China des Völkermords überführt: Über Schuld bestehen keine Zweifel, Begrifflichkeit bleibt umstritten

Von Jan Diedrichsen

Nach einjähriger Beweisaufnahme und mehrtägigen Verhandlungen kommt das „Uiguren-Tribunal“ in London zu dem Schluss, dass es sich bei der Behandlung der Uiguren und anderer ethnischer Minderheiten in Xinjiang / Ostturkistan um ein Menschheitsverbrechen handelt. Der internationale Menschenrechtsanwalt Geoffrey Nice, der Vorsitzende des Uiguren-Tribunals, verkündete das Urteil des Gremiums: Die Politik Chinas stelle in der Region eine Form von Völkermord dar.

 

Die (englische) Zusammenfassung der Urteilsbegründung

Hier das Urteil im Wortlaut

 

VOICES berichtete aus den Verhandlungen und zu den Hintergründen des Tribunals in London:

Genozid? Tribunal berät in London über Verbrechen an Uiguren

 

Auch die Gesellschaft für bedrohte Völker meldete sich zu Wort: Angesichts massiver Menschenrechtsverletzungen dürfe „das Duckmäusertum der Merkel-Jahre keinesfalls fortgesetzt werden“, erklärte Jasna Causevic.   Systematische Verbrechen, vor allem an der uigurischen Bevölkerung der nordwestchinesischen Provinz Xinjiang, seien inzwischen zweifelsfrei dokumentiert, hieß es weiter. „Die Opfer des unmenschlichen Lager-Systems wurden gefoltert, vergewaltigt, sterilisiert. Nicht vereinzelt, sondern hundertausendfach“, sagte die GfbV-Referentin für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung, Jasna Causevic. „Einen Staat, der Menschenrechtsverletzungen dieser Größenordnung organisiert und mit erheblichem Ressourcenaufwand durchführt, kann man nicht partnerschaftlich behandeln“, betonte Causevic.

Dieses harsche Verdikt teilt der „zivilgesellschaftliche Gerichtshof“ in London ausdrücklich: Peking verfolge eine „absichtliche, systematische und konzertierte Politik“, um die Bevölkerung der Uiguren und anderer ethnischer Minderheiten zu reduzieren“, so das Gremium aus Anwälten, Akademikern und Aktivisten.

Das Uyghur-Tribunal kommt zu den Schluss, dass die chinesische Regierung durch Maßnahmen wie erzwungene Geburtenkontrolle und Sterilisationen beabsichtige, die überwiegend muslimische uigurische Gemeinschaft und ihre Lebensweise teilweise zu zerstören, und dass der chinesische Präsident Xi Jinping und andere hochrangige Beamte „die Hauptverantwortung für die Handlungen in Xinjiang“ trügen.

In der Urteilssprechung heißt es unmissverständlich, dass die chinesischen Behörden im Rahmen einer umfassenden ethnischen Assimilierungskampagne mindestens eine Million Uiguren und andere Minderheiten in Internierungslager gesperrt haben.

Peking, das an dem Verfahren nicht teilgenommen hat, bezeichnete es als Provokation durch chinafeindliche Kräfte. In einer Erklärung des chinesischen Außenministeriums hieß es, das Ergebnis des Gremiums sei „eine politische Farce, inszeniert von einer Handvoll verachtenswerter Individuen“. Die chinesische Regierung hat Vorwürfe der Misshandlung von Uiguren zurückgewiesen und behauptet, sie bekämpfe Terrorismus und Separatismus und die Lager dienten der „Berufsausbildung“. Der Gerichtsvorsitzende Geoffrey Nice sagte, das Gremium habe die chinesische Regierung wiederholt angeschrieben und zur Teilnahme an den Anhörungen eingeladen.

Die neun Mitglieder des Gremiums – drei Wissenschaftler, zwei Juristen, zwei Ärzte, ein Geschäftsmann und ein ehemaliger Diplomat – erklärten außerdem, dass sie „ohne begründeten Zweifel“ zu dem Schluss gekommen seien, dass die chinesische Regierung Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen die ethnische Minderheit der Uiguren begangen habe, und beriefen sich dabei auf Zeugenaussagen über Vergewaltigungen, Folter und Zwangsabtreibungen sowie auf Beweise für Masseninternierungen und die Trennung von Familien.

Nach der Definition der Völkermordkonvention der Vereinten Nationen umfasst Völkermord „die Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu vernichten“. Die Verwendung des Begriffs zur Beschreibung von Chinas Politik in Xinjiang, der Heimat von rund 14 Millionen turksprachigen Uiguren und anderen überwiegend muslimischen Minderheiten, war und ist weiterhin ein Streitpunkt in der rechtlichen und öffentlichen Debatte. „Das Wort Völkermord hat einen gewissen Schockwert, weil die meisten Menschen das Wort mit den Massentötungen des Holocaust assoziieren“, sagte Björn Alpermann, Professor für Chinastudien an der Universität Würzburg in Deutschland, der es vorzieht, Chinas Politik in Xinjiang als „kulturellen Völkermord“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu bezeichnen.

An der Schuld die auf China lastet besteht jedoch seit langem keine Zweifel mehr.

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