Kneissl flüchtet zu Putin

Die ehemalige österreichische Außenministerin findet den Westen unerträglich und wandert nach Russland aus

Von Wolfgang Mayr

Der westliche Andrang beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg hielt sich in überschaubaren Grenzen. Der russische Kriegspräsident Putin lud die Welt ein. Es kamen die üblichen Verdächtigen, die Schurken und Gangster, wie die abgehalfterten, korrupten und gewalttätigen sandinistischen Alt-Revolutionäre aus Nicaragua, die brutalen Militärs von Myanmar, die stalinistischen Freunde aus der Volksrepublik China sowie aus arabischen, afrikanischen und einigen asiatischen Ländern.

Unter den wenigen westlichen Angereisten befand sich Karin Kneissl. Sie, in der türkis-blauen Ära Außenministerin von Bundeskanzler Sebastian Kurz, zählte zu den wenigen handverlesenen westlichen Gästen. 

Das ist keineswegs überraschend. Zu seiner Hochzeit lud Kneissl Präsident Putin ein, tanzte mit ihm heiter und beschwingt und schenkte dem Kreml-Diktator einen unterwürfigen Knicks. Seit ihrem Ausscheiden aus der österreichischen Politik tauchte sie in die „russische Welt“ unter, war kurzfristig Aufsichtsrätin des russischen Ölkonzerns Rosneft und anschließend Kolumnistin des Propaganda-Senders Russia Today. Der Inbegriff der „Lügenpresse“.

Russland, Opfer?

Beim Forum langte Kneissl mit ihren Thesen dann auch kräftig zu, zur Freude ihres Freundes Putin. Österreich habe Russland verraten, tönte die Ex-Außenministerin. Viele Österreicher hätten viel Geld mit Russen verdient, sie hätten Villas entworfen, gebaut oder renoviert, erzählte Kneissl. „Aber leider haben Ärzte in Österreich im vergangenen Jahr russische Patienten nicht mehr behandelt, weil sie Russen gewesen sind“, warf die ehemalige Ministerin der Republik Österreich österreichischen Ärzten ethnische Diskriminierung vor. Sie bestätigte damit die Thesen des Kriegspräsidenten, der Westen sei russophob.

Ministerin a.D philosophierte munter weiter. Sie stellte fest, dass sich eine wachsende Zahl an Menschen im Westen von westlichen Werten verabschiedet und sich russischen Werten zugewandt hätten. Also weg von Liberalismus, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und hin zu Religion, Familie, Großfamilie, gegen Abtreibung und sexuelle Selbstbestimmung, starker Staat samt starken Führer, usw. Diese wachsende Anzahl wolle nach Russland übersiedeln. Meinte sie damit die FPÖ- und AfD-Wähler, die Wähler des französischen RN, der spanischen Vox und der italienischen Fratelli d´ Italia? Die Südtiroler Freiheitlichen und die Südtiroler Freiheit? Viele davon drängen freiwillig in Putins Arsch.

Die wachsende Anzahl seien nicht damit einverstanden, dass ihr Alltag von „gewissen Minderheiten“ bestimmt werden. Kneissl ließ offen, wen sie damit meinte? Wahrscheinlich jene, die niemals in dieses Russland emigrieren würden, wie Schwule, Lesben, Queere, Binäre, also jene, die das christliche Abendland gefährden. Dazu zählen auch Demokratinnen und Demokraten, Gewerkschafts-Aktivistinnen und Aktivisten, Ökos.

Russland, Auswanderungsziel für Westeuropäer?

Die ehemalige Außenpolitikerin mutierte auf dem Wirtschaftsforum in ST. Petersburg gar zu Migrationsforscherin. Es gebe eine alte Tradition für Migrationsströme aus Europa nach Russland, und diese könnten nun revitalisiert werden. Kneissl dachte an die Religionsflüchtlinge aus Mittel-Europa, vielleicht an die Wolga-Deutschen, denen Stalin während des Zweiten Weltkrieges das Genick brach. Seit den 1970er Jahren verließen die Nachfahren dieser verunglimpften „Deutschen“ fluchtartig Russland in Richtung Deutschland, um dort inzwischen massenhaft die pro-russische AfD zu wählen. Die „Rußland-Deutschen“, die fünfte Kolonne Putins in Deutschland?

