Teilung als Friedenspolitik?

Der alte neue US-Präsident Donald Trump setzt auf die Spaltung der Ukraine

Von Wolfgang Mayr

Als Schattenkabinett steht die neue US-Regierung schon bereit. Die Ernennungen zeigen, wohin die Reise geht. Auch für die ferne Ukraine, die Präsident Trump nicht sonderlich interessiert.

Trump ernannte den pensionierten General Keith Kellogg zu seinem Sondergesandten für die Ukraine. Trump und Kellogg wollen den Krieg schnell beenden, auf Kosten der Ukraine. Sie soll auf die annektierte Ost-Ukraine und auf die Krym verzichten.

Trump-Freund Wladimir Putin will aber mehr, die Zerschlagung der Ukraine, das sagen seine engen Vertrauten, die schäumenden Moderator:innen in den russischen Staatsmedien, sie wollen die Ukraine von der Landkarte tilgen. Putin ließ außerdem wissen, dass er mit dem ukrainischen Präsidenten sicherlich nicht verhandeln wird, ihm fehle die demokratische Legitimation.

Das sagt ein “Staatsmann”, der politische Gegner aus dem “Weg räumen” ließ, der die Wahlen manipuliert, der den Staat “führt” wie einen Mafia-Konzern und die Nachbar-Staaten militärisch bedroht und bedrängt. 

Das Trump-Team leistet für Putin wertvolle Vorarbeit, für einen russischen Sieg. So verweist die ukrainische Zeitung Jewropejska Prawda auf einen Bericht von Kellogg, der bereits im April 2024 vom America First Policy Institute veröffentlichte wurde. Kellogg wirft der Biden-Regierung vor, den Krieg in der Ukraine nicht verhindert zu haben, etwa durch eine Vereinbarung mit Putin, auf den NATO-Beitritt der Ukraine zu verzichten.

Außerdem seien die ukrainischen Streitkräfte nach Beginn der russischen Invasion nicht ausreichend bewaffnet worden. Für Kellogg und seine Mit-Autoren der Beweis, dass die Ukraine für die USA einen “Stellvertreterkrieg” mit Russland zu führen. Eine doch schräge Logik.

Zudem habe die Biden-Administration keine 

Friedensverhandlungen zwischen Kyjiw und Moskau initiiert. Laut Kellogg gab es die Möglichkeit dazu, beispielsweise Ende 2022. Stattdessen ziehe sie den Krieg mit ihrer militärischen Unterstützung in die Länge, mit immer mehr Todesopfern.

Trump wird dafür sorgen, ist Kellogg überzeugt, daß ein Waffenstillstand vereinbart wird. Die Ukraine verliert zwar die russisch besetzten und annektierten Regionen, “es würde aber niemand mehr sterben (Zitat Trump).”

Chaos und Gewalt durch Teilung

US-Professorin Nina L. Khrushcheva warnt vor der Teilung der Ukraine. Für die Urenkelin des Sowjet-Diktators Chruschtschow führt die Aufspaltung der Ukraine zu Gewalt und Chaos, analysiert sie in ihrer historischen Warnung auf IPG. Mit Mut und Dynamik verteidigen die Ukrainer:innen seit dem russischen Überfall 2022 ihr Land und seine Integrität, schreibt Khrushcheva. 

Was könnte also eine Teilung der Ukraine bewirken? Ihre Antwort: “Angesichts des Ausmaßes der menschlichen und wirtschaftlichen Verluste, die sie erlitten haben, wird es ihnen schwerfallen, sich stillschweigend mit der Idee einer Teilung abzufinden – insbesondere, da der russische Präsident Wladimir Putin kein Hehl aus seiner Ansicht gemacht hat, dass die Ukraine nicht lediglich ein ´Nachbarland` sei, sondern ´dass die moderne Ukraine vollständig von Russland geschaffen wurde` und daher nur unter dem Dach Russlands existieren sollte.”

“too little – too late”

Frieden und Stabilität ist laut Professor Khrushcheva nur möglich, wenn die Ukraine ohne langwierige Umwege sofort in die NATO aufgenommen wird. Ähnliche Thesen vertreten Marieluise Beck und Ralf Fücks in ihrem Buch “Deutsch-ukrainische Geschichten. Bruchstücke aus einer gemeinsamen Vergangenheit”. 

