Für die Ukraine

Vor einem Jahr ließ der russische Kriegspräsident seine Soldaten in die Ukraine einmarschieren. Die jüngste Offensive zeigt, dass Putin an seinem Ziel festhält. An der Vernichtung der Ukraine.

Von Wolfgang Mayr

Seit 2014 sind die Krim und zwei Verwaltungsbezirke in der Ost-Ukraine russisch besetzt. Seit dem 24. Februar 2022 sind es mehr als 20 Prozent des ukrainischen Territoriums.

Russland befreit seine „russischen Schutzbefohlenen“ von den ukrainischen Nazis, tönt der Kreml. Befreiung bedeutet am Beispiel Ukraine – Blaupause Syrien – Zerstörung von Dörfern und Städten, von Wohnhäusern, Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern, Theater, Supermärkten, die Vergewaltigung von Mädchen und Frauen, die Ermordung von Unbewaffneten, bedeutet die Deportation von Kindern nach Russland.

Mehr als 14 Millionen BürgerInnen – die Opfer – flüchteten vor den marodierenden russischen Soldaten, den Wagner-Söldnern und den Kadyrow-Killern – die Täter. 

Trotzdem drücken sich große Teile der Linken an einer konsequenten Verurteilung Russlands eiertanzend herum, irrlichtern von einem provozierten Krieg, machen die USA und die NATO als die eigentlichen Täter aus. Polit-Schwurbelei auf Kosten der ukrainischen Opfer.

Von linken Verharmlosern

Als im Herbst 2021 die russische Armee zehntausende Soldaten an der ukrainischen Grenze zusammenzog, konnte das linke online-Magazin telepolis keine Gefahr für die Ukraine erkennen. „Es ist offenbar egal, was die Russen dort treiben, das Urteil der Nato steht in jedem Fall fest: Jeder Aufmarsch von Truppen in Russland in der Nähe der Ukraine wird so behandelt, als ob die Ukraine bereits ein Teil der Nato sei,“ giftete telepolis. 

Entrüstet wiesen die telepolis-Linken die ukrainische Warnung vor einer westlichen Appeasement-Politik zurück. Denn Putin ist kein neuer Hitler, „dem wir Antifaschisten Einhalt gebieten müssen.“ Ein neuer Hitler nicht, wohl aber ein neuer Stalin. Das fällt wohl aus dem Tätigkeitsbereich der Antifaschisten der Marke Telepolis. 

Telepolis empfahl großzügig deutsch arrogant der Ukraine neutral zu bleiben zwischen dem „westlichen Block“ und Russland. Die NATO versuche aber alles, wusste Telepolis, die Ukraine aufzurüsten und an das Bündnis heranzuführen. Ein Fall von NATO-Aggression: „Ob ein russischer Angriff auf die Ukraine tatsächlich vor der Tür steht, wie es uns die US-Geheimdienste und die Biden-Regierung glauben machen wollen, lässt sich nur schwer beurteilen. Was sich aber sicher sagen lässt ist, dass die Situation überaus heikel ist und dass viele der russischen Vorwürfe, die derzeit so empört als Hirngespinste zurückgewiesen werden, alles andere als aus der Luft gegriffen sind.“ 

Linke Putin-Lautsprecher 

Telepolis, ein Kreml-Lautsprecher in Deutschland? Ja, zweifelsohne. Das Magazin zitierte den stellvertretenden Außenminister Sergej Rjabkow, Russland habe „keine Intentionen, die Ukraine anzugreifen.“ Das NATO kritische Magazin hinterfragt alle westlichen Positionen, nicht aber die russischen. Ganz in diesem Sinne räumt Telepolis der Erklärung des russischen Außenministeriums von Mitte Dezember 2021 breiten Raum ein, erstveröffentlicht in den marxistischen „Jungen Welt“. Russland wirft darin der NATO vor, die ukrainischen Schützlinge zu aggressiven Schritten anzutreiben. 