Die derzeit im Libanon lebende Kneissl plant in St. Petersburg die Gründung eines Russland-Thinktanks. Am vergangenen Freitag präsentierte Kneissl mit dem Rektor der St. Petersburger Universität das neue Institut Das an der Petersburger Uni angesiedelte Zentrum werde sich mit der wirtschaftlichen Entwicklung Russlands, seiner Energieunabhängigkeit, Fragen von Migration sowie mit russischer Außenpolitik beschäftigen. Die Universität würdigte die künftige Instituts-Leiterin, sie werde ihre reiche diplomatischen Erfahrung einbringen. Das Institut werde mit akademischen Thesen die russische Politik begleiten.

Opfer Kneissl

Wegen ihrer Russland Nähe habe sie einen Kollateralschaden erlitten, beklagte sie den heftigen Widerspruch gegen ihre pro-russische Positionierung. Sie sei gar aus der EU geworfen worden, sei deshalb ein „politischer Häftling“. Rechte lieben die Opferrolle. Das angeblich ÖVP- und FPÖ-nahe online-Magazin „exxpress“, die harmlose Umschreibung für ein rechtspopulistisch versuchtes Magazin, berichtete von Hass-Attacken gegen Kneissl. Deshalb flüchtete sie in den Nahen Osten, in den hoch aufgeladenen libanesischen „Hexenkessel“. „Exxpress“ listete die Beschimpfungen im Web auf, „wüste Angriffe auf den Social-media-Plattformen und persönliche Anfeindungen“. Seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine war Karin Kneissl harten Hass-Attacken ausgesetzt, solidarisierte sich „exxpress“ mit der derart heftig Angegriffenen. Die politische Verfolgung machte „exxpress“ am EU-Druck auf Kneissl fest, ihren Aufsichtsratsposten bei Rosneft aufzugeben. 

Noch mehr „exxpress“, „Qualitätsjournalismus der besonderen Art“: „Aber auch das brachte keine Reduzierung der Angriffe: In Interviews sprach Karin Kneissl von “einer Hexenjagd” und von “systematischen Verleumdungen”. Selbst in Südfrankreich, wo sie mit ihren Hunden und Pferden als “politischer Flüchtling” (O-Ton Kneissl) lebte, fühlte sie sich nicht mehr sicher.“

Kneissl, eine Tragikomödie

Hans Rauscher analysierte schon vor einem Jahr im „Standard“ die Polit-Karriere von Karin Kneissl als eine Tragikomödie. Die Ex-Außenministerin gebe nur Bizarres von sich, kanzelte Rauscher verschiedene 0-Töne der einstigen Spitzendiplomatin ab. Sie stünde in Österreich „jenseits des Gesetzes“, sei „politisch verfolgt“. Kneissl galt als Außenamtsmitarbeiterin als schwierig, hielt Vorträge unter anderem vor der FPÖ und so wurde sie Ministerin. „Weil es für sie eine Genugtuung war, weil die FPÖ niemand anderen hatte und weil es Sebastian Kurz wurscht war.“

Die politische Karriere von Kneissl bewertete Rauscher als eine traurige Geschichte mit grotesken Begleiterscheinungen: „Aber der Punkt ist, wie so jemand Außenministerin der Republik Österreich werden konnte. Und woher eine FPÖ und eine Kurz-ÖVP, die uns solche Minister(innen) beschert haben, die Frechheit nehmen, diesen Staat regieren zu wollen,“ wollte Rauscher wissen. Diese Frage stellten sich auch Israelis. Immerhin stufte Kneissl den Zionismus auf dem „Niveau“ der „Blut-und-Boden-Ideologie“ der Nazis ein.

Wie es aussieht, wird bei den nächsten Nationalratswahlen in Österreich die FPÖ stärkste Partei werden. Die Kickl-Freiheitlichen haben sich klar definiert, wie Karin Kneissl auch. Gegen die EU, gegen die NATO, für Putin und sein Russland. Mit dann besten Verbindungen nach Moskau. Gute Nacht Österreich.

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