Sie ist eine Geschichte, die nicht vergeht. Eine Geschichte auch von Vernichtungskriegen, wie der aktuelle russische Krieg. Dessen Ausgang ist auch deshalb ungewiss, sind Beck und Fücks überzeugt, weil der Westen mit seinem chronischen “too little – too late” die Ukraine in einen verlustreichen Abnutzungskrieg zwingt. “Weil er nicht sehen will, dass die Ukraine auch für unsere Freiheit kämpft, gegen die autoritäre Allianz aus Russland, dem Iran und Nordkorea mit China im Hintergrund.”

Die beiden Autoren widersprechen der Putin-“These”, dass die Ukraine ein “künstlicher Staat” ist. So war die Ukraine nicht immer Teil des russischen Reichs, Kyjiw ist älter als Moskau, belegen Beck und Fücks anhand historischer Daten ihren Widerspruch zur russischen fake history. 

Ein ukrainisches Selbstbewusstsein bildete sich seit dem 17. Jahrhundert heraus, die erste ukrainische Republik wurde 1918 ausgerufen. Mit den wiederholten Kampagnen zur Russifizierung der Ukraine wurde die ukrainische Sprache in eine Nische gedrängt, mit der Schoah das Jiddische ausgelöscht. 

Die Autoren erinnern daran, dass Hitler und Stalin – jeder auf seine Weise – einen Vernichtungsfeldzug gegen das Land führten. Das verdrängen die Enkel Hitlers und Stalins, die AfD und das BSW. 

Blaupause Tschetschenienkrieg

Putin-Protege Boris Jelzin legte den Grundstein für den modernen russischen Imperialismus, fertigte eine Blaupause für spätere Kriege an. Vor 30 Jahren, am 11. Dezember 1994, überfiel die russische Armee die “autonome Republik” Tschetschenien im Kaukasus. Der erste Tschetschenienkrieg begann. Laut Memorial starben mehr als 50.000 Zivilisten. Die Behörden spielten die Zahl der Opfer herunter. 

Schon dieser erste Tschetschenien-Krieg war ein Lauf entgrenzter Gewalt, dokumentierte Galina Kowalskaja in ihren Reportagen für die Zeitschriften „Nowoje Wremja“, „Itogi“ und andere Publikationen. Kowalskaja war in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny, als die siegreichen russischen Truppen einrückten. Sie war die Chronistin der Aggression Russlands in der kleinen Republik. 

Der zweisprachige Internet-“Zeitung” Meduza widmete der Geschichte von Kowalskaja und ihren Reportagen zum Tschetschenienkrieg ein lesenswertes Dossier: “Hier fürchten sie sich vor … ihrem eigenen Schatten, vor ihrer Vorstellungskraft”. Die russische Armee testete im ersten Tschetschenienkrieg den flächendeckenden Terror gegen die Zivilbevölkerung, es war der Probelauf für den zweiten zehnjährigen Tschetschenienkrieg, den Wladimir Putin orchestrierte. Noch rücksichtsloser, noch gewalttätiger und brutaler. Ein weiteres “Handbuch” für Putins Kriege.

Der georgische Alptraum

In Russland sind die Wahlen getürkt, also kann davon ausgegangen werden, auch in Georgien. Dafür sorgen die verschiedenen russischen Dienste. Das machten sie lange erfolgreich in der Ukraine, wie auch bei den jüngsten Wahlen in Georgien und in der Republik Moldau.

Seit den Parlamentswahlen am 26. Oktober protestieren tausende junge Georgier:innen gegen den möglichen Wahlbetrug. Wie einst auch in der Ukraine, wo der Protest letztendlich in den Euro-Maidan mündete. Auch dann noch versuchten ukrainische Geheimdienstleute und ihre russischen Paten mit gezielten Tötungen den Protest zu brechen.

Inzwischen agiert auch die georgische Polizei rücksichtslos, Demonstrant:innen werden krankenhausreif geschlagen. Für die Regierung sind die Protestierenden Vaterlandsverräter, die im Sold des westlichen Auslands stehen. 

