28-03-2025
„Wenn die Geschichte sich selbst parodiert“
Grönland rückt zusammen: Die Wahl stärkt Befürworter der Eigenständigkeit, und es finden sich alle Parteien in einer gemeinsamen Erklärung wieder. Auslöser ist auch Donald Trumps Rückfall in alte Machtfantasien. Eine Einordnung von Jan Diedrichsen

Von Jan Diedrichsen
Philip Roth hätte es nicht besser schreiben können. Der 1933 geborene Schriftsteller war ein Meister der Satire und ein Chronist amerikanischer Absurditäten. In „Our Gang“, erschienen kurz nach dem Nixon-Skandal im Jahr 1971, ließ er einen US-Präsidenten einen grotesken Krieg gegen Dänemark vom Zaun brechen. Die absurde Begründung: Erik der Rote sei einst ohne Erlaubnis an Amerikas Küste gelandet – ein dreister Akt, der nun, Jahrhunderte später, gesühnt werden müsse.
Roth war bekannt für seinen scharfsinnigen Humor und seine gnadenlose Demaskierung der Macht. „Our Gang“ war eine wütende Farce, eine überzeichnete Abrechnung mit Nixon, dessen Spitzname Tricky Dick Roths fiktiven Präsidenten Trick E. Dixon inspirierte. In bester Satire-Tradition entlarvte er das hohle Pathos politischer Rhetorik und zeigte, wie sich Machtspiele ins Absurde steigern – bis hin zum nuklearen Angriff auf Kopenhagen. Und doch liest sich sein Werk heute wie eine unheimliche Vorahnung. Die Realität hat die literarische Fantasie längst eingeholt. Was einst groteske Überspitzung war, wirkt heute beinahe prophetisch. Denn wenn ein US-Präsident öffentlich vorschlägt, ein Land einfach zu kaufen, dann ist das nicht mehr Satire – sondern Wirklichkeit.
Grönlands Wahl – ein Aufbruch mit Signalwirkung
Grönland steht wieder im Fokus. Die Parlamentswahl vom 11. März 2025 hat die politischen Kräfteverhältnisse verschoben. Neue Akteure haben an Einfluss gewonnen, etablierte Kräfte Verluste hinnehmen müssen. Auffällig ist der Zuspruch für Parteien, die Grönlands Eigenständigkeit stärken wollen. Der Wunsch nach Veränderung und einer klaren Haltung gegenüber Dänemark und der Welt zeigt sich im Wahlergebnis. Die Unabhängigkeit bleibt ein zentrales Thema – und hat mit diesem Wahlausgang an Dynamik gewonnen.
Doch das Wahlergebnis ist mehr als ein Einschnitt. Es ist eine Kampfansage: Grönland will nicht länger Objekt fremder Interessen sein, sondern sein Schicksal selbst bestimmen. Brisant wurde die Lage durch Donald Trump. Wenige Wochen vor der Wahl holte er seine alten Fantasien aus der Schublade: Er wolle Grönland kaufen oder zumindest unter US-Kontrolle bringen, ließ er verlauten – eine Drohung zwischen geschäftsmännischer Dreistigkeit und geopolitischer Provokation.
Schulterschluss gegen äußere Einflussnahme
Seine Worte fielen nicht auf taube Ohren, sondern heizten die ohnehin angespannte Souveränitätsdebatte weiter an. In Nuuk führte das nun zu einer beispiellosen Einigkeit. Erstmals in der jüngeren Geschichte unterzeichneten sämtliche Parteivorsitzenden – von konservativen Verbleibsbefürwortern bis zu radikalen Unabhängigkeitsverfechtern – eine gemeinsame Erklärung. Darin verurteilten sie Trumps Äußerungen als inakzeptable Einmischung in grönländische Angelegenheiten.
Doch damit nicht genug: Die Erklärung wurde von einer Demonstration vor dem US-Konsulat in Nuuk begleitet – ein symbolträchtiger Protest, der international für Aufsehen sorgte. Die Botschaft, die an diesem Tag über Grönlands eisige Straßen hallte, war unmissverständlich: Grönland wird nicht zur Verhandlungsmasse – weder für Trump noch für sonst wen. Mit der Wahl hat das Land nicht nur eine neue Richtung eingeschlagen, sondern auch gezeigt, dass es sich fremden Machtspielen widersetzt. Die Frage ist nur: Wie lange kann es standhalten?
Philip Roths Trick E. Dixon musste am Ende seines Romans in der Hölle gegen Satan antreten – ein zynisches Echo auf die politischen Manipulationen seiner Zeit. Heute hingegen stehen wir vor einer realen Weichenstellung: Wird Grönland seinen Unabhängigkeitskurs fortsetzen? Oder wird es erneut zum Spielball geopolitischer Interessen? Die Antwort liegt nicht in der Satire, sondern in der harten Realität einer Welt, in der Machtansprüche wieder mit brutaler Kaltschnäuzigkeit formuliert werden.
Die Realität bleibt absurd – so sehr, dass man sich wünscht, sie wäre nur ein Roman.
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