Incomindios recherchiert: Die düstere Geschichte der Residential Schools

Von Wolfgang Mayr

Incomindios hat in seinem Herbst-Magazin die brutale Assimilierung der Kinder der kanadischen First Nations aufgegriffen. Ende Mai ging die Meldung über den Fund von mehr als 200 namenlosen Kindergräbern auf dem Gelände der Kamloops Residential School in Kanada um die Welt. Ein schockierender Fund, der auch Schockwellen auslöste.

Die Politik der Entnationalisierung durch die Schulen in den USA und Kanada ist schon lange bekannt. In den USA befasste sich 1965 unter dem Vorsitz von Robert F. Kennedy ein Senatausschuß mit dem „indian boarding school“-System. In seinem Bericht an die Regierung nannte der Ausschuss nach zweieinhalbjähriger Arbeit das BIA-Bildungsprogramm „eine nationale Tragödie und eine nationale Herausforderung“ (nachzulesen in „Seit 200 Jahren ohne Verfassung“ von Claus Biegert).

In Kanada wurden 1990er Jahren zahlreiche  Misshandlungen indigener Kinder aufgedeckt. Mehrere Gerichte und Kommissionen befassten sich mit diesem Kapitel der kanadischen Geschichte. Doch erst die Leichenfunde sorgten für ein Höchstmaß an Beschämung und Kritik.

Incomindios-Schweiz forschte in der eigenen Geschichte nach: „Bald berichteten die Schweizer Medien von weiteren makabren Funden auf den Grundstücken ehemaliger Internate für indigene Kinder. Die Zahlen der vermuteten Gräber in Kanada und den USA kletterten in unfassbare Höhe, sind aber erst die Spitze des Eisbergs. Die Spuren führten auch in die Schweiz. Schweizer Missionare waren ebenfalls an der Zwangsassimilierung von indigenen Kindern durch die katholische Kirche beteiligt.“ Und die Kirche weigert sich bisher standhaft, sich für diese Verbrechen zu entschuldigen.

Mit diesem kollektiven Trauma wurden die Überlebenden, die betroffenen Hinterbliebenen, die Nachkommen allein gelassen. Der kanadische Premier Trudeau kündigte eine weitreichende Wiedergutmachung an, eine Trendwende in der Politik gegenüber den First Nations, bisher wurde davon aber kaum Überzeugendes umgesetzt.

„Aus gegebenem Anlass legen wir den Fokus in diesem Heft auf das Thema Residential Schools. Incomindios-Mitglieder stehen mit Betroffenen und deren Angehörigen in Kontakt und werden über die Entwicklungen berichten. In unseren Artikeln möchten wir Ihnen die Perspektive und Realitäten der Betroffenen näherbringen,“ schreibt Karin Kaufmann im Vorwort des Magazins.

Ein weiteres Thema sind die Folgen der Corona-Pandemie für indigene Völker. Sie zählen weltweit zu den Hauptopfern dieser Krankheit. Ihre Todeszahlen sind im Vergleich zur ihrer Bevölkerungsanzahl erschreckend hoch. Die staatlichen Gesundheitsdienste vergessen allzu gerne, also bewusst – siehe Brasilien – die indigenen Pandemie-Opfer.

US-Innenministerin Deb Haaland von den Laguna Pueblo erhielt aus dem Bundesstaat Washington einen acht Meter hohen Totempfahl. Geschnitzt haben ihn Künstler der Lummi Nation (Lhaq’temish), deren Territorium sich an der Küste bei Bellingham im Staat Washington befindet. Der Totempfahl soll die Regierung von Präsident Biden dazu bewegen, die für die indigenen Völker ökologisch und kulturell bedeutenden Gebiete zu schützen. Außerdem sollen Reservatsverwaltungen und indigene Gemeinden in Landnutzungsfragen konsultiert werden.

magazINC-56.indd (incomindios.ch)

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