03-09-2021
Verfolgt von Staat und Multis: Die guatemaltekische Aktivistin Lolita Chavez aus Ixim Ulew musste aus ihrer Heimat fliehen
Von Wolfgang Mayr
Chavez überlebte bereits mehrere Mordanschläge. Sie ist aktiv für die Rechte der Maya-Völker, für Frauenrechte und für den Schutz der Umwelt. Offensichtlich eine Gefahr für Staat und multinationale Konzerne. Für ihr Engagement erhielt sie den Romero-Menschenrechtspreis der katholischen Kirche.
Das Leben im Exil ist hart, erzählt Chavez. „Es ist schwer, so zu leben, auch, weil man keinen Ort hat, an dem man dauerhaft bleibt. Immer neue Orte kennenzulernen, ist zwar schon auch schön, aber wenn die Menschen einem mit Hass begegnen und sich rassistisch verhalten, ist es schwer auszuhalten. Wenn sie kein Bewusstsein für die vielen Privilegien haben, die sie genießen, und nicht teilen wollen.“
Chavez vermisst ihre Heimat, das Gemeinsame, die ländlichen Gemeinschaften. Es fehlt ihr ihr Volk, weil das „Volk ist meine Inspiration, die Gemeinschaft und die Geschichte sind meine Identität.“ Sie beschreibt ihre Leute als tapfer, mutig, rebellisch und hoffnungsfroh: „Unsere Großeltern sagen, dass unser Volk nicht untergehen wird, sondern dass wir aus der Unterdrückung geeint hervorgehen werden, und das gibt mir Hoffnung. Wir haben Völkermord erlebt, ich habe einen heftigen Krieg erlebt, wir haben in diesem Krieg gekämpft. Es geht darum, lebendig zu bleiben und für kosmische Gerechtigkeit zu sorgen, hier und jetzt. Das ist es, was mein Volk ausmacht.“
Chavez wirft dem guatemaltekischen Staat vor, das Land an die Multis zu verkaufen. Den Protest dagegen versucht die Regierung mit Anti-Terror-Gesetzen nieder zu schlagen. „Es ist uns gelungen, viele Lizenzen für den Bergbau, für forstwirtschaftliche Projekte und Wasserkraftwerke zu stoppen. „In meinem Dorf wurden 32 Lizenzen genehmigt, und wir haben es geschafft, die Projekte zu stoppen,“ freut sich Chavez. Die Multis freuen sich darüber weniger.
Chiavas hofft im fernen spanischen Asyl, dass ihre Landsleute einzuschätzen wissen, was Bergbau bedeutet, für das Wasser, für die biologische Vielfalt, für die Umwelt und Leben. Wo Bergbauunternehmen schürfen, warnt Chavez, „wird auch Gift freigesetzt, und das Böse wandert, wie unsere Großeltern zu sagen pflegten: Es dringt ein in unsere Knochen, unser Blut und unser Herz.“
Dafür, für den Widerstand gegen raubbauende Konzerne, 7 stehen die Bewegungen nun unter sehr großem Druck. Aus der Wirtschaft und der Politik gab es viel Gegenwind, und das Militär ist auch gegen uns,“ berichtet Chavez dem Nachrichtenpool Lateinamerika.
Die Regierung nutzt den Klimawandel und die globale Erwärmung für den rabiaten Abbau von Rohstoffen, mit negativen Folgen für die biologische Vielfalt. Der Vorwurf von Chavez: „Sie finanzieren kriminelle und paramilitärische Strukturen, die mit dem Drogenhandel in Verbindung stehen. Und sie finanzieren die Anschaffung weiterer Rüstungsgüter, mit denen sie mein Volk angreifen.“
Dieser unerklärte Krieg der Elite in Gutamala gegen die Quiche und andere kleinen Völker findet in ganz Lateinamerika statt, ist Lolita Chavez überzeugt. Sie verweist auf die Gewalt gegen die Mapuche in Chile, auf die Gewaltspirale auf Haiti, in Kolumbien und in Honduras. Chavez wirft den dort operierenden Konzernen in dieser Ländern vor, auch recht ungeniert mit der Drogen-Industrie zu kooperieren.
Chavez spricht vom Krieg um die Energieversorgung, um begehrte Rohstoffe. „Dabei erleben wir einen enormen Rückschlag im Hinblick auf die Achtung der Menschenrechte, der kollektiven Rechte, des Rechts auf Land, auf Leben, auf Wasser, ja sogar auf Luft,“ kritisiert Chavez. MitstreiterInnen wurden ermordet, verhaftet, wie zum Beispiel in Nicaragua, „mit Folter und allem Drum und Dran.“ Eine unglaubliche Entwicklung, in Nicaragua ist ein linkes Regime an der Macht. „“Wir dachten immer, so etwas passiert nur mit rechten Regierungen, ein Irrtum,“ distanziert sich Chavez von der lateinamerikanischen Linken. Diese gebährden sich antiamerikanisch, streben aber nur eine Akkumulation von Macht an. Für Chavez ist klar, der Machtmissbrauch, die schlechte Regierung, die Militarisierung, das ist alles von den Invasoren abgekupfert. Ihr Vorwurf: „Das Lebensmodell, auf das sie sich beziehen, ist das des Unterdrückers, des Invasoren, das Modell Europas, und es spielt keine Rolle, ob rechts oder links.“
Die Quiche Chavez kritisiert die Justiz ihres Landes als rassistisch. Die Eingabe von Quiche-Organisationen an die Staatsanwaltschaft wurden nie verfolgt. Genauso wenig aktiv wurde die Interamerikanische Menschenrechtskommission, die Gewalt in Guatemala an AktivistInnen – besonders indigene – zu untersuchen. Stattdessen wirft der Staat und seine Organe UmweltschützerInnen, Gewerkschafts-und Bauern-AktivistInnen vor, Terroristen zu sein.
Chavez erhebt schwere Vorwürfe an die Multis, ihre Arbeitsplätze sind menschenunwürdig, sie zerstören die biologische Vielfalt. Es ist deshalb auch kein Wunder, dass Menschen aus Guatemala fliehen, nordwärts in die USA oder ostwärts nach Europa: „Wir fliehen in ihre Länder, weil wir in unseren überfallen werden“, begründet Chavez die Migration, die Landflucht. Entsetzt zeigt sich Chavez über die Ausbeutung der vielen Latinas in den europäischen Haushalten. Sie sind rechtlos, und das in Rechtsstaaten.
Quelle: Nachrichtenpool Lateinamerika. Die Plattform weist darauf hin, dass das Interview mit Lolita Chavez im Rahmen eines von der Agentur für Internationale Entwicklungszusammenarbeit Extremadura (AEXCID) finanzierten Projekts geführt wurde. Lui Lüdicke übersetzte das Gespräch.
bpb.de – Dossier Lateinamerika – Peru – Soziale Bewegungen
Indígena und Politik im Andenraum: Peru (kas.de)
Indigene Bewegungen und Demokratie – GRIN
Wer ist in Peru „indigen“ ? | Informationsstelle Peru e.V. (infostelle-peru.de)
Ich möchte nicht auf dem Friedhof oder im Gefängnis enden | ila (ila-web.de)
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