21-12-2023
„Jesiden raus!“
Eine deutsche Peinlichkeit

Von Wolfgang Mayr
Die Rechtsradikalen stressen, die AfD und ihr Umfeld. Auch große Teile der CDU/CSU und der SPD bocken, gegen Migranten und Geflüchteten. Fakt ist, dass viele Kommunen klagen, sie fühlen sich überfordert. Die einstige Willkommenskultur wurde abgelöst von der Kultur der kalten Schulter und vom Hass auf Geflüchtete, letzthin besonders auf Ukrainerinnen und Ukrainer. Da macht sich wohl die deutsch-russische Freundschaft bemerkbar.
Die Reaktion der Verantwortlichen, die Schwächsten der Schwachen werden aus dem Land geworfen. Die Jesiden. Ausgerechnet die Opfer eines Genozids werden zurückgeschickt, in den Irak. Dort sind die Täter noch immer aktiv, die Killer des Islamischen Staates.
Im Frühjahr bekannte sich das Bundesinnenministeriums zum Bleiberechte für Jesiden, bezeichnete Abschiebungen als „unzumutbar“. Nach Recherchen des ARD-Magazins Monitor werden hingegen immer häufiger Jesiden abgeschoben.
Es ist zum Verzweifeln. Seit Jahrzehnten tönt es in Deutschland „Nie wieder“. Seit dem Einmarsch der israelischen Armee in den Gaza-Streifen, als Reaktion auf den Massenmord der klerikal-faschistischen Hamas am 7. Oktober, breitet sich in Deutschland ein widerlicher Antisemitismus aus. Von rechts nach links bis in migrantische Bevölkerungsteile. Nie wieder?
Im Januar dieses Jahres erkannte der Bundestag die Verbrechen des Islamischen Staates an den Jesiden als Völkermord an. Ein Signal an die Betroffenen, dass ihr Leid und ihr Schutz anerkannt werden.
2014 hatte der IS im Nordirak mehr als 5.000 Jesiden ermordet. Tausende Kinder und Frauen wurden vergewaltigt, verschleppt und versklavt. Unter den IS-Terroristen auch eine große Schar deutscher Staatsbürger.
Die Anerkennung des Völkermordes bedeutet aber nicht automatisch kollektiver Schutz für Jesidinnen und Jesiden in Deutschland. Laut Pro Asyl sind bis zu 10.000 Jesidinnen und Jesiden von Abschiebung in den Irak bedroht.
Im Oktober appellierte die deutsch-jesidische Organisation Hawar an das Bundesinnenministerin, die Abschiebung zu stoppen. Anlässlich des 9. Jahrestages des Genozids sollte Deutschland die Jesiden besonders schützen.
War die parlamentarische Anerkennung des Genozids nur ein Ritual? Sonntags-Gerede, inhaltsleeres Geschwätz? Wenn ja, dann trifft der Adenauer-Sager zu, was kümmert mich mein Geschwätz von gestern.
Ähnlich verhielt sich Deutschland vor und nach dem sogenannten Jugoslawien-Krieg. Nach den Massakern der „Jugoslawischen Volksarmee“ und serbischer Milizen in Bosnien und im Kosova flüchteten viele der Überlebenden und Verfolgten nach Deutschland.
Nach einigen Jahren des nie deutlich definierten Bleiberechts, Kinder und Jugendliche der Geflüchteten schafften unter widrigsten Umständen ihre „Integration“, wurden bosnische und kosovarische Geflüchtete wieder zurückgeschickt. Den „eingefrorenen Krieg“ verkaufte die deutsche Politik als Frieden, der West-Balkan galt plötzlich als ein sicheres Herkunftsland. Offensichtlich die Blaupause für die Abschiebung der Jesiden.
Wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis ukrainische Geflüchtete in die von Russland überfallene Ukraine zurückgeschickt werden. Weil, so formulierte es Tino Chrupalla von der in Teilen rechtsradikalen AfD, in weiten Teilen der Ukraine Frieden herrsche.
Derweil „schafft“ Deutschland Jesiden aus.
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