Teilrepublik Georgien

Die Heimat Stalins ist wieder in russischer Hand

Von Wolfgang Mayr

Die Proteste und die Ermittlungen werden nicht mehr viel ändern: Die Kremlnahe Partei “Georgischer Traum” setzte sich bei den Parlamentswahlen deutlich gegen die pro-europäische Oppositions-Allianz durch. Es gibt also keine Mehrheit für die EU. 

Die Opposition vermutet Wahlbetrug, orchestriert aus Moskau, ähnlich wie in Moldawien. Die OSZE berichtete von Druck, Einschüchterung und von Stimmenkauf. Das kümmert aber Ministerpräsident Irakli Kobakhidze wenig. Er warnte im Wahlkampf vor einem Sieg der Opposition, die Georgien in die EU führen möchte: Die Folge sei ein Krieg Russlands gegen Georgien.  

Diese Botschaft kam an, bei der Mehrheit der Bevölkerung. Die Erinnerung an den russischen “Blitzkrieg” 2008 ist noch frisch. Immerhin sind seit damals 20 Prozent des Landes russisch besetzt, Südossetien und Abchasien. Zwei anderssprachige Regionen, die die georgischen Nationalisten in die Armee Russlands trieb.

Das online-Magazin “Nationalia” der katalanischen NGO Ciemen analysierte die georgischen Wahlen und richtete sein Augenmerk auf den Macher des “Georgischen Traums”: Bidsina Ivanishvili. Er zählt zu den reichsten Georgiern, sein Vermögen wird auf fast fünf Milliarden Euro geschätzt. Wie bei anderen Oligarchen auch – weiß “Nationalia” – stammt sein Reichtum aus den Privatisierungen großer Staatsunternehmen in Russland. 2012 gründete Ivanishvili den “Georgischen Traum”, anfänglich auf Distanz zu Russland und EU nah.

Iwanischwili zieht im Hintergrund die politischen Fäden, als Ministerpräsident besetzte er wichtige Posten und Ämter mit Vertrauensleuten. “Er hat das Land in ein privates Unternehmen verwandelt, das ihm gehört, sagt Gia Khukhashvili, ein ehemaliger Berater und Vertrauter Iwanischwilis.

Hinwendung zu Moskau

In der Frühphase gab sich der “Georgische Traum” liberal und pro-europäisch, seit dem russischen Krieg gegen die Ukraine immer stärker antiwestlich und antiliberal. “Nationalia” erklärt sich diesen Wandel mit dem ständigen russischen Druck. Russland lehnt eine Annäherung Georgiens an die EU oder gar an die NATO strikt ab. “Nationalia” beschreibt das heutige Georgien als Teil der russischen Einflusssphäre, als russischen Hinterhof.

Deshalb die kontinuierliche Distanzierung Georgiens von der EU, die bestmögliche Strategie, den Aggressor zu beschwichtigen. Die georgische Regierung bemühte sich erfolgreich um den Status eines EU-Beitrittskandidaten. Die Regierung bremste den europäischen Beitrittsprozess aus, mit dem Anti-NGO-Gesetz und dem Verbot angeblicher LGBTQ-“Propaganda”. Zwei Kopien russischer Gesetze.

Außerdem genehmigte die Regierung im April 2024 das “Offshore-Gesetz“. Es sieht großzügige Steuerbefreiungen vor, sollte Kapital aus dem Ausland zurück nach Georgien fließen. Ein Gesetz gegen die EU-Sanktionen. 

Szenarien für die Zukunft

Ob sich die “Rosenrevolution” von 2003 wiederholt, damals gegen die korrupte und autoritäre Regierung Schewardnadse gerichtet. Wohl eher nicht. Die georgische Behörden werden – Belarus 2020 als Vorbild – mit extremer Gewalt und Repression gegen protestierende Bürger:innen vorgehen.

Ein Euromaidan wie 2013 in der Ukraine ist genausowenig zu erwarten, vermutet “Nationalia”. Massive Proteste könnten den Vorwand für eine direkte russische Intervention liefern.

“Nationalia” geht davon aus, dass die regierungskritischen Proteste abflauen werden. Die Bürger:innen sind erschöpft, von der konstant anhaltenden Repression der Regierung in Tiflis. 

“Nationalia” erwartet, dass der “Georgische Traum” eine autoritäre Regierungsform entwickeln wird. Die Spielräume für die Opposition wird es kaum mehr geben, wie in Russland und Georgien wird sich seinem russischen Nachbarn weit annähern. Georgien, der nächste russische Vorhof.

Georgien kann nicht frei und ohne äußeren Druck über seine geopolitische Ausrichtung entscheiden, ist “Nationalia” überzeugt: “Georgien ist ein souveräner Staat, aber sein mächtiger Nachbar erlaubt es ihm nicht, als solcher zu handeln”. Putin sammelt erfolgreich “sowjetische Erde” ein.

Georgien am Scheideweg zwischen der Europäischen Union und Russland – Nationalia

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