01-04-2025
USA-Grönland: Sie haben keine gute Arbeit für die Menschen geleistet
Findet Vizepräsident Vance, die Grönländer finden, Yankee stay at home

Trump will Grönland: youtube.com
Von Wolfgang Mayr
J.D. Vance gefällt sich in seiner Pöbler-Rolle. Die Europäer sind allesamt Schmarotzer, die Dänen üble Kolonialisten. Bei seinem Kurzbesuch – abgeschottet im Kreis der US-Soldaten – in Grönland giftete der Trump-Vize gegen das dänische Königreich und gegen die kolonialistische Herrschaft über die Insel. Vance findet, die Dänen haben keine gute Arbeit für die Menschen in Grönland geleistet.
Die Grönländer, die Inuit, werfen Dänemark vor, die Insel und ihre Menschen geplündert zu haben. Vielfältig. Walter Turnowsky, Kopenhagen-Korrespondent des Nordschleswigers, rechnete auf diese Seiten mit dem dänischen Kolonialismus ab. Von wegen gute Kolonialmacht Dänemark.
Deshalb wählen die Inuit seit Beginn ihrer Landesautonomie autonomistisch bis sezessionistisch. Die letzten Parlamentswahlen bestätigten diese Positionen. Positionen, die nicht mehr antidänisch sind. Seit US-Präsident Trump die Grönländer wissen ließ, sie werden Teil der Vereinigten Staaten werden, schwappt ein dezidierter Antiamerikanismus über die Insel. Yankee stay at home.
Kein Wunder, die USA und ihr Verhältnis zu den autochthonen indianischen Völkern, zu den Native Americans, ist belastet. Mit der “Landnahme” einher gingen Vertreibungen, Enteignungen, Völkermord. Vizepräsident Vance könnte in Washington dem National Museum of the American Indian einen Kurzbesuch abstatten, wie soeben Grönland. Das Museum befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Weißen Haus. Auf vier Stockwerken präsentieren die Museumsmacher die indianische Geschichte. Auch die wenig erbauliche Gegenwart.
Vor 140 Jahren plünderten die USA, der Staat, Eisenbahngesellschaften, Ölfirmen, Großgrundbesitzer und landhungrige Siedler Reservatsland – Arbeitstitel dieser Politik lautete Allotment – und raubten den Stammes-Nationen 90 Millionen Hektar Land, das – so lange das Gras wächst und der Fluß fließt – indianisches Land bleiben sollte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg legte die republikanische Regierung die Allotment-Politik der 1880er Jahre auf. Die Auflösung der Reservate und die Umsiedlung der indianischen Bewohner in die Städte. Termination und Relocation. Ein Angriff auf das Indian Country, das sich aufgrund des Indian New Deals der Roosevelt-Administration erholt hatte. Allein zwischen 1953 und 1957 gingen weitere 1,8 Millionen acres (7.300 km²) Reservatsland verloren. Bis zum Ende der Terminationspolitik betrug der Landverlust mehr als 2,4 Millionen acres (9700 km²).
Aufgelöst wurden 179 Stämme. Sie kämpfen heute – meist recht erfolglos – für ihre bundesstaatliche Anerkennung.
Vance könnte in einer Reihe exzellenter Bücher indianischer und nicht-indianischer Autoren nachlesen, beispielsweise bei Vine Deloria, bei Paul Chaat Smith, Scott Momady, Leslie Marmon Silko oder Louise Erdrich, um nur einige zu nennen. Da würde er erkennen, dass seine Vorväter – bei der Eroberung der Appalachen – keine gute Arbeit für die First Americans geleistet haben. Die Vance-Vorfahren säuberten die Appalachen von den indianischen Ureinwohnern und “exportierten” sie nach Oklahoma, ins angeblich ewige Indianer-Territorium.
Vance könnte sich auch die Bücher des Schweizer Aram Mattioli besorgen, “verlorene Welten” über die Besetzung des nordamerikanischen Kontinents durch Europäer und “Zeiten der Auflehnung”, die Geschichte des indigenen Widerstandes gegen die restlose Vernichtung. Ähnliches erzählt auch Karl Schlögel in “American Matrix”, ein Buch voller Bewunderung für die USA mit einer gehörigen Portion Abrechnung, Stichworte Sklaven und Indianer.
Seine Beschreibung beispielsweise von der Inbesitznahme Kaliforniens steht stellvertretend für den ganzen großen Rest. Die Beschreibung der Massaker, ausgeführt von Siedlern, Goldsuchern und Soldaten, ähnelt den SS-Gewalttaten in Mittel- und Osteuropa im Zweiten Weltkrieg. Benjam Madley benennt die alltäglichen routiniert durchgeführten Morde als “an american genocide”. Mattioli schreibt vom großen Töten.
Vor der US-amerikanischen Eroberung wüteten bereits die Spanier, ihre mexikanischen Nachfahren und die Russen. Mit dem Einfall der “freien Männer” aus dem US-Osten schrumpfte die Zahl der Indianer zwischen 1846 und 1870 von 150.000 auf 30.000. 1880 waren es nur mehr 16.000. 1935 schrieb der damalige Direktor des Bureau of Indian Affairs, John Collier, von einem “Rassenmassaker”.
Schlögel schreibt von der großen Abwesenheit der Indianer in der US-Geschichte, von der Geschichte des Verschwindens, die auch nach den Indianerkriegen mit “sanfteren” Mitteln fortgesetzt wurde. Landraub trotz Verträge, Raub der Kinder und deren Internierung in Assimilierungsschulen, Umsiedlung der Indianer von den Reservaten in die Städte, eine unglaubliche sexuelle Gewalt müssen indianische Mädchen und Frauen “erfahren”.
Und ausgerechnet diese USA sollen die Grönländer schützen, ihnen eine bessere Zukunft ermöglichen? Die Geschichte der USA und ihr Verhältnis zur indianischen Bevölkerung ist geprägt von Gewalt, rassistischer Arroganz und Übervorteilung. Keine überzeugende Grundlage für die Attacke von Vance gegen Dänemark.
Vance wird sicher nicht das Museum in Washington besuchen, erklärte sein Chef die Betreiber – die Smithonian Institution – doch zu Feinden der USA. Smithonian würde die US-Geschichte schlecht reden.
Zum Nachlesen:
– Vom Überlebenskampf eines Volkes
– Hundert Wörter für Schnee
– Fräulein Smillas Gespür für Dänemark
– Ein Roman über das Scheitern
– Grönland, überleben dank Staatskonzernen
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