Rassistisches Lateinamerika – Teil 2

Indigene Kraft in Ecuador: Die Conquista geht weiter. Dagegen wehren sich die selbstbewussten Nachfahren der Eroberten.

Von Wolfgang Mayr

Im zweiten Teil zur Serie „Rassistisches Lateinamerika“ folgen die Länder Ecuador, Kolumbien und Venezuela. Die dortige Linke empfindet indigene Organisationen nicht nur als Konkurrenz, oft auch als Feinde.

Die indigenen Organisationen in Ecuador spielen schon seit längerer Zeit eine bedeutende Rolle im politischen Leben. Seit dem Zusammenschluss der verschiedenen indigenen Organisationen in der Conaie ist die indigene Stimme unüberhörbar geworden. 

Bei den letzten Wahlen brach die regierende CREO völlig ein. So konnte die Partei Revolución Ciudadana (RC) des früheren Präsidenten Rafael Correa neun Provinzen für sich gewinnen und stellt die Bürgermeister der beiden größten Städte Guayaquil und Quito. Die Partei der Indigenen Organisationen, Pachakutik, gewann eine Provinz dazu und ging mit sechs Provinzen als zweitstärkste Kraft aus den Wahlen hervor.

Das Verhältnis zwischen der Conaie, Pachakutik und der Correa-Partei RC ist belastet. Die indigenen Aktivistinnen misstrauen Correa und seiner Politik. Conaie warf Correa vor, trotz seiner marxistischen Parolen Handlanger der Konzerne zu sein. Mit linken Parolen sicherte Correa den Besitzenden weiterhin die Macht im Land, kritisierten Conaie und Pachakutik. Auf Kosten der indigenen Bevölkerungsmehrheit. Correa-Nachfolger Guillermo Lasso verzichtet auf verbale pro-indigene Bekundungen und setzt wieder auf die bedingungslose Ausgrenzung der unbequemen indigenen Bevölkerungsgruppen. 

Auch auf Mord? Im Februar 2023 wurde Eduardo Mendúa auf offener Straße erschossen. Mendúa, Angehöriger der Kofán war im indigenen Dachverband Conaie für internationale Beziehungen zuständig. 

Enttäuschend das „linke“ Kolumbien

Die Erwartungen waren groß, die Enttäuschungen sind noch größer. Links-Präsident Gustavo Petro und seine Regierung mögen sich zwar von der bisherigen indigenenfeindlichen Politik der konservativen Vorgänger verabschiedet haben, Folgen hatte das keine.  So kommt die linke Solidaritätsplattform amerika21 zum Schluss, dass mit mehr als 450.000 gezählten Opfern 2022 in Kolumbien das Jahr mit den häufigsten gewalttätigen Angriffen gegen indigene Gruppen seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens in 2016 war.

Die Organización Nacional Indígena de Colombia ONIC stellte einen deutlichen Anstieg von Rechtsverletzungen gegenüber indigenen Gemeinschaften. Wie Freiheitsberaubung, Vertreibung und Schikanierung. Drohungen, Vernachlässigung durch den Staat, Schädigung indigener Territorien, Mord, Zwangsrekrutierung, sexueller Missbrauch, Selbstmord, Erpressung, Verschwindenlassen oder Entführung. 

Zu den Leidtragenden zählen 50 indigene Gruppen, besonders betroffen die Zenú, die Emberá und die Awá. Die Beobachtungsstelle für Menschenrechte der ONIC weist darauf hin, dass es „eine hohe Dunkelziffer gibt wegen der vielfältigen Schwierigkeiten, die die staatlichen Behörden bei der Erfassung haben“.

Linkes Venezuela?

Die heftige Wirtschaftskrise, nicht nur die Folge von US-Sanktionen, feuert den Ausbau des Bergbaus in den südlichen Landesteilen an. Betroffen von den rabiaten Erschließungen im Regenwald sind die indigenen Bevölkerungsgruppen, die trotz linken Regimes erfolglos um eine rechtliche Anerkennung ihrer Territorien kämpfen.

In der Verfassung sind zwar die indigenen Rechte verankert, genauso das Bekenntnis zum multiethnischen, multikulturellen und mehrsprachigen Charakter des Landes. Venezuela ratifizierte auch die ILO-Konvention 169 zum Schutz indigener Völker, erließ ein Rahmengesetz zugunsten der indigenen Völker. Auf dem Weg gebracht wurden auch Gesetze zu den Landmarkierungen, über indigene Sprachen und kulturelles Erbe. Diese Entwicklung gipfelte dann auch noch in der Gründung eines indigenen Ministeriums.

Papier ist geduldig, die Realität ist für die Ureinwohner-Völker bitter, brutal, mörderisch. Die Bildungszentrale politische Bildung fasst die Lage folgendermaßen zusammen: „Die Kriminalisierung, das Verschwinden und die Ermordung indigener Führer in den Gebieten haben drastisch zugenommen. Ein emblematischer Fall ist der von Lisa Henrito, einer Anführerin der Pemón, die von einem Militärbeamten beschuldigt wurde, eine sezessionistische Bewegung im Süden des Landes anzustacheln. Sie wird derzeit bedroht und verfolgt. 2018 wurden sechs Indigene im Staat Bolívar bei ihrem Versuch, Bergbauaktivitäten unter Kontrolle zu halten, ermordet“.

Die Armee des linken Staates geht auch gegen friedliche indigene Demonstranten im Amazonas vor. Trotz der schönen Worte in der Verfassung und den vielen anderen pro-indigenen Gesetze. Die regierende Linke in Venezuela ist mit ihrer realen Politik anti-indianisch, sie steht damit ganz in der Tradition der nationalistischen lateinamerikanischen revolutionären Bewegungen. Die Indigenen, die „Indios“, gelten als Überbleibsel der Kolonialisierung, die sich in die „nationalen“ Gesellschaften integrieren sollen.

(Teil 2 über den – auch von der Linken „gepflegten“ – anti-indigenen Rassismus in Lateinamerika. Teil 3 befasst sich mit Brasilien und Mittel-Amerika)

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