Der Weg in die Sackgasse

Führt Lorant Vincze mit seiner ganz offenen Orban-Nähe die Fuen ins politische Abseits?

Von Wolfgang Mayr

Eines vorausgeschickt, Minderheiten können sich in ihrem Kampf um Würde und Emanzipation nicht immer ihre Verbündeten aussuchen. Die vom rumänischen Staat wenig respektvoll behandelte große ungarische Volksgruppe im ehemaligen Siebenbürgen, wie ihre Verwandten in der Slowakei auch, näherten sich dem autoritären Ungarn an. Die rechtsnationalistische Orban-Regierung unterstützt die ungarischen Autonomiebelange in der Slowakei und in Rumänien.

Orban nutzt konsequent die ungarische Bühne in Siebenbürgen. Im Sommer wetterte er inTusnadfürdö an der Sommeruniversität gegen die EU und die USA, distanzierte sich von der EU-Solidarität zugunsten der von Russland überfallenen Ukraine, „das ist nicht unser Krieg“. Orban schwadronierte über „Misch-Rassen“ und hetzte gegen Flüchtlinge und Migraten. Die ganz untere Schublade.

Gleichzeitig zeigt er sich spendabel gegenüber der Fuen, wohl auch deshalb, weil der Siebenbürger Ungar Vincze Lorant an der Spitze der Organisation steht. Die Hilfe aus Budapest half, stellt der Nordschleswiger anerkennend fest, die Fuen vor dem Bankrott zu retten. Der jüngste Kongress manifestierte aber unmissverständlich, was es aber heißt, an der finanziellen Leine eines autoritären Nationalisten zu hängen. Abhängigkeit. Schädlich für die Fuen-Arbeit, negativ für die Minderheitenpolitik. Auch deshalb, weil die Minderheitenpolitik des ungarischen Staates keineswegs vorbildlich ist. Während die meisten sprachlich-nationalen Minderheiten großteils assimiliert sind, wird gegen Juden und Roma schamlos gehetzt.

Diese Achse verhinderte erfolgreich, dass der Fuen-Kongress eine ungarnkritische Resolution verabschieden konnte. Die vorgelegte Resolution sorgte für eine breite Debatte, berichtete der Nordschleswiger, abgestimmt wurde darüber aber nicht. Eine vertane Chance für die Fuen, ihre politische Unabhängigkeit zu unterstreichen. Stattdessen ließ sich diese große Menschenrechtsorganisation kapern und wird damit aus der Staatskanzlei in Budapest ferngesteuert.

Zurecht weist der Nordschleswiger aber auch auf die politische Verantwortung der Bundesrepublik und der EU. Die Zeitung der deutschen Minderheiten in Dänemark spricht von einem Dilemma, das nur deshalb aktuell werden konnte, „weil weder Bundesregierung noch EU bisher auf die Idee gekommen sind, die Inklusions-, Demokratisierungs- und Friedensmission der FUEN zuverlässig und nachhaltig zu fördern.“

Die Europäische Union finanziert oft fragwürdige Projekte und Vorhaben, nicht aber die Fuen. Noch schlimmer, die EU lässt die Fuen mit ihrer Politik meist in die Leere laufen. Jüngstes Beispiel dafür, die ausgebremste Minority Safepack, ein EU-Minderheitenpaket. Die EU-Kommission erklärte sich einfach für nicht zuständig, die Forderungen überholt. Größer kann die Missachtung für eine Menschenrechtsorganisation nicht. Nicht von ungefähr wies Lorant Vincze auf einer Tagung in Brüssel darauf hin, dass die Minderheitenpolitik eingefroren ist.

Der Nordschleswiger kommt deshalb zum Schluss, dass „Brüssel und Berlin das Ungarn-Dilemma der FUEN verhindern hätte können – ja, im eigenen Interesse verhindern müssen.“ Minderheiten und ihre Belange stehen aber nicht auf der Agenda Deutschlands und der EU.

Mit ihrer Politik der kalten Schulter der deutschen Bundesregierung und der EU-Kommission wurde die Fuen dem Treiben von Orban überlassen. Er nutzt dies konsequent aus. Mit tatkräftiger Hilfe von Vincze Lorant. Offensichtlich ist sich Vincze nicht bewusst, dass er die Fuen in die Sackgasse führt, ins politische Abseits. Warum wehrten sich nicht die Delegierten, warum blieben die Wortmeldungen der Präsidiums-Mitglieder? Lassen sie damit nicht zu, dass die Fuen, das Lebenswerk vieler engagierter Menschen, am Gängelband eines Autokraten verkommt?

Es wird kein Zufall sein, dass der FUEN-Kongress im nächsten Jahr von den Deutschen in Ungarn in Pécs/Fünfkirchen ausgerichtet wird.

Die FUEN


Die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten ist die Dachorganisationen der
autochthonen, nationalen Minderheiten und Nationalitäten Europas mit über 100 Mitgliedsorganisationen.
 
In den 45 zu Europa gehörenden Staaten existieren über 300 Minderheiten mit rund 100 Millionen Angehörigen, dies bedeutet, dass sich ca. jeder 7. Europäer zu einer autochthonen, nationalen Minderheit bekennt. Rund 90 Sprachen werden in Europa gesprochen, davon sind 37 anerkannte Nationalsprachen und 53 Sprachen gehören zu den sog. staatenlosen Sprachen, den Regional- oder Minderheitensprachen.
 
Zu den autochthonen, nationalen Minderheiten und Nationalitäten zählen die durch die Auswirkungen der europäischen Geschichte, durch Grenzziehungen und andere historische Ereignisse entstandenen nationalen Minderheiten, Nationalitäten sowie die Völker Europas, die nie einen eigenen Staat gegründet haben und auf dem Territorium eines Staates als Minderheit leben.

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