02-12-2022
Warum wird Rojava geopfert?
Der NATO-Staat Türkei will nach der Besetzung von Afrin wieder in Nord-Syrien einmarschieren. Die Autonomieregion soll zerschlagen werden.

Von Wolfgang Mayr
Beim Treffen der NATO-Staaten im rumänischen Bukarest war Nord-Syrien kein Thema. Im Gegenteil. Es scheint, dass die NATO-Mitgliedsstaaten mit der geplanten türkischen Invasion in Nord-Syrien einverstanden sind.
Die Türkei verfolgt nur legitime Sicherheitsinteressen an der türkisch-syrischen Grenze, verteidigt das deutsche Außenministerium das türkische „Säbelrasseln“ mit deutschen Panzern. Russland begründet seinen Angriffskrieg auf die Ukraine ebenfalls mit Sicherheitsinteressen.
Nicht nur die PKK nahe Nachrichtenagentur anf-news dokumentiert seit Wochen das türkische Aufrüsten an der nord-syrischen Grenze. Auch das pro-israelische Nah-Ost-Magazin mena-watch weist kontinuierlich auf die türkische Kriegstreiberei hin. So zitiert mena-watch den Oberkommandierenden der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Mazlum Kobane, der vor einer bevorstehen türkischen Invasion eindringlich warnte. Entlang der syrischen Grenze sollen bereits türkische Bodentruppen und islamistische Milizen aufmarschieren.
Kobane wundert sich darüber, dass die türkischen Drohungen von Russland und von den USA nur halbherzig verurteilt werden. Die SDF weisen darauf hin, dass seit dem Bombenanschlag in Istanbul (13. November) die Türkei kurdische Ziele in Syrien und im Nordirak angegriffen hat. Ein Pressesprecher des türkischen Autokraten ließ die Öffentlichkeit wissen, dass eine Bodeninvasion „jeden Moment“ beginnen könnte.
Die türkische Regierung des Islamisten Erdogan macht die kurdische PKK und deren syrische Schwesterpartei YPG für das Attentat verantwortlich. Die kurdischen Parteien hingegen bestreiten jede Verantwortung. Sie verweisen darauf, dass die mutmaßliche Attentäterin einer Familie von Anhängern des Islamischen Staates (IS) angehört. Drei ihrer Brüder seien als IS-Kämpfer in Syrien bzw. im Irak getötet worden.
Laut mena-watch zogen die USA bereits ihre zivilen Mitarbeiter in Nord-Syrien aus Sicherheitsgründen ins kurdische Erbil in Nord-Irak ab. Erst vor wenigen Tagen bombardierte eine türkische Drohne eine gemeinsame Militärbasis der US-Army und der kurdisch geführten SDF-Verbände. Amerikaner und Kurden kämpfen gemeinsam gegen den Islamischen Staat, der lange von der Türkei gesponsert wurde. In Nord-Syrien halten sich laut mena-watch schätzungsweise 1.000 US-Soldaten auf. Auch deshalb zeigte sich das US-Verteidigungsministerium „besorgt über eine mögliche türkische Bodenoperation in Syrien“. Gemeinsame Einsätze von US-Soldaten und SDF-Kämpfern gegen den IS seien eingestellt worden, da die SDF sich auf die Abwehr einer möglichen türkischen Invasion vorbereiteten, schreibt mena-watch.
Laut der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) finanziert WM-Ausrichter Katar mit zehn Milliarden US-Dollar die anstehende türkische Invasion. Geld für die islamistischen Söldner. Das islamistische Golf-Emirat unterstützt die Ziele des türkischen Kriegspräsidenten, nämlich die Vertreibung der Kurden aus Nord-Syrien. GfbV-Fachmann Kamal Sido wirft Erdogan vor, Nord-Syrien „ethnisch säubern“ zu wollen, es soll „kurdenfrei“ werden. „Der türkische Machthaber scheint zu bestimmen, welche Volksgruppe wo leben darf oder auch nicht“, erklärt Sido.
Sido wirft Katar vor, im Nahen Osten sunnitische Islamisten zu finanzieren. Es findet ein Schulterschluss statt, mit dem sunnitischen Islamisten Erdogan. „Er hat Angst, die Wahlen im nächsten Jahr zu verlieren. Die Invasion ist für ihn auch ein Mittel im Wahlkampf und er kann damit eine neue Fluchtwelle auslösen, mit der er Europa erpressen kann“, warnt Kamal Sido.
Der Putin vom Bosporus, er laviert gekonnt zwischen der EU, der NATO und Russland, kümmert sich nicht um die Sorgen im Brüsseler Hauptquartier. Er weiß, er kann tun was er will, wie der ungarische Ministerpräsident Orban. Deshalb wird er seinen nord-syrischen Plan umsetzen. Im Westen werden dann die Hilfsorganisationen Bürgerinnen und Bürger bitten, mit Spenden die neuen Flüchtlinge zu unterstützen. Es ist zum Schämen.
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