13-09-2023
Lastwagen des Russischen Roten Kreuzes mit russischen Hilfsgütern in Stepanakert
Öffnung des Latschin-Korridors? Im Prinzip ja, aber…
Von Sivizius - Eigenes Werk, Arzach und umgebende Staaten von 1994 bis 2020 von Arzach beherrscht, ehem. autonomes Bergkarabach von Arzach beherrscht, außerhalb des früher autonomen Bergkarabach von Aserbaidschan beherrscht, aber von Arzach beansprucht
Von Tessa Hofmann
Wir erinnern uns: Mitte Juli 2023 verschärfte Aserbaidschan drastisch seine Hungerblockade gegen Arzach/Bergkarabach. Selbst dem Internationalen Roten Kreuz und den russischen Friedenstruppen wurde der Transport von Hilfsgütern und Treibstoff untersagt, was die Genozidgefahr in der Region erheblich verschärfte. Mit der Hungerblockade wollte Aserbaidschan unter anderem erzwingen, dass die politische Führung der Republik Arzach die Öffnung der von der Kreisstadt Agdam nach Arzach führenden Straße akzeptiert, über die Aserbaidschan Mehl transportieren wollte. Die Straße war bereits vor Monaten von Arzach aus mit Betonblöcken verbarrikadiert worden. Arajik Harutjunjan, bis zum 8. September Präsident Arzachs, weigerte sich, „Hilfslieferungen“ über diese Route zu akzeptieren: „Aserbaidschan hat diese Krise ausgelöst und kann nicht ihre Lösung sein.“ Das Misstrauen in Arzach war groß, dass das Mehl vergiftet sein könnte. Unter dem Eindruck der sich drastisch verschlechternden Versorgungslage trat Harutjunjan jedoch zurück; als sein Nachfolger wurde Samwel Schahramanjan bestimmt.
Obwohl Aserbaidschan, unterstützt von den USA, Moldawien und der Ukraine, diese Wahl für „illegal“ erklärte, scheint es doch zumindest vorübergehend zu einer gewissen Verständigung mit dem „illegalen“ Präsidenten gekommen zu sein: Noch am Wahltag verkündete die armenische staatliche Nachrichtenagentur Armenpress, dass zur Notversorgung der Arzacher Bevölkerung zwei Routen geöffnet werden sollten: Über die Stadt Askeran (in Arzach) sollten russische Hilfsgüter über die Agdam-Route durch das russische Rote Kreuz geliefert werden und „gleichzeitig“ der Latschin-Korridor als einzige Landverbindung zwischen Arzach und der Republik Armenien wieder für Hilfslieferungen durch das Internationale Rote Kreuz geöffnet werden.
Tatsächlich traf am 12. September über Askeran ein erster Lastwagen mit etwa 15 Tonnen Nahrungsmitteln, Hygieneartikeln und Bettzeug als Spende für die Einwohner Arzachs ein. So teilte es am selben Tag die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Marija Sacharowa, mit: „Wir gehen davon aus, dass in Anbetracht der bereits erzielten gegenseitigen Verständigung auch der Latschin-Korridor in naher Zukunft freigegeben wird, und zwar gleichzeitig mit der Aghdam-Route, so dass dann aus beiden Richtungen regelmäßig humanitäre Hilfe in die Region fließen wird.
Wir hoffen, dass sich auf diese Weise die humanitäre Lage in Berg-Karabach stabilisiert und die normalen Aktivitäten der lokalen Bevölkerung wiederhergestellt werden können. Dies wiederum wird die Voraussetzungen für die Aufnahme eines Dialogs zwischen Baku und Stepanakert und die Wiederaufnahme der regulären Arbeit zur Umsetzung aller dreiseitigen Abkommen auf höchster Ebene in den Jahren 2020-2022 schaffen, um die armenisch-aserbaidschanischen Beziehungen zu normalisieren.“
Wer auch immer für „Deals“ hinsichtlich der Öffnung des Latschin-Korridors zuständig war – das Internationale Rote Kreuz, das russische Außenministerium oder gar die Arzacher Staatsführung – hat noch keinen Durchbruch erzielt: Denn aktuell bleibt der Latschin-Korridor nicht nur weiterhin geschlossen, sondern ist noch immer nicht für Hilfslieferungen durch das Internationale Rote Kreuz freigegeben. Dazu erklärte Hadschijew, ein Berater des aserbaidschanischen Präsidenten Alijew, in den sozialen Medien, dass der Latschin-Korridor nicht sofort geöffnet werde, sondern im Rahmen einer Vereinbarung, die den aserbaidschanischen Hilfslieferungen aus Agdam einen unbegrenzten Zugang ermögliche.
Unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe will sich Aserbaidschan anscheinend dauerhaften Zugang zu Arzach erpressen.
Eine Lösung des Arzach-Konflikts ist dies keineswegs, im Gegenteil. Und es ist ernsthaft zu befürchten, dass selbst die Hungerkatastrophe damit nicht beendet ist.
SHARE