem UNO-Gremium verhindern. Steht doch die angestrebte „antikoloniale Allianz” mit dem “globalen Süden” auf dem Spiel. Schon die Sowjetunion förderte dekoloniale Bewegungen in Südamerika, Afrika und Asien, unterstützte auch indigene Aktivist:innen auf der internationalen Bühne. Russland schaffte es bisher, trotz seiner äußerst indigenenfeindlichen Politik der Assimilierung und Kolonialisierung, freundschaftliche Beziehungen zur globalen Bewegung für die Rechte indigener Völker zu pflegen.

Die Anwesenheit unabhängiger indigener Aktivisten, die Russlands Verbrechen an seinen Minderheiten anprangern könnten, wird vom Kreml als Gefahr empfunden. Russland würde als üble Kolonialmacht dastehen und nicht als antikoloniale Speerspitze.

Leyla Latypova beschreibt das Beispiel von Maria Khankhalaevas. Sie hatte in ihrer Rede vor dem Ständigen Forum der Vereinten Nationen für indigene Angelegenheiten in New York auf die unverhältnismäßig vielen Opfer unter den nicht-slawischen Soldaten im Ukraine-Krieg hingewiesen. Ein gewaltiger Image-Schaden für das kriegsführende Russland, das unter links- und rechtsradikalen Europäern sowie in der globalen Anti-Dekolonial-Bewegung noch immer als progressive Friedensmacht gilt.

Die russische Regierung operiert mit dem Instrument “teile und herrsche”, gerade mit den indigenen Völkern. Wer mitmacht, wird befördert, schreibt Leyla Latypova in der MoscowTimes. Wie Ilsur Metshin, der Bürgermeister von Tatarstans Hauptstadt Kasan. Er gilt als lautstarker Befürworter der russischen Invasion in der Ukraine. Einige Monate nach Kriegsbeginn wurde Metshin wieder zum Präsidenten des Beratenden Ausschusses der lokalen Behörden der Vereinten Nationen (UNACLA) “gewählt”.

Weitere Informationen: Leyla Latypova – l.latypova@themoscowtimes.com

Siehe auch: Ein Forum für die Geknebelten, Indigene Völker Russlands klagen an, Indigenen-Rechte in Russland,

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