Völlig blind und Kreml hörig, offensichtlich empfinden diese Linken den pompösen Mafia-Staat Russland als proletarisch, die rote Fahne samt Hammer und Sichel zählt ja den Armee-Aufmärschen, genauso die Huldigung von Stalin-Denkmälern. Dieses Russland scheint noch immer ein Sehnsuchtsland bestimmter Linker zu sein. Inzwischen auch für europäische und US-amerikanische Rechte. Kriegspräsident Putin hantiert mit völkischen „Ideen“, mit Rassismus, Militarismus und militantem Schwulenhass. Ein toxischer Cocktail.

Deshalb verwundert es auch nicht, dass die Linke Zeitung den rechten Blogger und Corona-Schwurbler Thomas Röper den „angeblichen Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze“ kommentieren ließ, als NATO-Kriegspropaganda: „Deutsche Medien überschlagen sich seit über einer Woche mit Meldungen, russische Truppen würden an der Grenze zur Ukraine aufmarschieren. Erstens ist das unwahr, wie die präsentierten Satellitenbilder beweisen, und zweitens wird der Aufmarsch von Nato-Truppen in der Ukraine verschwiegen.“

Seit einem Jahr eskaliert Russland massiv seinen Krieg gegen die Ukraine. Derzeit steht die Ukraine mit dem Rücken zur Wand. Es schaut nicht gut aus, dieser Eskalation kann die Ukraine wenig entgegensetzen, trotz der Ankündigungen von EU und NATO, mit robusten Waffen die ukrainische Verteidigung zu stärken. Vielleicht wollen die angeblichen Verbündeten gar nicht, dass die Ukraine diesen Angriffskrieg erfolgreich zurückschlägt. 

Bröckelnde Solidarität

In der EU rumort es, gegen die europäische Solidarität für die Ukraine. Der rechte ungarische Ministerpräsident Orban ist keine Ausnahme, sondern die Speerspitze. Links- und rechtsradikale Parteien stehen – aus unterschiedlichen Gründen – auf Putins Seiten, gegen die USA. Die deutsche Linke, die italienische Lega, das französische RN. Die rechtsradikale AfD, die weichgespülten Erben der Nazis, positioniert sich als Friedenspartei gegen europäische und US-amerikanische Waffenlieferungen. Der völkische Putin ist der AfD näher als der liberale Demokrat Joe Biden. Eine Neuauflage einer alten Achse, 1939, der Hitler-Stalin-Pakt.  

Die Feministin Alice Schwarzer und die Linke Sahra Wagenknecht wenden sich mit ihrem „Manifest für Frieden“ gegen die weitere „Eskalation der Waffenlieferungen“. Ähnliches schwafelt der sächsische CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer, stellvertretend für viele ostdeutsche CDU-PolitikerInnen. Die Feministin, die Linke und der CDUler haben eine Botschaft: “Wenn wir aufhören der Ukraine Waffen zu liefern, können sie auch nicht mehr solange Widerstand leisten. Dann muss verhandelt werden. Und der Krieg endet dann.” Egoistisch, kaltschnäuzig, Propaganda im Sinne Putins. 

Sie empfehlen beiden Seiten, dem Täter und seinem Opfer, Kompromisse. Wahrscheinlich soll die Ukraine auf die annektierte Krim sowie auf die besetzten südlichen und östlichen Teile verzichten, Russland auf einen westlichen Weitermarsch.

Die „Volksverpetzer“ kommentieren diese Aufrufe zur Kapitulation folgendermaßen: „Die naive und brutale Forderung, dem kriegstreibenden Diktator doch einfach gewinnen zu lassen, wird durch pseudo-pazifistische Rhetorik kaschiert. Im Endeffekt nutzen die Forderungen aus der Petition vor allem einen: Putin.“

Beim serbischen Eroberungskrieg in Bosnien in den 1990er Jahren bestrafte der Westen Bosnien mit einem Waffenembargo. Während nämlich die serbischen Milizen von Serbien und Russland hochgerüstet waren, verfügte die bosnische Armee nur über geringe alte jugoslawische Bestände. Das Ergebnis ist bekannt, Massenvergewaltigungen, Massenmorde, Vertreibungen, zerstörte Dörfer und Städte, die Opfer meist Zivilisten. Ein Friedhofs-Frieden war die Folge, offensichtlich streben die westlichen Putin-Freunde dies auch für die Ukraine an.

