Das greifbare Ende der „grünen Hölle“

Teil 2: Die autochthonen Völker im Amazonas-Becken drängen auf rasche Maßnahmen gegen die Zerstörung

Von Wolfgang Mayr

Der neue linke brasilianische Präsident Lula da Silva und die neue kolumbianische Links-Regierung kündigten eine Kehrtwende an. Darauf hoffen im Amazonas besonders die mehr als 500 indigenen Völker. Gregorio Díaz, Angehöriger der Wakuenai Kurripaco in Venezuela und Vorsitzender des Dachverbands der indigenen Organisationen des Amazonasbeckens, COICA, drängt auf rasches Handeln. Er und weitere Angehörige indigener Völker und Forschende aus neun Amazonasländern formulierten die klaren Forderungen: Mehr als zwei Drittel des Amazonasgebiets müssen bis 2025 geschützt werden. Die Zeit drängt.

Schutzloser Amazonas

Die Ausgangslage: 255 Millionen Hektar sind weder Schutzgebiete noch anerkannte indigene Territorien. Carmen Josse vom Amazonas weiten Netzwerk RAISG in Ecuador betont, dass Gebiete ohne Schutzkategorie dem stärksten Raubbau unterworfen sind. RAISG fordert deshalb Anerkennung der wichtigen Rolle der indigenen Völker zum Schutz des Amazonas. Diese wird weder von der wissenschaftlichen Gemeinschaft noch von den Klimaschützern zur Kenntnis genommen.

Die ungebremste Entwaldung zerstört den Regenwald, die Artenvielfalt, Kultur und Sprache der indigenen Völker. Damit geht auch das jahrtausendealte Wissen verloren. Die Amazonas-Region steht für ein Drittel der weltweit größten biologischen Vielfalt, speichert 20 Prozent des weltweiten Süßwassers und erzeugt 20 Prozent des Sauerstoffs der Erde.

Auf ihren Amazonas-Gipfel schlugen die Vertreter der indigenen Völker Alarm, das Herz des Weltklimas ist gefährdet. Wie auch die indigene Existenz. Sie wollen endlich als Partner wahr- und zur Kenntnis genommen werden. Für die autochthonen Amazonas-Völker ist der Schutz des Amazonas nur möglich, wenn die Staaten endlich indigene Territorien anerkennen. In den indigenen Schutz-Territorien bleibt das Öko-System intakt, bestätigen Studien des Netzwerkes RAISG.

Mehr als die Hälfte des schutzlosen Amazonasgebiets steht unter permanentem  Druck. Sowohl von Seiten der Staaten als auch von starken Interessengruppen: Für zwei Drittel der Entwaldung ist die Landwirtschaft verantwortlich. Der Rest teilt sich auf Bergbau und Erdölförderung auf. 

Die Bedrohung ist also vielfältig: Goldschürfer, Landsuchende, Holzfäller, Straßen, Bahntrassen, Viehbarone und Sojaunternehmer. Auch die Verbrauchenden im Norden tragen Verantwortung mit ihrem Konsum von Soja, Mais und Fleisch. Der Norden unterstützt damit das Agrobusiness und die brasilianische Politik, deren Gesetze erst das gezielte Eindringen in die indigenen Gebiete forcierte. Der Anbau von Soja vernichtet den Regenwald, der Einsatz von Pestiziden ist verheerend für Flora und Fauna. 

Der Reichtum wird geplündert und exportiert, die Bevölkerung vor Ort zählt nicht zu den Nutznießern. Im Gegenteil, andere profitieren über alle Maße, die Autochthonen hingegen verarmen.

Sofortiger Erschließungsstopp

Ihre Forderungen an die Lula-Regierung – und nicht nur – sind unmissverständlich: 100 Millionen Hektar indigener Gebiete, deren Ausweisung samt Abgrenzung und Rechtstitel verhandelt wird oder bereits geplant ist, müssen sofort anerkannt werden. Für die mehr als 250 Millionen ungeschützten Hektar soll ein Erschließungsstopp gelten. Außerdem sollen künftig Schutzgebiete von indigenen Völkern und staatlichen Behörden gemeinsam verwaltet werden. Die Annullierung der horrenden Auslandsschulden der Amazonasländer soll an die Bedingung gekoppelt werden, dass 80 Prozent des Amazonasgebietes geschützt werden. 

Der von der Amazonas-Dachorganisation COICA formulierte „Globale Pakt zur Rettung des Amazonasgebietes“ wird von der Organisation „Rettet den Regenwald“ mit einer Petition unterstützt: „Die Weltgemeinschaft muss handeln und einen globalen Pakt zum Schutz von 80 % des Amazonasgebietes bis 2025 beschließen.“ 

Quellen: GfbV, amerika21, nachrichtenpool lateinamerika

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