13-06-2024
Die Rückkehr der Vergangenheit
Sie sind wieder zurück, die “National-Sozialisten”
Von Wolfgang Mayr
Eindrucksvoll haben die beiden politischen Extremisten, die AfD und das BSW, ihre Stärke bewiesen. Bei den Europawahlen positionierte sich die AfD als zweitstärkste deutsche Partei, nicht weit davon entfernt das Bündnis Sahra Wagenknecht.
Beide Parteien wurden – trotzdem oder gerade deshalb – gewählt, weil sie dezidiert pro-russisch, aber anti-amerikanisch sind, beide anti-ukrainisch und in weiten Teilen auch anti-israelisch und antisemitisch.
Wählende stimmten trotzdem oder auch gerade deshalb für die AfD, weil die SS geschätzt wird, weil die kommunistische Volksrepublik China offensichtlich als Vorbild gilt: Turbo-Kapitalismus, Ein-Parteien-Staat, Totalüberwachung, Entnationalisierungs- und Assimilierungspolitik in Tibet, Ost-Turkestan, Innere Mongolei, Bedrohung der demokratischen Insel-Republik Taiwan.
Beide Parteien manifestierten beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Bundestag ihre Russland-Hörigkeit. Sie, die ständig von Friedensverhandlungen schwärmen, verweigerten dem Präsidenten des von Russland überfallenen Landes den Dialog. AfD und BSW, nützliche Idioten des Putin-Regimes, die die Normalisierung der Respektlosigkeit pushen. Und trotzdem wächst der Zuspruch. “Die Welt” beschreibt diese radikale rechte und radikale linke Klammer im Parlament als “Putins Hufeisen des Grauens”. AfD und BSW, Putins willige Helfer. Sie wollen die Unterwerfung der Ukraine.
Dunkelrot, bräunliche Zwischentöne
Die AfD-“Patrioten” beschimpften Selenskyj als Bettelpräsidenten. Ausgerechnet jene, die sich von Russland für ihre demokratiefeindliche Politik bezahlen lassen. Die BWS-Linke fühlt sich mit dem proletarischen Russland verwandt. Geistige Verwandtschaft kommt ohne Rubel aus. Der konservative Journalist Gabor Steingart beschreibt das BWS farbentheoretisch als dunkelrot, mit bräunlichen Zwischentönen. Gleichzeitig lobt er in seinem konservativen Ampel-Frust die AfD blindlings, erkennt nicht, dass das AfD-Blaue nur das tiefschwarze und braune verdeckt.
Sie sind wieder zurück, fast hundert Jahre danach, die politischen Erben der Nazis. Das BSW ähnelt dem “linken” Strasser-Flügel der NSDAP, die AfD jener NSDAP, die sich vor ihrem Wahlsieg 1933 den Bürgerlichen anbiederte.
Laut einer Studie gibt es überraschend viele Gemeinsamkeiten zwischen AfD und BSW-Wählenden. Sie sind mit der Demokratie unzufrieden, was das auch immer heißen mag und stehen der USA besonders kritisch gegenüber. Die Befragung ergab außerdem, dass überdurchschnittlich viele Wählende der beiden Parteien eine geringe Bildung genossen haben und wenig verdienen.
Überrepräsentiert sind laut der erwähnten Studie in beiden Gruppen zudem Männer, die sich gegen die Zuwanderung aus islamischen Ländern vehement aussprechen. Die AfD positioniert sich zudem in Minderheitenfragen konsequent deutschnationalistisch, anti-sorbisch.
Rot-bräunlich die eine Seite, schwarz-braun die andere Seite, hier wächst zusammen, was zusammengehört. Das Nationale und das Sozialistische.
Italien macht es vor
Vorreiter war Italien 2022, wie schon 1922. Giorgia Meloni – sie war von 2008 bis 2011 Jugend-Ministerin in der Regierung Berlusconi – formte aus ihrer rechtsradikalen Splitterpartei Fratelli d´ Italia eine Regierungspartei, die die italienischen Parlaments- und die Europawahlen deutlich gewann. Mit ihrem “Volksvotum” will sie die Republik umbauen, per Wahlgesetz dem Wahlsieger – also ihrer Partei – einen satten Mehrheitsbonus garantieren. Um Meloni und ihre Fratelli bemühen sich engagiert EVP-Chef Manfred Weber von der CSU, CSU-Vorsitzender Markus Söder wie auch die bisherige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von der CDU. Brandmauer ade.
