Radikal russifiziert

Die zehnjährige Besetzung der Krym verändert völlig die Demografie.

Von Wolfgang Mayr

In den völkerrechtswidrig annektierten ostukrainischen Regionen forcieren die Besatzungsbehörden die Russifizierung. Es gilt nur mehr die russische Sprache, es gelten nur mehr russische Pässe, es gibt nur noch russische Medien. Die Schulen funktionieren nach russischen Lehrplänen. Ein kolonialistischer “Übergriff”, die Blaupause dafür liefert die Krym.

Seit zehn Jahr verdrängen die Behörden des Besatzungsregimes die ukrainischen Einwohner:innen aus der russifizierten Gesellschaft. Mal mit “sanftem” Druck, viele unsinnige Behördengänge beispielsweise, meist aber doch repressiv.

Besonders im Visier der Besatzer sind die indigenen Krym-Bewohner, die Krimtataren. Laut Sarah Reinke von der GfBvsiedelten die Kolonial-Behörden mehr als 800.000 russische Staatsbürger auf der annektierten Halbinsel an, wahrscheinlich stramme Nationalisten, Putin-Gefolgsleute, die ihre Mission verfolgen. Die Krym, das “russische Herz”.

Während das Regime Vertrauensleute importierte, flüchteten mehr als 50.000 Angehörige der Krimtataren aus ihrer Heimat. Sie flüchten vor den russischen Behörden, die seit der Annexion der Halbinsel systematisch verfolgt werden. „Von 186 politischen Gefangenen sind 116 Krimtataren. 19 krimtatarische Journalisten wurden seit 2014 verhaftet. 16 von ihnen sitzen derzeit noch in Haft, häufig wurden sie zu 14 oder 15 Jahren verurteilt“, bezifferte Reinke die russische Repression: „Seit dem russischen Angriff auf die gesamte Ukraine 2022 werden besonders krimtatarische Rechtsanwälte gezielt schikaniert. Vielen wurde die Zulassung entzogen.“

Vor zehn Jahren, also vor der Annexion, operierten noch vier krimtatarische Medien: der erste krimtatarische TV-Sender ATR, die Nachrichtenagentur QHA, die Zeitung Avdet und derRadiosender Meydan FM. Die vier Medien wurden verboten, die Journalisten mussten fliehen, die blieben wurden verfolgt.

Zum zweiten Mal in der jüngeren Geschichte steht für viele Krimtataren die Existenz ihrer Nation auf dem Spiel: 1944wurden sie von der Roten Armee unter Stalin kollektiv deportiert, 44 Prozent der Deportierten kamen ums Leben,” erinnert Sarah Reinke, Osteuropa-Fachfrau der GfbV. Die Krimtataren sind inzwischen über die ganze Welt verstreut und versuchen, ihre Sprache, ihre Kultur und ihre Identität zu bewahren, beschreibt Reinke die schwierige Lage. Die Krimtataren sind mit der Ukraine solidarisch, verstehen sich als Bestandteil der ukrainischen Gesellschaft. Reinke wirft der deutschen Politik vor, die Krimtataren vor zehn Jahren schutzlos den russischen Besatzern überlassen zu haben.

Der freie linke Sender Radio Dreyeckland widmete dem zehnjährigen “Jubiläum” der Annexion der Krym eine erschreckende Analyse. Erschreckend auch deshalb, wie Linke und Pazifisten sich an einer klaren Verurteilung der Annexion herumdrücken. Und, Russland war erfolgreich, die völkerrechtswidrige Besetzung rasch zu verdrängen.  

Die Krimtataren hoffen auf Rustem Umjerow, seit September 2023 ukrainischer Verteidigungsminister. Sein Ziel ist es, die ukrainischen Grenzen von 1991 wieder herzustellen, zitiert “ukraine verstehen” den Minister: “Die Befreiung der Krym mag zwar vorerst eine weit entfernte Perspektive sein. Für kaum jemanden ist sie aber aufgrund des persönlichen Bezugs so wichtig wie für den Krimtataren Umjerow.”

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