KUEI, ICH GRÜSSE DICH: EIN LITERARISCHER DIALOG ZWISCHEN EINEM QUEBECER UND EINER INNA

Die Innu-Dichterin Natasha Kanapé Fontaine und der US-kanadische Schriftsteller Deni Ellis Béchard „sprechen“ über Rassismus zwischen Indigenen und Nichtindigenen.

Kanada genießt ein liberales Image. Zu Unrecht. Der Staat der meist englischen und französischen Einwanderer kolonialisierte radikal das Land, bekriegte die „Autochthonen“, wie Natasha Kanape Fontaine die indigenen Völker bezeichnet.

Nach Massakern und Vertreibungen wurden die indigenen Überlebenden in Reservate gepfercht, mehr als 150.000 Kinder wurden ihren Eltern geraubt, enteignet und in katholischen residential schools einer brutalen Gehirnwäsche unterzogen. Mehr als 6.000 Kinder kamen dabei ums Leben, verhungert, missbraucht von Ordensleuten

Der Krieg gegen die Autochthonen geht weiter, besonders gegen indigene Frauen. Weit mehr als 1.000 Mädchen und Frauen werden seit 1980 vermisst. Die Angehörigen vermuten, dass sie vergewaltigt und ermordet wurden. Auch von Polizisten. Polizei und Justiz ermitteln nicht, handelt es sich doch nur um „sqaws“, wie indigene Frauen abschätzig beschimpft werden.

Über diese Geschichte unterhalten sich Fontaine und Bechard in ihren Briefen, über den Alltagsrassismus und über das gegenseitige Misstrauen der Autochthonen und der frankophonen Quebecer. Den Anstoß für dieses Buch, für das Briefeschreiben, gab die Autorin Denise Bombardier. Die überzeugte frankophone Nationalistin kritisierte 2015 in einer Kolumne die Kulturen der indigenen Völker als „tödlich“ und „antiwissenschaftlich“.

Hintergrund für diese Kritik war der Tod einer elfjährigen Indigenen in Ontario. Das an Leukämie erkrankte Mädchen lehnte die Chemotherapie zugunsten der traditionellen indigenen Medizin ab. „Dieses Kind ist gestorben, weil es einer tödlichen, antiwissenschaftlichen Kultur geopfert wurde“, kommentierte Bombardier auf der Website des „Montreal Denise Journal“. Die Kritik an der Entscheidung, auf die Chemotherapie zu verzichten, ist zweifelsohne nachvollziehbar. Nicht aber die kollektive Verunglimpfung der indigenen Kulturen. Das ist Rassismus.

Bombardier sorgte in der Literaturszene mit ihren Sagern für Aufregung und Kritik. Die Verwunderung wuchs, als Bombardier mit der Moderation der Quebec International Book Fair im April beauftragt wurde. Bombardier sollte auch mit SchriftstellerInnnen indigener Völker über ihre literarischen Arbeiten diskutieren. Mehrere AutorInnen unterschiedlicher ethnischer Herkunft bemängelten die fehlende Empathie der Veranstalter. Verschiedene indigene AutorInnen wollten ihrerseits die Buchmesse nutzen, öffentlich mit Bombardier abzurechnen. Auch im Vorfeld der Literatur-Veranstaltung heizte Bombardier die Stimmung an. Sie äußerte sich verächtlich und auf eine demagogische Weise über die indigenen Kulturen.

Natasha Kanape Fontaine forderte auf der Buchmesse Bombardier auf, offen über ihre antiindigenen Angriffe zu diskutieren. Die Kolumnistin verweigerte sich, die Veranstalter drehten den Strom ab, Bombardier entriss Fontaine wütend das Handmikrophon.

Kriegsreporter Deni Ellis Bechard bot Fontaine an, gemeinsam ein Buch über den kanadischen Alltagsrassismus zu schreiben, auch unter angeblich aufgeklärten Intellektuellen. In diesem Briefwechsel erzählt Fontaine von ihren Jahren in residential schools, von der Oka-Krise zwischen den Mohawk und den staatlichen Behörden und vom Leben im Reservat Pessamit. Béchard berichtet vom Rassismus seines Vaters, über die Abschottung von Afroamerikanern und seine Identität als Quebecer in den USA.

Beiden Autoren bekennen sich in ihren Briefen zum Respekt vor kulturellen und sprachlichen Unterschieden. Bechard und Fontaine sagen stellvertretend für das andere Kanada, das Kanada der ethnischen Vielfalt, dass dieser Respekt die Grundlage des Zusammenlebens ist.

Die deutsche Ausgabe „Kuei, ich grüße dich“ ist in der Edition TRI des slowenischen Drava-Verlages in Klagenfurt/Celovec erschienen.

#368 “Walk like an Indian” – The Ormsby Review

The Salon du livre de Québec under fire from critics – The Canadian

Tiotiake – Tio’tia:ke (official video) Natasha Kanapé Fontaine et Random Recipe – Bing video

 

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Foto: Radio Canada

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