26-03-2022
Gestohlenes Land wird zurückgegeben
Von Kalifornien bis Maine wird Land an Stämme übergeben. Diese verpflichten sich, das Land nachhaltig zu nutzen.

Von Wolfgang Mayr
1908 beschlagnahmte die US-Regierung 18.000 Hektar Land von den Salish- und Kootenai. Aus dem gestohlenen Land wurde die National Bison Range im Mission Valley im Westen Montanas.
Seit damals bemühen sich die Salish und Kootenai um die Rückgabe ihres traditionellen Landes. Überraschenderweise erhielten die Stämme in der Ära Trump ihr Land zurück. Sie verwalten jetzt die Bison-Range als Teil ihres Reservats. Naturnah, tiergerecht.
Nach jahrzehntelangem Kampf um die Annullierung von Öl- und Gaspachtverträgen im Badger-Two Medicine-Gebiet entlang der Rocky Mountain Front in Montana sollen die Blackfeet künftig das Badger-Two Gebiet als „Kultur-Erbegebiet“ mitverwalten.
Die Obama-Regierung regte an, das Bear’s Ears National Monument in Utah gemeinsam mit den dort lebenden fünf Stämmen zu verwalten.
Immer mehr Stämme fordern die Rückgabe ihres geraubten Landes. Sie setzen auf eine ökologische Nutzung der Territorien, Pläne, die bei Innenministerin Deb Haaland gut ankommen.
Die neuen alten Landbesitzer setzen beim Land-Management auf eine ökologische Nutzung der zurückgewonnenen Territorien und auf die Anwendung ihres traditionellen ökologischen Wissens. Das Konzept klingt einfach, naturnahe Bewirtschaftung, biologische Vielfalt. Die Übertragung von Land an die verschiedenen Stämme wird von der Nature Conservancy unterstützt.
In Kalifornien übertrug ein Land-Trust mehr als 1.199 Hektar Redwood-Wald und Prärie an den Esselen-Stamm, in Maine haben die fünf Stämme der Wabanaki-Konföderation eine 150 Hektar große Insel mit Hilfe von Land Trusts zurückerworben. Weitere Landtransfers an Stämme gab es auch in Oregon, New York und in anderen US-Staaten.
Das Eigentum an mehr als 500 Hektar Wald im kalifornischen Mendocino County wurde an das Intertribal Sinkyone Wilderness Council übertragen, dem zehn Stämme angehören. Sie sollen als Wächter das Land „schützen und heilen“. „Grundsätzlich glaubten wir, dass dasder beste Weg ist, dieses Land dauerhaft zu schützen und zu heilen“, begründete Sam Hodde von der Save the Redwoods League die Land-Rückgabe. „Damit können wir das Gleichgewicht im Ökosystem und in den damit verbundenen Gemeinschaften wiederherzustellen.“
Mehr als 170 Jahre lang durften Angehörige dieser zehn Stämme ihr gestohlenes Land nicht mehr nutzen, weder für Jagd und Fischerei noch für Zeremonien.
„Die Umbenennung dieses Wald-Landes in Tc’ih-Léh-Dûñ sagt uns, dass es sich um einen heiligen Ort handelt. Und es ist ein Ort für uns“, sagte Crista Ray, Vorstandsmitglied des Sinkyone Council. „Es informiert darüber, dass es eine Sprache und ein Volk gab, das schon lange vorher dort lebte.“
Mit dem Tc’ih-Léh-Dûñ wird die Öko-Region Sinkyone Wilderness State Park und Intertribal Sinkyone Wilderness entlang der Sinkyone-Küste – fünf Stunden nördlich von San Francisco – vergrößert. Der Council will die Redwood-Wälder der Region wieder zusammenwachsen lassen. Land unter Stammeskontrolle regeneriert, erholt sich von Raubbau und Umweltverschmutzung, das bestätigen Untersuchungen.
Auch das von Stämmen praktizierte Feuer-Management, kontrollierte Feuer, findet inzwischen Beachtung bei den zuständigen Behörden. So ergab eine neue Studie, dass das gezielte indigene Feuer-Management im Wald um das Jemez Pueblo in New Mexico „die Landschaft resistent gegen extreme Feuer machte“.
Die Professoren Martin Nie und Monte Mills, Fachleute für die Bereiche Naturressourcen und Indianer-Rechte, regen in ihrem Bericht an, öffentliches Land künftig von den interessierten Stämmen verwalten zu lassen.
Auch lokale Land-Trusts überschreiben Land an ihre ursprünglichen indianischen Eigentümer. Nature Conservancy machte es vor, ein Dutzend Projekte wurden abgewickelt, späte Wiedergutmachung. Dutzende Landtrusts im Dachverband First Light drängen darauf, dass die Angehörigen der fünf Stämmen der Wabanaki-Konföderation in Maine Zugang zu ihrem angestammten Land erhalten. Es handelt sich um die 150 Hektar große Passamaquoddy Pine Island, die den Wabanaki von europäischen Siedlern gestohlen wurde. Ein weiteres Beispiel, das in New York ansässige Open Space Institute übertrug 156 Hektar am Hudson River an die Mohican Nation Stockbridge-Munsee Band. Inzwischen ein Naturschutzgebiet.
