In Indiens Norden eskaliert die Gewalt zwischen Meiteis und Kukis

In Manipur stehen sich zwei ethnische Gruppen unversöhnlich gegenüber, mit grausamen Gewaltakten zur Folge

Von Jan Diedrichsen

Es ist selten, dass Narendra Modi, der Regierungschef Indiens, sich politisch vom Parlament unter Druck setzen lässt. Dafür hat seine Partei Bharatiya Janata (BJP) eine zu komfortable Mehrheit und kann normalerweise auch im Parlament schalten und walten, wie sie will. Noch seltener kommt es vor, dass sich der Hindu-Nationalist Modi besorgt über die Entwicklung der vielen Völker Indiens gibt.

Der Konflikt im Norden Indiens brach im Mai zwischen den überwiegend hinduistischen Meiteis, der dominierenden ethnischen Gruppe des Bundesstaates, die in den Tiefebenen rund um die Hauptstadt Imphal lebt, und den hügelbewohnenden, hauptsächlich christlichen Kukis aus. Die Spannungen zwischen den Gruppen eskalierten, nachdem die von der BJP geführte Regierung des Bundesstaates einen Plan zur Ausweitung des Stammesstatus auf die Meiteis in Betracht zog, was ihnen die gleichen Vorteile verschaffen würde, die auch die Kukis genießen, darunter das Recht, Land in den Hügeln zu kaufen.

Die Oppositionsparteien wittern nun einen Hebel, um der Dominanz der BJP zu begegnen und erklären die Konflikte in Manipur zum „Problem für die nationale Sicherheit“ – eine Ansicht, die von vielen indischen Analysten geteilt wird, die davor warnen, dass die Konflikte auf die benachbarten Staaten in einer instabilen Region übergreifen könnten.

Die neu gegründete „India National Developmental Inclusive Alliance“, ein Zusammenschluss von Oppositionsparteien, beschuldigte Modi, die Gewalt mit „dreister Gleichgültigkeit“ zu behandeln, die seit Mai mehr als 180 Menschen getötet und mehr als 60.000 Menschen vertrieben hat.

Modis einzige Äußerungen dazu kamen letzten Monat, als er „Schmerz“ und „Wut“ über ein weit verbreitetes Video äußerte, das zeigt, wie zwei Frauen der Minderheit der Kuki von einer Menschenmenge nackt vorgeführt wurden.

Manipur ist einer der nordöstlichen Bundesstaaten, die als die „Sieben Schwestern“ bekannt sind, eine Region, die seit der Unabhängigkeit Indiens im Jahr 1947 von Konflikten geplagt wird. Der Bundesstaat grenzt an China und der Chin-Region in Myanmar/Burma, wo die Bewohner seit dem Militärputsch im Jahr 2021 in offener Revolte stehen.

Im Gegensatz zu früheren Konflikten im Nordosten, bei denen bewaffnete Aufständische gegen den Staat kämpften, hat der derzeitige Konflikt in Manipur zwei ethnische Gruppen gegeneinander aufgebracht, mit grausamen Gewaltakten, wie der Verbrennung von zwei Frauen und einem Kind in einem Krankenwagen und einem Mann, dessen Kopf auf einen Pfahl gespießt wurde.

Ein Übergreifen des Konflikts über Manipur hinaus auf andere Regionen im Nordosten droht, da die Kukis ethnisch mit den Mizos im indischen Bundesstaat Mizoram im Süden und mit den Chin im benachbarten Myanmar/Burma verwandt sind. Einige Mitglieder der Gruppe leben auch in Bangladesch.

Die Nagas, die zweitgrößte ethnische Gruppe Manipurs, haben sich größtenteils neutral  verhalten, aber Befürchtungen geäußert, dass sie hineingezogen werden könnten in die sich schneller drehende Spirale der Gewalt. 

Die Spannungen zwischen den Gemeinschaften haben sich auch in anderen Teilen Indiens verschärft, während Modi systematisch demokratische Institutionen schwächt und die Interessen der hinduistischen Mehrheit fördert. In der Nähe von Neu-Delhi kamen kürzlich bei Zusammenstößen zwischen Hindus und Muslimen mindestens sechs Menschen ums Leben.

Die Regierung hat vorerst etwa 50.000 Soldaten, bewaffnete Polizei und andere Sicherheitskräfte in den Staat entsandt, um Pufferzonen zwischen den kämpfenden Gemeinschaften zu schaffen.

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