Der Kosovo als Pulverfass

Vorbereitungen für außerordentliche Wahlen in vier Gemeinden Nordkosovos mit serbischer Mehrheit sorgen für Unruhe

Von Belma Zulcic, Gesellschaft für bedrohte Völker, Sektion Bosnien und Herzegowina

Die angespannte Situation der vergangenen Monate im Kosovo hat in den letzten Tagen einen neuen Höhepunkt erreicht. Auch wenn als Anlass für die Unruhen die Entscheidung über Autokennzeichen genannt wird, sind die eigentlichen Gründe vor allem in den Vorbereitungen für außerordentliche Wahlen in vier Gemeinden Nordkosovos mit serbischer Mehrheit zu sehen.

Die Regierung Kosovos fordert einheitliche Autokennzeichen für alle Bürger Kosovos, auch serbische Bürger im Norden Kosovos, Serbien hingegen gibt weiterhin eigene Autokennzeichen mit Namen der Kosovo-Städte an alle serbischen Bürger Kosovos aus. Nachdem zahlreiche Verhandlungen gescheitert sind, hat die Regierung Kosovos entschieden, eine einseitige Regelung einzuleiten, die Ermahnungen und Bußgelder für all jene Bürger bedeuten würde, die bis Anfang November 2022 nicht die Kosovo-Kennzeichen akzeptieren sollten.

Daraufhin sind serbische Vertreter, unter ihnen auch Polizisten, aus Protest aus den Institutionen Kosovos ausgetreten. Auch die neuen Verhandlungen unter Vermittlung des Hohen Repräsentanten der EU für Außenpolitik und Sicherheit, Josep Borell, die einen Schein des Erfolges hatten, führten vor Ort zu keiner Veränderung.

Seit der am 10.Dezember 2022 erfolgten Verhaftung des serbischen Polizisten Dejan Pantic, der bis Anfang November 2022 und dem kollektiven Austritt der serbischen Polizisten aus der Polizei Kosovos Teil der Polizeikräfte Kosovos war, dauern Proteste der lokalen serbischen Bevölkerung der nördlichen Gemeinden Kosovos an. Pantic wird von den kosovarischen Institutionen vorgeworfen, an einem Angriff auf die Zentrale Wahlkommission Kosovos in Mitrovica (Nord) und die Polizei Kosovos teilgenommen und damit einen terroristischen Akt verübt zu haben.

Die serbischen Demonstranten haben Barrikaden an zwei Grenzübergängen zwischen Kosovo und Serbien (Jarinje und Brnjak) aufgestellt und verhindern so den Verkehr von Menschen und Gütern. Die Anspannungen sind zusätzlich gewachsen, als am 10./11.Dezember bis jetzt unbekannte Personen Feuer auf die EU-Friedenstruppen (EULEX) eröffnet haben. Für weitere Anspannungen hat auch die Regierung Serbiens gesorgt, als der Präsident Serbiens, Aleksandar Vucic, die Aussendung der Armee Serbiens nach Kosovo angekündigt hat.

Der Premierminister Kosovos erklärt, dass die Barrikaden nicht endlos lange hingenommen werden können und gewaltsam aufgelöst werden müssen. Gleichzeitig protestieren die Politiker Serbiens gegen eine gewaltsame Auflösung der Barrikaden und fordern, dass KFOR etwa 1.000 Polizisten und Soldaten der Armee Serbiens erlaubt, das Gebiet Nordkosovos zu betreten mit der Begründung, dass die Polizei Kosovos im Norden des Landes Kosovos verstärkt anwesend ist. Noch gibt es keine Entscheidung diesbezüglich, aber es wird angenommen, dass der Forderung Serbiens nicht stattgegeben wird, da in solchen Umständen ein offener Konflikt ausbrechen könnte. Währenddessen spricht in einer solchen Situation niemand mehr über den sog. „französisch-deutschen Plan“, der als Verhandlungsbasis für neue Friedensgespräche zwischen Serbien und Kosovo dienen soll. Dieser Plan beinhaltet vor allem die gegenseitige Anerkennung aller Dokumente und Symbole der beiden Staaten (darunter Ausweise, Reisepässe, Diploma, Zollstempel und Autokennzeichen) wie auch die Erklärung, dass die Souveränität der beiden Staaten gegenseitig respektiert und es keinen Versuch geben wird, den anderen Staat vertreten zu wollen. Dies bezieht sich vor allem auf den Versuch Serbiens, Kosovo weiter international zu vertreten. Weiter beinhaltet der Plan die Erklärung Serbiens, sich nicht der Mitgliedschaft Kosovos in jeglicher internationalen Institution zu widersetzen.

Nun scheint es jedoch, dass die Regierung Serbiens bewusst die erneute Krise auf dem Kosovo und die Proteste der serbischen lokalen Bürger dafür nutzt, die Verhandlungen zu obstruieren und eine bessere Verhandlungsposition für sich zu erlangen. Vor allem gegen Deutschland und seine Politiker, die sich stark für eine Auflösung der aktuellen Krise und die gegenseitige Anerkennung Serbiens und Kosovos einsetzen, werden heftige Worte gesprochen. Präsident Vucic und die Außenministerin Ana Brnabic sprechen in den letzten Tagen von einem Versuch Deutschlands, eine völlige Domination über den Balkan zu erlangen wie auch über ihre angeblichen antiserbischen Ressentiments.

Das Putin-Regime verfolgt natürlich die Situation auf dem Kosovo intensiv und spricht immer wieder Unterstützung für die Regierung Serbiens und die lokale serbische Bevölkerung im Kosovo aus. Russland würde die Entflammung eines neuen Konfliktes in Europa sehr gelegen kommen, um zum einen von eigenen Verbrechen in der Ukraine abzulenken und zum anderen, um die Position Westeuropas zu schwächen, indem man sich mit einem weiteren Konflikt beschäftigen müsste.

Ganz sicher ist jedoch, dass die Regierung Serbiens mit Aleksandar Vucic die serbische Minderheit im Kosovo wieder einmal ausnutzt, um die Krise weiter zu entfachen, weil sie einfach keine Idee haben, wie sie der Bevölkerung Serbiens eingestehen sollen, dass das Kosovo für Serbien verloren ist. Die gesamte Politik der aktuellen Regierung Serbiens (wie auch aller früheren) basiert nämlich auf dem Kampf für Kosovo und seine Nichtanerkennung. Deshalb versucht auch die aktuelle Regierung unter Vucic, noch ein Mandat mit Kosovo zu „überleben“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website ist durch reCAPTCHA geschützt und es gelten die Datenschutzbestimmungen und Nutzungsbedingungen von Google

Zurück zur Home-Seite