In vielen Fällen kaufen Stämme auch Land zurück. In Nordkalifornien besitzt der Yurok-Stamm 44 Meilen Land entlang des Klamath Rivers. Den Rückkauf unterstützten Trust for Public Land und der Western Rivers Conservancy. Mit der Yurok-Verwaltung des Landes soll der Lebensraum Lachses geschützt und der Zugang zu zeremoniellen Stätten garantiert werden. Die Yurok haben inzwischen mehr als 80.000 Hektar gekauft, darunter 50.000 Hektar einer Holzfirma.
Im Bundesstaat Virginia gelingt es nach der staatlichen Anerkennung den Chickahominy, einen Teil des traditionellen Landes wieder unter Stammeskontrolle zu bringen. Die Chickahominy kauften mit 3,5 Millionen US-Dollar Land am Chickahominy River zurück.
Das 105 Hektar große Grundstück ist größtenteils mit Zypressensümpfen bewaldet und wurde für die Landwirtschaft und Holzernte genutzt. Es ist auch Heimat verschiedener Wildtiere. „Wir erzählen jetzt eine umfassendere Geschichte von Virginia, deshalb wollen wir auch für uns wichtige Plätze bewahren und schützen“, sagte Stammes-Sprecher Stephen Adkins ICT. Mit dem Erwerb des Landes soll auch die Stammessouveränität sichergestellt werden.
„Die Chickahominy waren mit den anderen indigenen Völkern Virginias die ursprünglichen Eigentümer des Wassereinzugsgebiets der Chesapeake Bay“, sagte Ann Jennings von der Stammesverwaltung. Der Stamm will das Wassereinzugsgebiet erhalten und schützen. Dieses Land ist den Chickahominy schon in den späten 1600ere Jahren von den „Neu-Engländern“ gestohlen worden.
„Dies ist eine Rückführung unseres historischen Landes und zollt unserer Geschichte Respekt“, freut sich Stammespolitiker Adkins. „Wir kommen zurück. Es beginnt eine neue Ära für den Stamm.“
Der Ojibwe-Schriftsteller David Treuer plädierte in der Zeitung Atlantic für die Schaffung eines neuen Konsortiums für die Verwaltung der US-Nationalparks. Träger des Konsortiums sollen laut Treuer die indianischen Stämme sein, die künftig die Parks mit einer Gesamtfläche von 85 Millionen Hektar Land verwalten sollen. Für Treuer eine Wiedergutmachung für gebrochene Verträge, für Zwangsumsiedlungen und Landraub.
„Die Gesamtfläche würde den General Allotment Act, der uns 90 Millionen Hektar geraubt hat, nicht ganz ausgleichen, aber er würde sicherstellen, dass wir ungehinderten Zugang zu unseren Stammesheimländern haben“, schreibt Treuer. „Und es würde die Würde wiederherstellen. Die Verwaltung der wertvollsten Landschaft Amerikas wäre eine weitreichende Wiedergutmachung.“
Eine nicht unrealistische Überlegung. Innenministerin Deb Haaland, gebürtige Puebla, setzt auf eine gemeinsame Verwaltung von öffentlichem Land. Haaland will auch Land direkt an Stämme übertragen. Präsident Biden sucht die Zusammenarbeit mit den Stämmen im Westen, will öffentliches Land stärker schützen. Sein Plan, ein Drittel der US-Fläche bis 2030 – den 30×30-Plan – unter striktem Schutz zu stellen.
Biden und Haaland haben für ihre Politik ein Vorbild. Eine der größten Landübertragungen fand in Australien statt. Die Bundes- und Landesregierungen übertrugen in New South Wales 19 ehemalige Großfarmen und die damit verbundenen Wasserrechte im Wert von 180 Millionen US-Dollar. Die Auflage an die neuen alten Eigentürmer war, die riesigen Feuchtgebiete zu renaturieren. Die extensive Landwirtschaft und deren Wasserhunger fügten dem Land große Schäden zu.
2019 übertrug die Nature Conservancy das 200.000 Hektar große Nimmie-Caira-Land in das alleinige Eigentum der Nari Nari in New South Wales. Die Nari Nari haben es in Gayini umbenannt, was in ihrer Sprache „Wasser“ bedeutet.
In Kanada verwaltet die Bundesregierung mit der Qikiqtani Inuit Association das Tallurutiup Imanga National Marine Conservation Area & Tuvaijuittuq Marine Protected Area im Nunavut-Territorium.
Der „Tuvaijuittuq“ bedeutet „die letzte Eisfläche“. Dort hält sich trotz Klimawandels noch das dickste Eis der Arktis. Dieses Gebiet könnte das letzte Rückzugsgebiet für Eisbären, Robben, Narwale, Walrosse und Beluga sowie für die Algen unter dem Eis werden, das den Boden der arktischen Nahrungskette bildet.
Weltweit werben Fachleute dafür, unberührte Gebiete und Naturparks unter indigene Kontrolle zu stellen. Eine wachsende Anzahl von Studien belegt die Wirksamkeit des Land-Managements durch die Ureinwohner. Richard Shuster und Ryan R. Germain von der University of British Columbia veröffentlichten ihre Studie über indigene Land-Nutzung. Fazit: Indigenes Land in Australien, Brasilien und Kanada ist reicher an Wirbeltierarten als in bestehenden Schutzgebieten.
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