(K)eine Staatenlösung für Kurdistan

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Von Wolfgang Mayr

Der unabhängige Nahost-Thinktank „mena-watch“ hat die Lage der kurdischen Nation analysiert. Fazit: Die Kurden wurden vom Westen immer wieder verraten.

Nach Auflösung des britischen Kolonialreiches auch im Nahen Osten wurden die Kurden zu einer Minderheit in den arabischen und persischen Nachfolgestaaten. Die Friedensverträge nach dem Ersten Weltkrieg nahmen keine Rücksicht auf nationalstaatliche Träume der Kurden.

Die kurdische Nation ist aufgesplittert, in Rojava in Syrien, in Süd-Kurdistan im nördlichen Irak, in Nord-Kurdistan in der Türkei und Ost-Kurdistan im Iran. Auch in den Nachbarländern gibt es teilweise recht umfangreiche kurdische Bevölkerungsgruppen.

„Wenn auf dem internationalen Parkett vom `Selbstbestimmungsrecht der Völker´ im Nahen Osten die Rede ist, geht es meist um die gewünschte Schaffung eines palästinensischen Staates. An die rund 30 bis 40 Millionen Kurden und ihren Anspruch auf Selbstbestimmung wird dabei kaum je gedacht – obwohl die Geschichte ihrer Unterdrückung in der Region die Forderung nach einem eigenen Staat weitaus dringlicher macht“, analysiert mena-watch.

Geschichte der Niederlagen

Die kurdische Geschichte ist eine Geschichte der Niederlagen, weil immer wieder Verrat im Spiel war, geopolitische Interessen wichtiger wogen als kurdische Unabhängigkeitswünsche. Der Nato-Staat Türkei führte in den letzten Jahrzehnten einen unerklärten Krieg gegen die kurdische Bevölkerung. Der islamistische Präsident Erdogan verschärfte letzthin den Druck, die Nato-Partner schweigen.

Auch der Iran setzt auf Repression, radikal seit der islamischen Revolution von 1979. Aber auch in der Schah-Ära ging der iranische Staat immer wieder gegen kurdisches Aufbegehren vor.

In Syrien konnten die Kurden im Schatten des Arabischen Frühlings und des darauf folgenden Bürgerkrieges ihre Heimat an der Grenze zur Türkei in eine autonome Region umbauen. Zu Gunsten der Türkei entzog aber US-Präsident Trump die Unterstützung für Rojava. Die Folge war der türkische Einmarsch in Afrin, das radikal ethnisch gesäubert wurde.  Verfolgt die Türkei dieses Ziel für das gesamte Nord-Syrien, für Rojava?

Gezielte Einmischung der Türkei

Einigermaßen stabil ist die Lage in der weitgehend autonomen kurdischen Region im Nord-Irak. Die beiden islamistischen Staaten, die sunnitische Türkei und der shiitische Iran mischen sich aber immer wieder in diese kurdische Region ein. Die Regionalregierung versucht mit ihrer Annäherung an die Türkei ihre Macht zu stabilisieren.

Die türkische Regierung vereinbarte mit der Demokratischen Partei Kurdistans von Masoud Barzani den gemeinsamen Kampf gegen PKK-Milizionäre und ihre mutmaßlichen Verbündeten in der Region. Barzani verpflichtete sich, im Einflussbereich seiner Konkurrenz-Partei Patriotische Union Kurdistans mit dem türkischen Geheimdienst zusammenzuarbeiten. Laut mena-watch sind gemeinsame militärische Operationen vorgesehen und die Ermordung von PKK-Mitgliedern. Die Türkei drängte darauf, alle PKK nahen Organisationen zu verbieten.

Also nicht nur der westliche Verrat verhinderte die kurdische Eigenstaatlichkeit, sondern auch die vielen internen Auseinandersetzungen und Spaltungen. In der autonomen Kurden-Region im Irak stehen sich Barzani und Talabani feindlich gegenüber, in der Türkei scheint die Assimilierung großer Teile der kurdischen Bevölkerung den Widerstand geschwächt zu haben. Im Iran tragen shiitische Fundamentalisten religiöse Zwistigkeiten in die kurdischen Gemeinden.

Auf Initiative der PKK entstand 1985 der Kurdische Nationalkongress (KNK) in Brüssel. Als Dachorganisation soll er die politische Arbeit der kurdischen Organisationen in den vier wichtigsten Ländern und in der kurdischen Diaspora koordinieren. So sollen Autonomie- bzw Unabhängigkeitsbestrebungen in den einzelnen kurdischen Regionen aufeinander abgestimmt werden. Kurdischen Organisationen kritisieren den Kongress als einen Arm der PKK. Die politischen Unterschiede verhinderten bisher – wohl auch von außen gesteuert – die Entstehung einer pan-kurdischen Nationalbewegung.

Die Zusammenarbeit zwischen den Barsani-Kurden und der Erdogan-Türkei zeigt deutlich, wie gespalten die kurdische politische Bewegung ist. Regionale Einzelinteressen überwiegen, pan-kurdische Überlegungen haben keine Chance. Und, schlimmer geht immer. Offensichtlich passt sich die autonome Region immer stärker den totalitären islamistischen Nachbarn an. So sind letzthin Mitglieder der LGBT+-Community Einschüchterungen, Drohungen, Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt, belegt der Menschenrechtsbericht für 2020 des US-Außenministeriums.

Trotzdem ist Irakisch-Kurdistan ein sicherer Ort für Flüchtlinge. Knapp eine Million Vertriebene lebt in der autonomen kurdischen Region im Irak. Zwei Drittel davon sind Binnenflüchtlinge aus anderen Teilen des Irak, ein Drittel sind Flüchtlinge aus anderen Ländern des Nahen Ostens aus.

Quelle: Mena-Watch

(K)eine Staatenlösung für die Kurden – ein Überblick (Teil 1) (mena-watch.com)

(K)eine Staatenlösung für die Kurden – ein Überblick (Teil 2) (mena-watch.com)

Demokratische Partei Kurdistans koordiniert sich mit Türkei gegen PKK (mena-watch.com)

 

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