Moralische Verkommenheit 

Die Intellektuellen um Alice Schwarzer und ihr Offener Brief gegen Waffenlieferungen an die überfallene Ukraine ist überheblich, kaltschnäuzig und peinlich.

Von Wolfgang Mayr

Immer wieder kritisierten deutsche Politiker und Intellektuelle die Ukraine. Ganz im Sinne der Propaganda aus dem Kreml: Die Ukraine wird von Nazis beherrscht. Eine Kritik aus einem Land, das im Zweiten Weltkrieg in der Ukraine für besonderes Leid sorgte.

Die Nazis wüteten und tobten, die Juden wurden ermordet, viele Menschen versklavt ins Dritte Reich verschleppt, bis zu sieben Millionen UkrainerInnen wurden ermordet. Diese blutige Geschichte schlüsselte der US-amerikanische Historiker Timothy Snydereindrucksvoll in seinem Buch „Bloodlands“ auf.

Die Nazis setzten die Vernichtung der Ukraine fort, die bereits das Stalin-Regime eingeleitet hatte. In den 1930er Jahren provozierte das Regime mit einer politisch herbeigeführten Hungersnot den Tod von bis zu sechs Millionen UkrainerInnen. Die US-amerikanische Journalistin und Historikerin Anne Appelbaum zeichnet in ihrem Buch „Roter Hunger – Stalins Krieg gegen die Ukraine“ den Holodomor – den millionenfachen Hungertod – ausführlich dokumentiert nach. Die Ukraine, ein Experimentierfeld für grenzenlose Gewalt.

Die deutsche Linke und Russland verdrängten erfolgreich den folgenschweren Pakt zwischen Nazi-Deutschland und der stalinistischen Sowjetunion. Die beiden totalitären Staaten verfolgten gemeinsame Ziele, das leugnen die Stalin-Erben heute. Die Hitler-Erben in Deutschland standen 2014 deshalb solidarisch auf der Seite der russischen Aggressoren auf der Krim und im Donbass. So wie sie es auch heute tun.

Auch die OstermarschiererInnen kritisierten ausschweifend die NATO und die USA sowie die Waffenlieferungen an die überfallene Ukraine. Eine Kritik, die auch direkt aus dem russischen Außenministerium stammen könnte. Nicht der Aggressor war die Adresse der Friedensdemonstranten, sondern die Verteidiger der ukrainischen Freiheit und Souveränität.

Ganz in diesem Sinne agierte auch Alice Schwarzer mit ihrem Offenen Brief an Bundeskanzler Scholz. Zwei Zitate aus dem Schreiben, die für sich sprechen: „Die zweite Grenzlinie ist das Maß an Zerstörung und menschlichem Leid unter der ukrainischen Zivilbevölkerung. Selbst der berechtigte Widerstand gegen einen Aggressor steht dazu irgendwann in einem unerträglichen Missverhältnis.“

Schwarzer und die Mit-Unterzeichnenden sehen in dem sich wehrenden ukrainischen Staat und der helfenden NATO die Ursache für eine weltweite Eskalation: „Zum einen, dass die Verantwortung für die Gefahr einer Eskalation zum atomaren Konflikt allein den ursprünglichen Aggressor angehe und nicht auch diejenigen, die ihm sehenden Auges ein Motiv zu einem gegebenenfalls verbrecherischen Handeln liefern. Und zum andern, dass die Entscheidung über die moralische Verantwortbarkeit der weiteren „Kosten“ an Menschenleben unter der ukrainischen Zivilbevölkerung ausschließlich in die Zuständigkeit ihrer Regierung falle. Moralisch verbindliche Normen sind universaler Natur.“

Für die Salonkolumnisten ist dieser „pazifistische“ Brief an den deutschen Bundeskanzler ein Ausdruck peinlicher Verkommenheit der Unterzeichnenden. Richard Volkmann kommentiert den Offenen Schwarzer-Brief folgendermaßen: „Es ist das große Glück unserer Zeit, dass solch eine Veröffentlichung angesichts der nicht zu übersehenden Wahrheit des unmenschlichen Krieges, den Russland, nur Russland und einzig Russland aus freien Stücken vom Zaun gebrochen hat, wie ein Museumsstück wirkt. Die übergeordnete Frage, warum die politische Meinung von Martin Walser und Juli Zeh besonders wertvoll sein sollte und was durch solche Peinlichkeiten gewonnen ist, muss die liberale Demokratie indes erst noch beantworten.“

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