16-03-2023
Versprechen und Verbot
Autonomistische Kors:innen können sich nur wundern, über die französische Politik und Justiz

Von Wolfgang Mayr
In einem Jahr soll Korsika autonom werden, verspricht der Staatspräsident. Gleichzeitig verbietet das Verwaltungsgericht in der korsischen Stadt Bastia das Korsische im Insel-Parlament. Wie geht das zusammen? Doch der Reihe nach.
Staatspräsident Macron wagt nicht nur eine höchst umstrittene Rentenreform. Der Präsident will sein Versprechen einlösen und Korsika Autonomie „gewähren“. Immer wieder versprochen, immer wieder aufgeschoben. Macron betonte, dass es für sein Reform-Vorhaben keine Tabus und keine vorgegebenen Lösungen gibt, um den politischen Konflikt auf Korsika zu lösen.
Er peilt also die Autonomie an, aber mit zwei Vorgaben. Korsika bleibt Teil Frankreichs und auf der Insel darf es keine zwei Kategorien von Bürger:innen geben, also echte oder falsche Kors:innen. Präisidenziale rote Linien.
Der Staatspräsident regte ein Treffen der französischen Regierung mit korsischen Politikern an, um die unterbrochenen Gespräche wieder fortzusetzen. Er erwartet sich einen entsprechenden Vorschlag, den er ihn seine Verfassungsreform einbauen will. Der Staatspräsident denkt an eine Abänderung der zentralistischen Verfassung zugunsten einer korsischen Autonomie. Die vor einem Jahr angestoßenen Gespräche sind im vergangenen Oktober abgebrochen worden.
Gegen rote Linien
Die korsische Regierungskoalition Femu a Corsica begrüßte den Präsidenten-Vorstoß als einen Hoffnungsschimmer. Femu appellierte an Präsidenten Macron, die korsischen Wahlergebnisse ernst zu nehmen, auch als Wunsch nach Selbstverwaltung. Bei den letzten drei korsischen Wahlen erhielten die autonomistischen und Pro-Unabhängigkeitsparteien die meisten Stimmen. 2021 sogar 68% der Stimmen.
Die wichtigste Unabhängigkeitsformation Core in Fronte und Femu wiesen die von Macron postulierten „roten Linien“ vehement zurück. Core in Fronte will im künftigen Statut auch das Recht auf Selbstbestimmung festschreiben. Beide Parteien drängen auf darauf, dass das geplante Statut unmissverständlich festlegt, dass das Regionalparlament über weitreichende Gesetzgebungsbefugnisse verfügen muss.
Die autonomistischen Wahlsiege blieben bisher nicht folgenlos. So nutzen die korsischen Institutionen die korsische Sprache, die korsischen Ortsnamen verdrängten die französischen und italienischen Ortsnamen, zum Beispiel Ajacciu statt Ajaccio oder Portivechju statt Porto-Vecchio. Korsisch ist inzwischen auch der offizielle Webauftritt, www.isula.corsica, statt www.ile-de-corse.fr.
Verhängtes Sprachverbot
Während der Staatspräsident Autonomie-Gespräche anregte, ging das Verwaltungsgericht von Bastia gegen die korsische Sprache vor. Die Richter wandten sich gegen die Gleichstellung von Korsisch und Französisch im korsischen Parlament. Korsisch im Parlament widerspreche Artikel 2 der Verfassung, der Französisch als Sprache der Republik festlegt.
Es war der ehemalige Präfekt Pascal Lelarge, der sich mit einer Eingabe an das Verwaltungsgericht wandet. Der Präfekt als französischer Sprachenwächter, der sich gegen die vom Inselparlament einstimmig beschlossene sprachliche Gleichstellung wandte. Ein eklatantes Beispiel für die Schwächung einer Minderheitensprache.
Regierungspräsident Gilles Simeoni und Parlamentspräsidentin Marie-Antoinette Maupertuis kritisierten den Urteilsspruch als ein Sprachverbot. Für sie ist die Umsetzung „undenkbar“.
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