Derzeit versucht die publizistische Linke, mit den Rechtsradikalen im Schlepptau, ihre alte Mär weiterzustricken. Verzweifelt versucht Telepolis die USA zum Kriegstreiber hochzuschreiben, dem russischen Ukraine-Krieg zum Trotz. Immer wieder behauptet Telepolis, die USA sind für die Sprengung der Ostsee-Pipeline verantwortlich. Das soll US-Journalist Hersh der Biden-Regierung vorwerfen. Die pro-russischen Weichspüler von Telepolis huldigen ihrem Kriegspräsidenten, Superstar Putin, der grüne Toni Hofreiter hingegen wird zum Kriegshetzer. 

Putins nützliche Idioten

Ähnlich die „linken“ Nachdenkseiten, die recht offensiv mit dem russischen Propagandasender RT zusammenarbeiten. Der russische Krieg wird ausgeblendet, die Ukraine mit einem russischsprachigen jüdischen Präsidenten und ebenfalls russischsprechenden jüdischen Ministerpräsidenten zum Nazi-Monster hochgeschrieben. Auf selbstgestellte Fragen wie „warum unterstützen die USA seit etwa 20 Jahren die Ukraine“ oder „haben sie es darauf angelegt, den Beitritt der Ukraine zur NATO voranzubringen“ und „haben die USA Putin provoziert“ gibt Nachdenkseiten zu erwartende Antworten. 

Und, der rechte Thomas Röper vom „Verschwörungs“-Organ „Anti-Spiegel“ darf ungestraft die russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine wegschreiben.

Solche Beispiele gibt es noch viele. Die Journalistin MELINA BORČAK brachte es drei Tage nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine auf der Seite der „Volksverpetzer“ auf den Punkt: „Was Medien beim Berichten zur Ukraine falsch machen“:

„Hoffentlich ist dies nun gut erklärt und Redaktionen hören auf, Putins Behauptungen mit Fakten gleichzustellen. Es gibt aber auch eine andere Seite der Medaille:

Wenn Fakten als Behauptungen aufgestellt werden. Zum Beispiel: “Die Ukrainische Regierung betrachtet die Gebiete im Osten als eigenes Staatsgebiet unter Okkupation.” Klar betrachtet sie es so, weil es so ist. Es ist einfach Fakt.

Kaum Länder außer Russland erkennen die Unabhängigkeit der “Volksrepubliken” an. Diesen Fakt als “Sicht der ukrainischen Seite” darzustellen ist journalistisch ebenfalls nicht korrekt.

Das waren Analysen zu Berichterstattung ohne Fehler. Aber zu guter Berichterstattung gehört viel mehr, als keine Fehler zu machen. Es ist sehr wichtig, die heutigen Geschehnisse historisch zu kontextualisieren – nicht nur durch den Krieg seit 2014. 

Der Holodomor, Stalins Genozid an Ukrainern, kostete vier Millionen Menschenleben. Die Vertreibung und der Genozid an Krimtataren, einer muslimischen Volksgruppe aus der Ukraine gehört auch dazu. Auch die Russifizierung der Ukraine, Unterdrückung während der Zeit der Sowjetunion sowie Kolonialisierung sind tief ins Ukrainische Gedächtnis eingebrannt. Menschen, deren Großeltern Genozid überlebten und über das Grauen berichteten, haben weitere Motive, um hart und entschlossen gegen eine neue Invasion Putins zu kämpfen – egal ob sie christliche oder muslimische Bürger*innen der Ukraine sind. 

Das ist historischer Kontext, der untrennbar zur ukrainischen Geschichte gehört, wie die Berliner Mauer oder die NS-Zeit zur deutschen.“ 

Das Zentrum Moderne Liberale ruft am Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine (24. Februar) in Berlin am Brandenburger Tor zu einer Kundgebung auf: „Jeder Krieg ist eine humanitäre Katastrophe. Aber in diesem Fall führt der Weg zu einem gerechten Frieden nur über ein Scheitern der russischen Aggression. Die demokratische Welt muss ihr Gewicht in die Waagschale werfen, damit die Ukraine diesen Krieg gewinnen kann.“

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