Kein Plan B

Die katalanischen Unabhängigkeitsparteien zerlegen ihre Regionalregierung und gefährden damit auch die Autonomie.

Von Wolfgang Mayr

Die katalanische Regionalregierung ist auseinandergebrochen. Die Basis der Junts per Catalunya, JxCat stimmte mit knapper Mehrheit für das Ende der Koalition mit der katalanischen Linken der ECR. Die Junts, „Gemeinsam für Katalonien“, die Partei des abgesetzten Präsidenten Carles Puidgemont, ist eine Sammelpartei christdemokratischer und linksradikaler Gruppierungen.

Die ECR ist im Regionalparlament in Barcelona nun ohne Mehrheit. Die strikte Unabhängigkeitspartei CUP, eine radikale antikapitalistische Formation, entzog der Regionalregierung bereits ihre Unterstützung. Nach den Regionalwahlen unterstützten 74 Abgeordnete die Regierung, ECR und Junts-MandatarInnen, aber auch die CUP stimmte wahlweise dafür. Die ECR, stärkste Kraft, kann sich nur mehr auf ihre 33 Abgeordneten verlassen. Wohl das Ende dieser Regionalregierung.

Die katalanischen Basisbewegungen, die CUP und Junts werfen der ECR vor, für ihre Unterstützung der sozialdemokratischen Regierung in Madrid bisher nichts im Gegenzug erhalten zu haben. Es herrscht autonomiepolitischer Stillstand. Die „Katalanisten“ werfen dem Staat vor, weiter an der Repressionspolitik gegen die Unabhängigkeitsbewegung festzuhalten, genauso an den Prozessen gegen die Initiatoren des Selbstbestimmungsreferendum von 2017.

Zwischen der ECR, CUP und Junts ist das Zerwürfnis total. Die Perspektiven katastrophal. Schon beim Referendum, das die spanische Regierung als illegal erklärte, hatten die katalanischen Parteien keinen Plan B. Sie steuerten in die politische Sackgasse, hatten sich keine Alternative zurechtgelegt. Seitdem ist der politische Prozess in Katalonien eingefroren.

Die katalanische Hartnäckigkeit oder die kompromisslose Sturheit, so die Einschätzung der ehemaligen Südtiroler Landespolitikerin Martha Stocker, wurde für die Neofaschisten der Partei VOX der politische Nährstoff. Die politischen Enkel des Diktators General Franco lehnen den Regionalstaat ab und besonders die Sonder-Autonomien für Katalonien, das Baskenland und Galicien. Ein Staat, eine Nation, die VOX-Losung, die bei vielen SpanierInnen gut ankommt.

VOX hofft, im nächsten Jahr bei den Kommunal-, Regional- und Parlamentswahlen stärkste Kraft zu werden. Die Chancen dafür sind gut. VOX ist vernetzt mit dem RN von Marine Le Pen, mit den Fratelli d´ Italia von Giorgia Meloni, mit der ungarischen Fidesz-Partei von Viktor Orban und auch mit der AfD, kurzum mit der rechtsradikalen Parteienlandschaft in der EU. Die ECR geht auch deshalb realistischerweise davon aus, dass es 2023 keine Verhandlungen zwischen Madrid und Barcelona über einen neuen Status für Katalonien geben wird. Größer könnte der politische Scherbenhaufen gar nicht sein. Schon wieder kein Plan B. Politisches Versagen der „Katalanisten“.

Die ECR lehnt nach dem Bruch mit Junts die Forderung nach Neuwahlen ab. Die CUP kündigte aber bereits an, im Regionalparlament die Vertrauensfrage zu stellen. Zur Freude der spanisch-nationalistischen Parteien VOX und Ciudadanos, die die Chance nutzten werden. Für den Sturz. Gemeinsam mit Junts und CUP. Eine seltsame Allianz, die den spanischen Nationalisten Tür und Tor öffnet.

Bei den letzten Regionalwahlen erhielten die „Katalanisten“ 52 Prozent der abgegebenen Stimmen. Stimmen für die Unabhängigkeit. Davon sind die katalanischen Parteien wegen ihrer Streitigkeiten weiter entfernt denn je.

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