Ist Georgien für Putin das Modell für eine Nachkriegs-Ukraine? Seit dem russischem Krieg gegen Georgien 2008 stehen zwei georgische Regionen – Süd-Ossetien und Abchasien – unter russischer Kontrolle. Dort kommandieren Statthalter aus Moskau. Der russische Griff ist aber auch außerhalb dieser russlandfreundlichen Regionen zu spüren. In Tiflis regiert der pro-russische “Georgische Traum”, gehegt und gepflegt von Moskau. Pflegeleicht, das Vorbild für die neue Ukraine, nach dem russischen Sieg.

Die ukrainische Zeitung Jewropejska Prawda findet, dass das georgische Volk das legitime Recht hat, die verfassungsmäßige Ordnung wieder herzustellen. Wie es scheint, können sich die Gegner der georgischen Regierung aber nicht auf den Westen verlassen. Denn, es gibt keine westliche Strategie. Setzt sich in Georgien Russland durch, verliert die Ukraine einen weiteren Partner in der Nachbarschaft.

Russische Repression auf der Krym

Ein Fünftel des ukrainischen Territoriums sind russisch besetzt und annektiert, also russisches Staatsgebiet. Das Leben unter dem Besatzungsregime ist unerträglich, es herrscht Gewalt und ein Klima der Angst. Der russische Staat läßt Kinder ukrainischer Familien entführen, Deportation als Russifizierung einer Generation.

Trotzdem genießt Russland einen guten Ruf im Süden der Welt. Das kolonialistische Russland biedert sich dem “globalen Süden” als antikolonialistischer Partner an. Dabei handelt Russland im eigenen Land als rücksichtsloser Kolonialherr, besonders gegen die “kleinen Völker” Sibiriens. 

Russland ist rücksichtslos gegenüber den nationalen Minderheiten. Der russische Staat praktiziert im eigenen Land einen assimilatorischen Kolonialismus.

Im russischen Visier die indigenen Völker, von Sibirien bis zur Krym, der Heimat der Krymtataren. Die 1944 vom stalinistischen Regime deportierten Krymtataren gelten bei den russischen Behörden als pro-ukrainische Bevölkerungsgruppe. Ein Großteil der Deportierten und ihrer Nachfahren kehrten ab 1991 – nach der staatlichen Unabhängigkeit der Ukraine – auf die Krym zurück. Die demokratische Ukraine ermöglichte eine krymtatarische Renaissance, die durch die Annexion der Halbinsel gestoppt wurde.

Nicht nur, krymtatarische Aktivist:innen werden verfolgt, bedroht, Krymtatar:innen werden schikaniert und drangsaliert. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) weist darauf hin, dass Krymtataren unrechtmäßig inhaftiert wurden und werden: “Die Krim ist seit über zehn Jahren von Russland besetzt. Seitdem nimmt die Repression gegen die indigene Bevölkerung der Krym – die Krymtataren – stetig zu. Von insgesamt 218 Inhaftierten sind 132 Krymtataren, obwohl sie mittlerweile nur noch zehn bis 12 Prozent der Bevölkerung ausmachen”, betonte Sarah Reinke von der GfbV am Tag der Menschenrechte. Diese Zahl zeigt laut Reinke die systematische Verfolgung der Krimtataren durch Russland.

Die GfbV veröffentlichte ein Memorandum zur Menschenrechtslage auf der Krym, in dem die Verfolgung und Inhaftierung der Krymtataren dokumentiert ist. “Die Systematik der Verfolgung und die Schikane der politischen Häftlinge sind eklatant”, schlägt Reinke Alarm. Als besonders erschreckend bezeichnet Reinke die sehr hohen Haftstrafen von 15 bis 20 Jahren. Wegen der unmenschlichen Haftbedingungen, wegen verweigerter medizinischer Versorgung, Isolationshaft und täglichen Schikanen nennt Reinke diese Haftstrafen einen “Tod auf Raten”.

Dieses Schicksal droht allen Ukrainerinnen und Ukrainern, gewinnt Putin seinen Eroberungskrieg.

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