Bandelt die EVP mit der Fraktion der sogenannten Konservativen und Reformer (mit dabei Fratelli d´ Italia, die polnische PIS; die Schwedendemokraten, die bulgarische IMRO, die spanische Vox, u.a.) an, wird die EU in einen russischen Vorhof umgebaut. Dafür wird dann auch noch die verbündete Fraktion “Identität und Demokratie” sorgen, die europäische Plattform des französischen RN, der österreichischen Freiheitlichen, der italienischen Lega und anderer rechtsrechter Gruppierungen. Keine Protestparteien, sondern rechte Parteien, die wegen ihrer rechtsrechten Positionierung gewählt werden.
Diese Wählenden und die Wahl-Verweigerer:innen drücken Europa weg von den USA, hin zu Russland, wollen ein anderes Europa, nicht das aktuelle mit all seinen Fehlern, kein liberales, schon gar kein öko-soziales Europa. Die Vereinigten Staaten von Europa, wahrscheinlich ein Horror für die Nationalstaats-Anhänger.
Vorbild Russland
Sie, dieser Putin-Fanclub, leistet für den Kreml wertvolle Vorarbeit. Die Folgen? Können im “Schwarzbuch Putin” von Stephane Courtois und Galia Ackerman nachgelesen werden. Die Autoren skizzieren seine Machtübernahme nach als Komplott ehemaliger Agenten des KGB, dem 700 000 Mitarbeiter angehörten.
Sie beschreiben die entscheidende Rolle der „Silowiki“, Putins Vertrauten aus Armee und Geheimdienst. Sie hätten die Attentate von 1999 inszeniert, die tschetschenischen Terroristen angelastet wurden. Mit den Silowiki und den Oligarchen funktioniert das System Putin wie die Mafia. Und die orthodoxe Kirche gibt ihren Segen. Dieses Russland scheint das ersehnte Modell von AfD und BSW zu sein.
Galia Ackerman wirft der deutschen Polit-Elite zwischen SPD und CDU vor, gegenüber Putin blind gewesen zu sein. Wegen der deutschen Kriegsverbrechen in der Sowjetunion: “Sie übersehen, dass Russland nicht der einzige Erbe der Sowjetunion ist. Belarus und die Ukraine haben unter der Invasion der Wehrmacht ebenfalls gelitten. Sie blieben jedoch eine Art weißer Fleck für die deutsche Ostpolitik. Dabei hätte Deutschland eine ebenso große Verantwortung für die Ukraine,” erinnerte Ackerman im Interview mit der österreichischen Tageszeitung “Der Standard” an die verheerenden Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht und der bewaffneten Terror-Verbände des Dritten Reichs in der Ukraine.
Zur angesprochenen Elite zählt auch die deutsche Wirtschaft, die lange mit Russland und den KGB kontrollierten Konzernen schwungvollen Handel betrieb. Stichwort Wintershall, Nord Stream, usw. Die Wirtschaftskapitäne kümmerten sich nicht um das imperialistische Gehabe ihrer russischen Partner, das Geschäft brachte ja Profite. Handel durch Wandel, dahinter versteckten sich die deutschen Wirtschaftspartner Russlands.
Auch das “Handelsblatt” las sich ins “Schwarzbuch Putin” ein und fand diese wesentliche Botschaft: “In nur 22 Jahren habe sich das „sogenannte postkommunistische Russland“ unter Putin in eine „destruktive Macht“ verwandelt, deren wichtigster Exportartikel die Angst sei”.
Stephane Courtois und Galia Ackerman erinnern in ihrer “Chronik einer angekündigten Diktatur”, dass auch 22 Jahre später die von Putin angeführte Gruppe – der abservierte Generalstaatsanwalt Skuratow nannte sie kriminell – keinen Deut an Macht verloren habe.
Und genau für dieses Russland engagieren sich AfD und BSW, die Freiheitlichen in Österreich, die Lega in Italien, das Rassemblement National in Frankreich und Viktor Orban in Ungarn. Düstere Aussichten für das demokratische Europa.
Siehe auch: Charkiv im Brennpunkt; Bilder vom Krieg; Krieg in der Ukraine – Leseempfehlungen; dekoder unerwünscht in Russland
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